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Schwere Niederlage für regierende Linke in Bolivien

17. Aug. 2025 · Lesedauer 4 min

Bei der Präsidentschaftswahl in Bolivien haben die regierenden Sozialisten eine dramatische Niederlage erlitten. Die Partei "Bewegung zum Sozialismus" (MAS) kam mit ihrem Kandidaten Eduardo del Castillo nach ersten offiziellen Ergebnissen auf gerade einmal knapp 3,2 Prozent. Mit fast 32,2 Prozent fuhr der zentristische Senator Rodrigo Paz das beste Ergebnis ein. Auf dem zweiten Platz folgt der konservative Ex-Präsident Jorge "Tuto" Quiroga mit knapp 26,9 Prozent.

Damit steuert Bolivien auf eine Stichwahl zu, nach der das südamerikanische Land in jedem Fall politisch weiter nach rechts rücken dürfte. "Bolivien fordert nicht nur einen Regierungswechsel, es will eine Änderung des politischen Systems", sagte Paz von der Christdemokratischen Partei (PDC). "Das ist der Anfang eines großen Sieges, einer großen Transformation." Seine Anhänger skandierten "Erneuerung". Paz' Triumph kommt überraschend: In Umfragen lag er mit nur zehn Prozent weit hinter Quiroga. Paz und Quiroga treten nun am 19. Oktober in einer Stichwahl gegeneinander an, weil keiner der beiden mehr als 40 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte.

Paz kann für die Stichwahl auf wichtige Unterstützung zählen: Der drittplatzierte Geschäftsmann Samuel Doria Medina von der Mitte-Rechts-Koalition Alianza Unidad stellte sich hinter ihn. In Umfragen war Medina noch vor Paz gelegen.

Bestimmendes Thema des Wahlkampfs war die höchste Inflation seit vier Jahrzehnten. Die Teuerung hat sich seit Jahresbeginn auf 23 Prozent verdoppelt, zudem sind Treibstoff und Dollar-Devisen knapp geworden. Sowohl Paz als auch Quiroga versprechen einen deutlichen Kurswechsel. Paz plant eine Dezentralisierung durch ein "50-50-Wirtschaftsmodell", bei dem die Zentralregierung nur noch die Hälfte der öffentlichen Mittel verwalten würde.

Quiroga, der von 2001 bis 2002 bereits Präsident war, befürwortet tiefe Einschnitte bei den öffentlichen Ausgaben und eine Abkehr von den Bündnissen mit linksregierten Ländern Venezuela, Kuba und Nicaragua. Er versprach den Wählern einen radikalen Wandel, um "20 verlorene Jahre" unter der MAS-Herrschaft umzukehren.

Die Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass Millionen Wähler die MAS abstrafen wollten. Für die Sozialisten ist es das schwächste Ergebnis seit Jahrzehnten. Der scheidende Präsident Luis Arce erkannte das Wahlergebnis an und erklärte: "Die Demokratie hat triumphiert".

Die Abstimmung am Sonntag verlief nach Angaben internationaler Beobachter und der Behörden weitgehend störungsfrei, die Wahlbeteiligung sei stabil gewesen. Zuvor hatte es lediglich kleinere Zwischenfälle in Wahllokalen in der zentralen Region Cochabamba gegeben, der politischen Hochburg des einflussreichen Ex-Präsidenten Evo Morales. Dieser durfte nicht zur Wahl antreten und hatte zum Boykott aufgerufen. Der Mitbegründer der MAS wurde nach einem gescheiterten Versuch, die Verfassung zu ändern, um sich eine vierte Amtszeit zu ermöglichen, von der Kandidatur ausgeschlossen.

