Plakolm: Veto-Möglichkeit bei EU-Außenpolitik soll bleiben
Was die EU-Erweiterung um die sechs Staaten des Westbalkan (Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien) betrifft, die sich seit mehr als 20 Jahren hinzieht, sieht die Ministerin "Gott sei Dank eine Dynamik". Plakolm sprach sich für eine "graduelle Integration" aus.
Der Frage, wie es komme, dass die Zustimmung in der österreichischen Bevölkerung zur EU trotz erwiesener, großer Vorteile durch die Mitgliedschaft und trotz jahrzehntelanger Beteiligung der prononcierten Europa-Partei ÖVP an der Bundesregierung vergleichsweise äußerst schwach ausfällt, blieb Plakolm eine konkrete Antwort schuldig. Es gebe einfach "nach wie vor Brücken zu schlagen", meinte die 30-Jährige.
Angesprochen auf "Problemkandidaten" sowohl unter den EU-Mitgliedern als auch den Beitrittsländern, will Plakolm "den Dialog suchen". Als Beispiel nannte sie Ungarn, das seit bald 15 Jahren unter dem rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orban wegen der Verletzung von Medienfreiheit und Rechtsstaatlichkeit mit EU-Vertragsverletzungsverfahren konfrontiert ist. Immerhin sei Ungarn ein direkter Nachbar, mit dem man auch auf bilateraler Ebene zusammenarbeiten müsse. Das russlandfreundliche Ungarn hatte Sanktionen gegen Moskau wegen des Ukraine-Kriegs in der Vergangenheit immer wieder hinausgezögert, abgeschwächt und mit Veto gedroht. Bald müssen die Sanktionen verlängert werden. Auch hier müsste Ungarn wegen des Einstimmigkeitsprinzips in der EU-Außenpolitik wieder mit an Bord geholt werden.
Die EU soll sich nach dem Willen der Europaministerin "auf zentrale Dinge konzentrieren". So sei etwa die globale Wettbewerbsfähigkeit Europas "unter die Räder gekommen". Vor allem bei der Umsetzung von EU-Regeln "sollte jedes Land mehr Spielraum haben", forderte die ÖVP-Politikerin. Als negatives Beispiel führte sie aus ihrer Sicht unnötige Berichtspflichten für kleine Unternehmen bei der EU-Renaturierungsverordnung an. Die Vorschläge der EU-Kommission müssten mehr auf ihre Praxistauglichkeit hin überprüft werden.
Das EU-Aufrüstungsprojekt ReArm Europe Plan/Readiness 2030 sieht Plakolm einerseits als "Industrieprogramm". Andererseits sei es ein "Tool", um dem Umstand zu begegnen, dass sich Europa nicht mehr wie bisher auf die USA in Sachen Verteidigung verlassen könne. Außerdem sei es eine Möglichkeit für das Bundesheer, von gemeinsamer Beschaffung in der EU zu profitieren.
Kopftuchverbot verfassungsgemäß ausgestaltet
Plakolm, die in der Regierung auch für die Integrations- und Familienagenden zuständig ist, zeigte sich überzeugt, dass das von der Koalition im Regierungsprogramm vorgesehene Kopftuchverbot für Jugendliche unter 14 Jahren verfassungsgemäß ausgestaltet werden könne. Diesbezüglich sei man in "intensivem Austausch" mit Experten. "Mir ist dieses Thema als Jugendministerin sehr wichtig, weil achtjährige Mädchen nicht unter einem Kopftuch versteckt werden dürfen." Für sie gebe es zwei Möglichkeiten, nämlich das Gesetz im Verfassungsrang oder mit einfacher Mehrheit zu beschließen, so Plakolm. Bei Ersterem müsste die FPÖ "Farbe bekennen", bei Zweiterem brauche es ein Stufenmodell, das auf den Einzelfall abziele.
Auch was den vorübergehenden Stopp beim Familiennachzug anbelangt, war Plakolm zuversichtlich, dass die Regelung halten werde, schließlich diene sie dazu, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu wahren. Dabei gehe es auch um die Bereiche Bildung und Gesundheit ebenso wie um den Arbeits- und Wohnungsmarkt. Das System sei "zusehends überlastet". Mit weiterem Familiennachzug würden die Chancen auf Integration sinken. Zudem hole man sich durch den Zuzug "weitere Arbeitslosigkeit und Parallelgesellschaften" ins Land. Österreich sei nicht dafür verantwortlich, dass die Familien getrennt sind, schließlich hätten sich die Väter alleine durch mehrere sichere Länder auf den Weg nach Österreich gemacht, argumentierte sie.
