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Revolution gegen die Revolution? Warum die Kubaner auf die Straße gehen

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Erstmals seit Jahren gehen in Kuba Tausende Menschen gegen das Regime auf die Straßen. Die Regierung versucht die Proteste als unbedeutend herunterzuspielen. Im Untergrund brodelt der Widerstand jedoch schon länger.

Tausende Menschen gehen in zahlreichen kubanischen Städten auf die Straße. Sie rufen "Freiheit" oder "Nieder mit der Diktatur", teilweise schwenken sie US-Fahnen, aber auch viele kubanische sind dabei. Ungewöhnliche Bilder sind das, denn sonst werden in Kuba nur Paraden zugunsten des Regimes zugelassen. Es sind die größten Proteste seit Jahrzehnten und sie sind der Regierung des Karibikstaates ein Dorn im Auge. Die Behörden des Karibikstaats gehen nach Aussagen von Aktivisten brutal gegen die größtenteils friedlichen Demonstranten vor.

144 Menschen wurden laut der Protestbewegung San Isidro festgenommen oder gelten als vermisst. Sogar einen Toten soll es gegeben haben - nach Angaben des Innenministeriums handelt es sich um einen 36-jähirgen Mann namens Diubis Laurencio Tejeda. Der Mann habe sich an den "Unruhen" im Land beteiligt, man bedauere aber den Tod. Die Amerika-Direktorin von Amnesty International, Erika Guevara-Rosas, teilte auf Twitter ein Video, das schießende Polizisten zeigt. Sie schrieb, dass Demonstranten von Kugeln verwundet worden seien.

Was sagt die kubanische Regierung?

Die kubanische Regierung sagt, dass die Proteste von den USA finanziert worden seien, um Kuba zu destabilisieren. Außenminister Bruno Rodríguez warf der US-Regierung vor, die Demonstrationen "mit ihrer Politik der Sanktionen und einer Kampagne im Internet" provoziert zu haben. Die Proteste seien keineswegs als "sozialer Zornesausbruch" zu werten, betonte Rodríguez. Es habe sich um Unruhen "in einem sehr begrenzten Umfang" gehandelt. Die Kubaner stünden weiter "hinter der Revolution und ihrer Regierung".

Dennoch scheint die Regierung die Demonstrationen ernst zu nehmen: Der amtlichen kubanischen Zeitung "Granma" zufolge traf sich Präsident Miguel Díaz-Canel am Dienstag mit seinem Vorgänger Raúl Castro sowie den übrigen Mitgliedern des Politbüros der Kommunistischen Partei, um über die weitere Vorgehensweise zu beraten. 

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Ein Mann wird auf den Straßen Havannas festgenommen.

Staatschef Miguel Diaz Canel hatte zunächst aber in einer Fernsehansprache auch eingeräumt, dass er die Unzufriedenheit verstehen könne und versprach, alles zu tun, um die Versorgungslage zu verbessern, insbesondere die Energieversorgung.

Was sagen die USA?

Tatsächlich äußerten sich Vertreter der US-Regierung rasch zu den Protesten: Die USA forderten Kuba auf, die Beschränkungen im Netz aufzuheben und die "Stimme der Menschen zu respektieren". Daten der in London ansässigen Organisation Netblocks zeigten, dass der Zugang zu Diensten wie Whatsapp, Telegram, Facebook und Instagram in Kuba am Montag beschränkt war. Es müsse der Zugang zu "allen Kommunikationsmitteln" gewährt werden, "online und offline", betonte US-Außenamtssprecher Ned Price.

Zuvor hatte US-Präsident Joe Biden seine Unterstützung für die Demonstranten in Kuba bekundet. US-Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas warnte Kubaner unterdessen, wegen der Situation in ihrem Land die gefährliche Flucht über den Seeweg in die USA zu versuchen. 

Was sagen die Kubaner?

Der aktuelle Auslöser der Proteste dürfte aber vor allem in der aktuellen wirtschaftlichen Lage zu finden sein. Die Versorgungslage ist derzeit besonders prekär. Der Insel fehlt es an Lebensmitteln, die Preise steigen, vor den Geschäften bilden sich lange Schlangen. Vor allem Fleisch und Öl sind schwer zu bekommen. Stromausfälle häufen sich, was zu Ausfällen bei Tiefkühltruhen führte. Die Lage verschlechterte sich, seit der ehemalige US-Präsident Donald Trump die Wirtschaftssanktionen gegen Kuba verschärft hat. Dazu kommt die Misswirtschaft im eigenen Land.

Die Wut der Demonstranten dürfte sich auch gegen die Corona-Politik richten. Die Infektionszahlen sind hoch und viele Krankenhäuser überlastet. Obwohl Kuba erst vergangene Woche dem selbst erzeugten Impfstoff "Abdala" eine Notfallzulassung erteilt hat, stockt die Impfkampagne - vor allem in den Provinzen. Durch ausbleibende Touristen fehlen Kuba zusätzlich Devisen.

Den Ursprung nahm die Protestbewegung aber schon vor Monaten in einem Aufschrei der Kunstszene, gegen ein umstrittenes Dekret, das Zensur und Auftrittsverbote erleichtern soll. Künstler veröffentlichten den Hip Hop-Song "Patria y Vida" (Vaterland und Leben"), der zur Hymne der Demonstranten wurde. Der Kunstszene schlossen sich andere Oppositionelle an, die mehr Freiheiten fordern. In Kuba ist seit der Revolution 1959 nur eine einzige Partei erlaubt, oppositionelle Tätigkeiten außerhalb der offiziellen Institutionen sind verboten.

Staatschef Canel kündigte allerdings an, dass die Revolution „nur über unsere Leichen“ besiegt werden könne. Er rief alle Kommunisten und Revolutionäre dazu auf, sich auf die Straße zu begeben und die Revolution zu verteidigen. Dem Aufruf folgten in Havanna und anderen Orten hunderte Demonstranten, die den Namen Fidel Castros skandierten, aber sie blieben in der Minderheit.

ribbon Zusammenfassung
  • Erstmals seit Jahren gehen in Kuba Tausende Menschen gegen das Regime auf die Straßen. Die Regierung versucht, die Proteste als unbedeutend herunterzuspielen. Im Untergrund brodelt der Widerstand jedoch schon länger.
  • 144 Menschen wurden laut der Protestbewegung San Isidro festgenommen oder gelten als vermisst. Sogar einen Toten soll es gegeben haben.
  • Die kubanische Regierung sagt, dass die Proteste von den USA finanziert worden seien, um Kuba zu destabilisieren.
  • Tatsächlich äußerten sich Vertreter der US-Regierung rasch zu den Protesten: Die USA forderten Kuba auf, die Beschränkungen im Netz aufzuheben und die "Stimme der Menschen zu respektieren".
  • Der aktuelle Auslöser der Proteste dürfte aber vor allem in der aktuellen wirtschaftlichen Lage zu finden sein. Die Versorgungslage ist derzeit besonders prekär. 
  • Die Lage verschlechterte sich, seit der ehemalige US-Präsident Donald Trump die Wirtschaftssanktionen gegen Kuba verschärft hat. Dazu kommt die Misswirtschaft im eigenen Land.

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