Schwere Wirtschaftskrise

Die Wahlen fanden inmitten einer schweren Wirtschaftskrise in dem Andenstaat statt. Politikexperten vergleichen die Situation in Bolivien mit der im Nachbarland Argentinien, wo die Wähler 2023 inmitten einer schweren Wirtschaftskrise die langjährige Regierung der linksgerichteten Peronisten beendet hatten. Zum Präsidenten gewählt wurde dort damals der radikal marktliberale Javier Milei, seither geht es mit der Wirtschaft aufwärts.

In der Amtszeit von Morales (2006-2019) - dem ersten indigenen Präsidenten in der Geschichte des Landes - hatte Bolivien zwar mehr als ein Jahrzehnt lang ein starkes Wirtschaftswachstum erlebt. Der Linkspolitiker verstaatlichte den Gassektor und investierte die Einnahmen in Sozialprogramme, wodurch die extreme Armut im Land halbiert werden konnte. Zu geringe Investitionen im Gassektor führten schließlich jedoch dazu, dass die Einnahmen einbrachen.

Bruch mit der Linkspolitik versprochen

Bei der Wahl am Sonntag versprachen viele Kandidaten einen Bruch mit der Linkspolitik der vergangenen Jahrzehnte. Zu der Wahl waren knapp acht Millionen Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, dabei galt eine Wahlpflicht. Die Wähler hatten zwischen acht Präsidentschaftskandidaten zu entscheiden und die 166 Mitglieder beider Parlamentskammern zu bestimmen.

Der Sieger der ersten Wahlrunde, der 57-jährige Paz, ist der Sohn von Ex-Präsident Jaime Paz Zamora, der Bolivien zwischen 1989 und 1993 regiert hatte. Der in Spanien geborene Politiker will die Staatsausgaben senken, die Korruption bekämpfen und eine Art bedingungsloses Grundeinkommen für Frauen einführen.

Sein jetziger Wahlgegner Quiroga führte das Land zwischen 2001 und 2002. Der heute 65-Jährige war zunächst Vizepräsident und ersetzte dann den wegen einer Krebserkrankung zurückgetretenen Präsidenten und Ex-Diktator Hugo Banzer. Nach der ersten Wahlrunde am Sonntag sagte Quiroga, er wolle die Wirtschaft stabilisieren und die Inflation bekämpfen.

Ex-Präsident Morales hatte bei der Wahl ebenfalls antreten wollen, das Verfassungsgericht verbot ihm aber eine erneute Präsidentschaftskandidatur. Der selbsternannte Anti-Kapitalist und Anti-Imperialist hatte deshalb seine Anhänger aufgefordert, aus Protest ungültige Stimmzettel abzugeben.

Haftbefehl gegen Ex-Präsidenten

Morales hat sich einer kleinen Ortschaft des Departamento Cochabamba verschanzt, wo er sich von Anhängern gegen einen Zugriff der Justiz abschirmen lässt. Gegen den Ex-Präsidenten liegt ein Haftbefehl vor. Er wird beschuldigt, eine Beziehung zu einer Minderjährigen gehabt zu haben.

Zusammenfassung
  • Die sozialistische Regierungspartei MAS erlitt bei der Präsidentschaftswahl in Bolivien mit nur 3,2 Prozent ihr schwächstes Ergebnis seit Jahrzehnten.
  • Rodrigo Paz gewann die erste Runde mit 32,2 Prozent, gefolgt vom konservativen Ex-Präsidenten Jorge Quiroga mit 26,9 Prozent, sodass eine Stichwahl am 19. Oktober nötig wird.
  • Die Wahl fand vor dem Hintergrund einer massiven Wirtschaftskrise und einer Inflationsrate von 23 Prozent statt, die das zentrale Wahlkampfthema bildete.
  • Paz plant ein '50-50-Wirtschaftsmodell' und Dezentralisierung, während Quiroga Sparmaßnahmen und eine Abkehr von linken Bündnissen verspricht.
  • Ex-Präsident Evo Morales durfte nicht kandidieren, rief zum Boykott auf und sieht sich mit einem Haftbefehl konfrontiert.