Sie habe als Kultusministerin vor Ostern für ein "selbstbewusstes Christentum" in Österreich geworben, "weil wir selbstbewusst zu dem stehen müssen, was unsere Kultur und unseren Zusammenhalt über Jahrzehnte ausgemacht hat". Religionsfreiheit sei ein "hohes Gut", man dürfe Toleranz aber nicht falsch verstehen, so Plakolm. Ihr sei als Kultusministerin wichtig, "dass wir ein gutes Miteinander pflegen". Dennoch gebe es Herausforderungen im Zusammenleben, und es sei Tatsache, dass diese Probleme meistens mit dem Islam einhergingen.
Ergebnis der Wien-Wahl "alles andere als erfreulich"
Die vor einer Woche geschlagene Wiener Gemeinderatswahl sei für die Volkspartei "alles andere als erfreulich" gelaufen. Mittlerweile habe es aber eine Neuaufstellung der Stadtpartei gegeben. Mit City-Bezirksvorsteher Markus Figl und dem Döblinger Bezirksvorsteher Daniel Resch würden zwei erfahrene Bezirksvorsteher die Partei nun führen. Mit dem Thema Sicherheit habe man nicht auf das falsche Pferd gesetzt, findet Plakolm. Sie selbst fühle sich in der Bundeshauptstadt definitiv unsicherer als im Mühlviertel. Die steigende Kriminalität in manchen Wiener Bezirken würde die Bevölkerung beschäftigen, zeigte sie sich überzeugt.
Massive Kritik der FPÖ
Massive Kritik an der Europaministerin und der ÖVP kam von den Freiheitlichen. "Probleme schaffen, Verantwortung abschieben, Nebelgranaten zünden - das ist der politische Dreisprung der ÖVP", sagte der blaue Generalsekretär Michael Schnedlitz in einer Aussendung. Der angebliche Stopp des Familiennachzugs sei nicht mehr "als eine Verzögerung mit eingebauter Umgehungsanleitung". Seit 2020 habe die ÖVP über 250.000 kulturfremde Illegale ins Land gelassen, was für überlastete Systeme, importierte Kriminalität, Parallelgesellschaften und ein Bildungswesen am Abgrund gesorgt habe. Zudem weigere sich die ÖVP "seit Jahren, ein Verbotsgesetz gegen den politischen Islam mit uns Freiheitlichen zu beschließen", kritisierte Schnedlitz. Stattdessen schütte sie weiter "Steuergeld über Asylanten" aus.
Plakolm für Grüne "visionslos und kleingeistig"
Kein gutes Haar an Plakolms Auftritt haben auch die Grünen gelassen. "Es ist beschämend und traurig zu sehen, wie ausgerechnet in dem Jahr, in dem wir das 30-jährige Bestehen unseres EU-Beitritts feiern, die österreichische Europaministerin sich derart visionslos und kleingeistig präsentiert", so Grünen-Generalsekretärin Olga Voglauer. Die ÖVP verstehe Europapolitik scheinbar als reine Standortpolitik für den eigenen Nationalstaat.
Zusammenfassung
- Europaministerin Claudia Plakolm setzt sich für die Beibehaltung des Vetorechts in der EU-Außenpolitik ein, insbesondere bei der Aufnahme neuer Mitglieder und der gemeinsamen Sicherheitspolitik.
- Die Ministerin sieht eine positive Entwicklung bei der EU-Erweiterung um die sechs Westbalkan-Staaten und befürwortet eine graduelle Integration.
- Plakolm fordert mehr Flexibilität bei der Umsetzung von EU-Regeln und kritisiert unnötige Berichtspflichten für kleine Unternehmen.
- Das EU-Aufrüstungsprojekt wird von Plakolm als Möglichkeit gesehen, die europäische Verteidigungsfähigkeit unabhängig von den USA zu stärken.
- Die FPÖ und die Grünen kritisieren Plakolm scharf; die FPÖ wirft der ÖVP vor, über 250.000 kulturfremde Illegale ins Land gelassen zu haben.