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Regierende Sozialisten bleiben stärkste Kraft in Albanien

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Nach der Parlamentswahl in Albanien vom Sonntag läuft die Auszählung. Die seit acht Jahren regierenden Sozialisten (PS) von Regierungschef Edi Rama sind weiterhin auf Kurs, die Wahl erneut zu gewinnen, wie schon eine Wählernachbefragung am Wahlabend ergab. Unklar ist aber, ob die Opposition nicht knapp doch genug Stimmen zusammenbekommt, um durch ein gemeinsames Anti-PS-Bündnis an die Macht kommen zu können.

2.604 - also knapp mehr als die Hälfte - der insgesamt knapp 5.200 Wahllokale waren laut der Zentralen Wahlkommission am Montagnachmittag ausgezählt. Bei diesem Stand bleiben die Sozialisten mit landesweit 48,80 Prozent klar stärkste Kraft. Das würde laut einer Berechnung der "Gazeta Shqip" in etwa 75 der insgesamt 140 Parlamentssitze entsprechen. Demnach könnte die PS alleine weiterregieren.

Das Oppositionsbündnis um die Demokraten (PD) von Lulzim Basha liegt derzeit bei 39,29 Prozent (58 Sitze). Die Sozialistische Integrationsbewegung (LSI) der Ehefrau von Staatspräsident Ilir Meta, Monika Kryemadhi, erreichte 7,05 Prozent (5 Mandate). Eine Exit Poll des Senders Top Channel hatte am Sonntagabend ein ähnliches Bild geliefert.

Ebenfalls ins Parlament einziehen dürfte laut den Teilergebnissen die Sozialdemokratische Partei (PSD) des umstrittenen Geschäftsmannes und Medieninhabers Tom Doshi. Sie liegt bei 2,13 Prozent (2 Mandate). In Albanien gilt eine Wahlhürde von 1 Prozent. Doshi gehörte früher zur PS, hat sich aber mit Rama überworfen.

Inzwischen wurde bereits Kritik an Oppositionsführer Basha aus den eigenen PD-Reihen geäußert. Es handelte sich darunter, um frühere Abgeordnete, die nicht mehr auf die Kandidatenliste der Demokraten genommen worden waren, darunter Ex-PD-Generalsekretär Arben Ristani.

Die vorangegangene Legislaturperiode sowie der Wahlkampf waren einmal mehr von großen Spannungen zwischen der Regierung und der Opposition geprägt. Beobachter erwarten, dass die Opposition den erneuten Sieg der PS nicht ohne Weiteres anerkennen könnte.

Albanien ist politisch tief gespalten, die verfeindeten Lager sprechen einander die Daseinsberechtigung ab. Die Opposition um Basha (46), wirft Rama (56) Wahlbetrug, Korruption und Verstrickung in die Organisierte Kriminalität vor. Sie organisierte Massenproteste und boykottierte das Parlament sowie die Kommunalwahlen 2019. Am Mittwoch vor der Wahl kam bei bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Aktivisten beider Lager in der Stadt Elbasan ein Mann ums Leben, vier weitere Personen wurden verletzt.

Der Wahltag selbst verlief ohne größere Zwischenfälle. Die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), deren Delegation der ÖVP-Politiker Reinhold Lopatka leitete, sahen das auch so. Kritisch äußerten sich über den Wahlkampf; sie verurteilten die Tötung des PS-Anhängers in Elbasan und forderten eine umfassende Untersuchung. Zugleich strichen sie bei einer Pressekonferenz in Tirana hervor, dass es dieses Mal keine Probleme mit den Wählerlisten gegeben habe. Lob gab es auch für die Zentrale Wahlkommission. Kritik wiederum gab es an einer Datenbank, die die PS über die politischen Präferenzen und Tendenzen von Bürgern angelegt hatte. Dies sei eine Verletzung des Datenschutzes, so der Koordinator der Wahlbeobachtermission, Azay Guliyev.

Auch aus Sicht der Beobachter des Europarates verlief der Wahltag wesentlich besser als die Wahlkampfphase. Nach wie vor gebe es Probleme, was Stimmenkauf und Druck auf Staatsangestellte betrifft, zur Abstimmung zu gehen und für die Regierung zu stimmen. Bisher hatte keine Wahl in Albanien seit dem Ende des Kommunismus und der internationalen Isolation Anfang der 90er-Jahre die Beobachter aus dem Ausland wirklich zufriedenstellen können.

Auch dieses Mal kam ein abgeändertes Wahlrecht zur Anwendung, das frühere Fehler beheben sollte. So wurden die Kür und Zusammensetzung der Wahlkommission geändert, und jeder Wähler wurde am Sonntag im Wahllokal auf elektronischem Weg identifiziert. Das sollte ausschließen, dass eine Person mehrfach - etwa für Familienmitglieder - abstimmt, oder unter falschem Namen, wie es in der Vergangenheit vorgekommen ist.

In Albanien gilt ein Verhältniswahlrecht. Es gilt aber nicht für das gesamte Land wie in Österreich, sondern jeweils für jeden der zwölf Landesteile, denen je nach Einwohnerzahl eine unterschiedliche Zahl an Mandaten zugeordnet sind, separat.

Albanien war bis Anfang der 1990er-Jahre eine stalinistische, vom Rest der Welt weitgehende isolierte Diktatur. Seitdem hat sich das Land grundlegend verändert, pluralistische und marktwirtschaftliche Verhältnisse hielten Einzug. Zugleich erschweren eine ineffiziente Verwaltung, Korruption, Armut und eine hohe Abwanderung das Leben der Bürger. 2009 wurde das Balkan- und Adria-Land NATO-Mitglied. Für den Beginn von EU-Beitrittsgesprächen erteilten die Staats- und Regierungschefs der Union im Vorjahr Grünes Licht. Wann die Verhandlungen nun aber tatsächlich beginnen, ist noch unklar.

Bei der vorangegangen Parlamentswahl 2017 hatte die PS gut 48 Prozent der Stimmen erhalten und 74 der 140 Mandate erobert. Die PD kam auf 43 Parlamentssitze, die LSI, die früher abwechselnd oft die Königsmacherin für beide Lager bei Koalitionsbildung spielte, auf 19.

Eine Besonderheit bei diesem Urnengang war, dass die im benachbarten Kosovo regierende Partei Vetevendosje (Selbstbestimmung) von Premier Albin Kurti bei der Wahl in Albanien mitmischte, indem sie Einzelkandidaten unterstützte. Eine Möglichkeit der Briefwahl oder des E-Voting gab es am gestrigen Sonntag nicht. Es gibt knapp 3,6 Millionen Wahlberechtigte, 1,5 Millionen Bürger leben aber im Ausland. Viele potenzielle Wähler waren somit von der Wahl ausgeschlossen, weil sie am Sonntag - u.a. wegen der Corona-Pandemie - nicht anreisen konnten. So lag die Wahlbeteiligung laut Zentraler Wahlkommission dieses Mal bei nicht einmal 48 Prozent.

ribbon Zusammenfassung
  • Nach der Parlamentswahl in Albanien vom Sonntag läuft die Auszählung.
  • Die seit acht Jahren regierenden Sozialisten (PS) von Regierungschef Edi Rama sind weiterhin auf Kurs, die Wahl erneut zu gewinnen, wie schon eine Wählernachbefragung am Wahlabend ergab.
  • Bei diesem Stand bleiben die Sozialisten mit landesweit 48,80 Prozent klar stärkste Kraft.
  • So lag die Wahlbeteiligung laut Zentraler Wahlkommission dieses Mal bei nicht einmal 48 Prozent.

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