Misstrauensvotum
Regierungskrise in Portugal: "Sie sind alle korrupt!"
230 Abgeordnete sitzen in der Assembleia da República, dem portugiesischen Parlament. 142 von ihnen stimmen am Dienstagabend gegen Regierungschef Luís Montenegro ab. Mit dieser eindeutigen Mehrheit ist die mitte-rechts-Regierung um Montenegro schon nach nicht einmal einem Jahr Geschichte. Opposition und Medien werfen ihm einen politischen Interessenskonflikt mit privaten Firmen-Tätigkeiten vor.
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Doch warum das Ganze? Montenegro gründete 2021, der gelernte Jurist war damals nicht in der Regierung, das Beratungs- und Immobilienunternehmen "Spinumviva". Eben dieses Unternehmen soll aber – so die Vorwürfe – in weiterer Folge von der Position des späteren Ministerpräsidenten Montenegro profitiert haben.
Dieser übertrug später die Firmenanteile an seine Frau und seine beiden Kinder. Wer aller zu den Kund:innen des Montenegro-Unternehmens gehört, gab der nunmehrige Ex-Ministerpräsident aber nicht preis.
Zweifelhafte Geschäfte im Glücksspiel-Sektor
Das ist aber noch nicht alles: Montenegro war vor seinen politischen Ämtern nämlich auch als Anwalt tätig. Und zwar beim Glücksspielkonzern "Solverde". Mit seiner Regierung arbeitete Montenegro dann an einem Gesetz, das die Spielkasino-Konzessionen in Portugal reformieren sollte.
Der Druck auf den 52-Jährigen stieg in den letzten Wochen aufgrund der publik gewordenen Vorwürfe stark an. Montenegro selbst bestreitet jede Unregelmäßigkeit. Im Rahmen der Affäre überstand er bereits zwei Misstrauensvoten. Die dritte Abstimmung war dann aber eine zu viel, weshalb Portugal erneut ohne Regierung dasteht.
Es wären bereits die dritten vorgezogenen Parlamentswahlen in drei Jahren. Politische Analyst·innen sehen in der Vertrauensfrage einen Schachzug Montenegros, um ohne größeren Gesichtsverlust Neuwahlen zu erzwingen.
"Es ist verrückt, dass wir wieder Wahlen haben!"
Die Portugiesinnen und Portugiesen sind freilich enttäuscht von der Politik. "Es ist verrückt, dass wir zum dritten Mal in so kurzer Zeit Wahlen haben", so ein junger Mann gegenüber PULS 24.
Ein anderer Passant im Zentrum Lissabons wird dabei noch deutlicher: "Sie sind alle gleich. Es geht um Korruption." Der Tenor, der in der portugiesischen Hauptstadt zu vernehmen ist: Den Großparteien werde man nicht mehr länger das Vertrauen schenken. Das gelte sowohl für Montenegros Aliança Democrática, als auch für die Sozialistischen Partei.
Auch Vorgänger musste zurücktreten
Denn bereits der frühere portugiesische Premierminister António Costa, ein Sozialist, sah sich Ende 2023 mit Korruptionsvorwürfen im Zusammenhang mit Lizenzen konfrontiert. Um das Ansehen seines Amtes zu schützen, erklärte Costa seinen Rücktritt.
Das Kuriose daran: Wenige Tage später wurde bekannt, dass sein Name aufgrund eines Fehlers bei der Transkription durch die Staatsanwaltschaft in den Ermittlungsakten auftauchte. Die Ermittlungen gegen ihn wurden eingestellt. Inzwischen ist Costa EU-Ratspräsident.
Sein Nachfolger hieß: Luís Montenegro. Obwohl der mittlerweile ebenso Geschichte ist, gibt er sich ob der ins Haus stehen Wahlen kämpferisch. "Zwei Monate Instabilität sind besser als anderthalb Jahre langsamer Zerfall", sagt Montenegro in einem Statement nach dem Misstrauens-Votum. Während die Behörden rund um "Spinumviva" ermitteln, kann es Montenegro selbst nicht schnell genug mit Neuwahlen gehen.
Dritte Wahl in drei Jahren
Ob die Portugies:innen tatsächlich wieder zur Wahlurne gebeten werden, wird zwar erst final geklärt. Die Entscheidung darüber obliegt dem Präsidenten Marcelo Rebelo de Sousa. Als Alternative zu Neuwahlen könnte der Staatschef auch einen neuen Regierungschef vorschlagen.
Rebelo de Sousa deutete aber bereits an, dass es wohl Neuwahlen geben wird. Stattfinden würden diese dann Mitte Mai. Deutliche Mehrheiten sind aber nicht zu erwarten sein. Vom Regierungs-Chaos der Großparteien dürften aber die Kleineren profitieren.
Im letzten Jahr zeigte sich ein deutlicher Wahltrend: Die rechtsextreme Chega-Partei konnte im Vergleich zur Wahl davor ihre Stimmen mehr als verdoppeln. Zurück zu unserer Straßenumfrage in der zentralen Straße Avenida da Liberdade, wo man uns nicht nur einmal sagt: "Wir vertrauen dem System nicht. Wir wollen Veränderung." Der Durst nach einem politischem Wandel scheint groß in Portugal.
Zusammenfassung
- Nur ein knappes Jahr war die Minderheitsregierung um Ministerpräsident Luís Montenegro im Amt.
- Seit Wochen machte ihm ein angeblicher Interessenskonflikt zwischen privaten und politischen Angelegenheiten Druck.
- Am Dienstag besiegelt eine Misstrauensabstimmung das Aus der konservativen Montenegro-Regierung.