Prozess in Graz gegen Bombenbauer vor Urteil
Zu Beginn des zweiten Verhandlungstages zeigte sich noch mehr Andrang im Zuschauerraum als am ersten Tag. Die Sitzplätze im großen Schwurgerichtssaal des Straflandesgerichts waren gut gefüllt. Auch die Ex-Frau des Angeklagten sowie die gemeinsame Tochter wollten am Mittwoch dabei sein. Am Montag hatten beide noch ihre Befragung ohne Anwesenheit des Beschuldigten gewünscht, weil sie ihn angeblich nicht sehen wollten. Als sie am Mittwoch in den Saal kamen, sprach sie der vorsitzende Richter Andreas Rom an, weshalb sie denn nun kein Problem mehr hätten, den Angeklagten zu sehen. Daraufhin verließen beide wieder den Gerichtssaal.
Anschließend waren die leitenden Ermittler am Wort. Jener Beamte, der den IT-Techniker nach der Festnahme als erstes befragte, gab an: "Wir haben ihn bei der Arbeit festgenommen. Wir versuchten es still über die Bühne zu bringen." Dafür sei der Beschuldigte dankbar gewesen. Er habe sich gleich kooperativ gezeigt und sofort gesagt, er wisse, weshalb sie ihn mitnehmen: "Ich wollte meine Frau umbringen", habe er gesagt. Noch bevor er ausführlich befragt worden sei, habe sich der 56-Jährige erkundigt, ob die Bombe am Auto seiner Ex-Frau schon gefunden worden sei. Erst da sei es dann umgehend zu Sicherheitsmaßnahmen in Graz gekommen, wo die Frau mit dem Auto zu diesem Zeitpunkt unterwegs war.
Bei der Vernehmung habe sich der Verdächtige sehr klar geäußert und Angaben gemacht, mit denen die Ermittler gut arbeiten konnten. Er lehnte zunächst auch einen Verteidiger ab und machte seine erste Aussage ohne Anwalt. Der Ermittler schilderte, dass die gesamte Abteilung schon nach den ersten Rohrbomben im August 2023 "unter Spannung" gestanden sei: "Der Aufwand war enorm." Die Situation sei als Gefahr für die Zeugen Jehovas erkannt worden. Erst nach der Festnahme habe sich gezeigt, dass der Mann offenbar "nur" seine Ex-Frau töten wollte, erklärte der Ermittler, ohne dabei despektierlich sein zu wollen.
Ex-Frau fuhr rund sechs Wochen mit Bombe am Auto
Der Beamte wurde auch wegen einer Ermittlungspanne befragt, denn die Bombe am Auto der Ex-Frau wurde bei der ersten Überprüfung nicht entdeckt und auch die Sprengstoff-Hunde schlugen nicht an. Daher waren die Frau sowie die Kinder des ehemaligen Ehepaares noch weitere Wochen mit der Bombe am Pkw unterwegs. Der Ermittler gestand ein, dass die Bombe daher insgesamt sogar sechs Wochen am Wagen montiert war.
Der Beschuldigte indessen gab auf die Nachfrage des Richters an, dass er nicht gewusst habe, dass auch seine Tochter und sein Sohn mit dem Wagen der Mutter gefahren sind: "Es gab ja keinen Kontakt." Die aktenführende Beamtin in dem Fall erklärte, dass die Zeugen Jehovas nach den ersten Rohrbomben in Leibnitz eingeschult wurden, worauf sie achten sollten. "Es hat auch innerhalb der Glaubensgemeinschaft Schulungen gegeben." Es wurden auch bei sämtlichen 25 Königreichssälen in der Steiermark Kameras montiert. Die Kosten dafür habe die Religionsgemeinschaft selbst getragen. Dafür wurde ein obligatorischer Schadenersatz gefordert.
Gutachter sieht weder Empathie noch Mitleid
Nachdem am Montag bereits das Sprengstoff-Gutachten sowie die psychologische Untersuchung erörtert wurden, war am Mittwoch noch das psychiatrische Gutachten von Manfred Walzl an der Reihe. Er diagnostizierte eine "sehr schwer ausgeformte kombinierte Persönlichkeitsstörung" mit narzisstischer Ausprägung. Obwohl es sich um eine schwere Störung handle, sei die Zurechnungsfähigkeit beim Angeklagten erhalten gewesen. "Ich habe in 38 Jahren als Gutachter noch niemanden getroffen, der so offen mit seinen strafrechtlichen Problemen umgegangen ist." Der 56-Jährige habe ihm klar gesagt: "Er wollte von seiner Ex-Frau nicht mehr als Melkkuh angesehen werden." Es habe ihm gereicht. Walzl schilderte, dass der Steirer ihm gesagt habe: "Ich habe erreicht, was ich wollte." Empathie oder Mitleid konnte der Gutachter dabei nicht erkennen.
Massiv ausgeprägt sei der Narzissmus des Beschuldigten: "Das eigene Ego dominiert alles", so Walzl weiter. "Menschen mit dieser Erkrankung sind extrem kränkbar. Wird das nicht behandelt, geht das in narzisstische Wut über. Das birgt ein großes Risiko zur Gewalttat", so der Sachverständige. Hinzu komme, dass diese Menschen auch selten anerkennen, dass sie krank sind. Der 56-Jährige habe trotz seiner hohen Intelligenz alles Negative in Kauf genommen und "war auf die Tötung seiner Ex-Frau fixiert". Sogar eine längere Haftstrafe sei ihm dafür recht, so lange er "nicht mehr die Melkkuh" sei, führte Walzl aus. "An einer Einweisung in ein forensisch-therapeutisches Zentrum führt aus gutachterlicher Sicht nichts vorbei."
Da keine weiteren Beweisanträge gestellt wurden, wird die Verhandlung nach der Mittagspause mit den Schlussplädoyers fortgesetzt. Anschließend werden sich die Geschworenen zur Beratung zurückziehen. Ein Urteil wird daher noch am Mittwoch fallen.
Zusammenfassung
- Der Prozess gegen den 56-jährigen mutmaßlichen Bombenbauer in Graz wurde am Mittwoch fortgesetzt, wobei ein Urteil für den Nachmittag erwartet wird.
- Der Angeklagte gestand, seine Ex-Frau töten zu wollen, und die Bombe an ihrem Auto blieb sechs Wochen unentdeckt.
- Der Gerichtspsychiater empfahl eine Einweisung in ein forensisch-therapeutisches Zentrum aufgrund einer schweren Persönlichkeitsstörung des Angeklagten.
- Die Ermittler erkannten zunächst eine Gefahr für die Zeugen Jehovas, installierten Kameras in 25 Königreichssälen und führten Schulungen durch.
- Der Angeklagte zeigte weder Empathie noch Mitleid, was das Risiko für Gewalttaten erhöht, so der psychiatrische Gutachter.