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Pflege, Wohnbau, Sonne: Was Doskozil selbst in die Hand nehmen will

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Hans Peter Doskozil sorgt regelmäßig für Querschüsse in der sozialdemokratischen Bundespolitik. Leise und abseits der großen Aufmerksamkeit setzt er als Landeshauptmann des Burgenlands seine Vision eines rot-geführten Staats um.

Mit eiserner Faust regiert der Sozialdemokrat dank absoluter Mehrheit in Eisenstadt. Ohne Koalitions-Kompromisse kann Hans Peter Doskozil seine Vision eines sozialdemokratischen geführten Staats im Burgenland Realität werden lassen. Das gilt einerseits für die Unterstützung der Menschen und andererseits für die Einflussnahme der öffentlichen Hand in der Wirtschaft. 

Was den Sozialstaat und die Unterstützung der rund 300.000 Burgenländer:innen betrifft, klingen viele seiner Maßnahmen größer, als sie tatsächlich sind. Mit einem "Wohnkostendeckel" werden Mieten von Dezember 2022 an für zwei Jahre eingefroren. Jedoch nicht für alle Mieter, sondern für etwa 3.000 Genossenschaftswohnungen. 

Menschen, die Angehörige pflegen, können sich beim Land anstellen lassen, bekommen ein Gehalt und sind voll kranken- und pensionsversichert. Doskozil spricht von einem "Meilenstein im Bereich Pflege und Betreuung" - der im September von 252 Menschen in Anspruch genommen wurde. 

Doskozils Mindestlohn, der vor kurzem auf rund 2.000 Euro Netto erhöht worden ist, gilt nicht flächendeckend. Mehr als 2.500 Burgenländer:innen profitieren laut der Landesregierung von der Mindestlohn-Regelung.

Was Eingriffe der öffentlichen Hand im Burgenland betrifft, werden jedoch ohne große Aufmerksamkeit aus dem Rest der Republik teils fundamentale Reformen umgesetzt. Bei ihnen dient die Beteiligungsgesellschaft des Landes - die Landesholding Burgenland - teilweise als Schaltzentrale für Landeshauptmann Doskozil.

Pflege aus einer (öffentlichen) Hand

Im Jänner 2022 stellte Landeshauptmann Doskozil eine Reform der Pflege im Burgenland vor und sparte dabei nicht mit Lob: "Das Modell ist einzigartig für ganz Österreich. Aus meiner Sicht regelt es das Thema Pflege abschließend." Seit Oktober gibt es dazu in Schattendorf eine Modellregion, bis 2025 solle das Projekt landesweit ausgerollt werden.

Die Themen Mobile Hauskrankenpflege, Tagesheimstätten und betreutes Wohnen sollen in 70 Subregionen von 28 Stützpunkten aus koordiniert werden. Doskozils Ankündigung: die Tätigkeit bleibe in Händen der jetzigen Anbieter. Bisher kümmern sich aber verschiedene gemeinnützige Trägerorganisationen um die Pflege. In Zukunft soll pro Region aber nur noch ein Anbieter zuständig sein. Das wäre im Kern eine Monopolisierung der mobilen Hauskrankenpflege. 

"Es ist ein praxisferner Plan, der verstaatlicht, zentralisiert und den Menschen die Selbstbestimmung nimmt", sagt Thomas Steiner, ÖVP-Bürgermeister von Eisenstadt und Präsident der gemeinnützigen Organisation "Hilfswerk", die häusliche Pflege im Burgenland anbietet. Weiter sei zu befürchten, "dass weder die Qualität, noch die Quantität" der Pflege bereitgestellt werden könne. Die bisher gut funktionierenden Strukturen würden durch diese Reform "zerstört", so Steiner auf PULS 24 Anfrage. 

Die Caritas, ebenfalls Trägerorganisation für mobile Pflege im Burgenland, zeigt sich auf eine Anfrage von PULS 24 zurückhaltend. Man könne "hierzu noch keine Abschätzung abgeben", da der Zeitraum noch zu kurz sei, um sich selbst "ein klares Bild" zu machen. 

Doskozil will die bisherigen Trägerorganisationen noch weiter entmachten: "Wir wollen sie aber vom Faktor Immobilie befreien", so der Landeshauptmann Anfang 2022. Bestehende und neu gebaute Gebäude sollen von der Landesimmobilien Burgenland GmbH (LIB) verwaltet werden - einer Tochter der Landesholding Burgenland. 

Wohnbau: So wohnt Burgenland 

Mit der im August gegründeten SOWO Burgenland ("So wohnt Burgenland"), einer Tochtergesellschaft der  Landesimmobilien Burgenland GmbH, will Doskozil leistbaren Wohnraum schaffen, abseits des bundesweit geltenden Gemeinnützigkeitsgesetzes. Dafür hat er eigene Förderrichtlinien geschaffen. 

Damit wird die Struktur der gemeinnützigen Wohnbauträger von Doskozil entweder umgangen oder mit seinen neuen Regeln konfrontiert. Gemeinnützige Wohnbauträger werden nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Die Regeln weichen aber so stark vom Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) ab, dass gemeinnützige Bauträger vermutlich eigene Tochterfirmen gründen müssten, um weiter den Förderrichtlinien zu entsprechen.

Bei der Präsentation der Pilotprojekte war für Doskozil die zentrale Frage: "Wie können wir es schaffen, im geförderten, organisierten und im Blockbaubereich, der früher traditionellerweise von gemeinnützigen Genossenschaften beherrscht wurde, Wohnen wieder leistbar zu machen." Als Mieter von geförderten Landeswohnungen soll man mindestens 30 Jahre lang diese auch kaufen können - zum Errichtungspreis. "Mit jeder einzelnen Mietzahlung wird sukzessive Eigentumsanteil erworben. Dieses Geld geht nicht verloren", so Doskozil. Baubeginn der ersten Projekte ist bereits für Herbst diesen Jahres geplant.

Verstaatlichung der Sonne gescheitert

Mit einer Maßnahme ist Doskozil 2020 gescheitert. Eine Novelle des Raumplanungsgesetztes sah vor, private Sonnenstrom-Produktion auf größeren Freiflächen zu verbieten. So sollten Photovoltaik-Anlagen auf Freiflächen mit mehr als 100 Quadratmeter nur noch betrieben werden, wenn der Grund in Pacht oder Besitz des Landes Burgenland oder einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft ist. 

Der Branchenverband Photovoltaik Austria äußerte heftige Kritik, in einem von ihnen in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten kam Verfassungsjurist Heinz Mayer zur Erkenntnis, dass diese Regel ein "privatwirtschaftliches Monopol des Landes" wäre. Das sei "in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig" und würde auch EU-Recht verletzten. Doskozil ruderte daraufhin mit diesem Vorhaben zurück. 

Jagd: Vom Verband zur Behörde

Der burgenländische Landesjagdverband war mit Ende des vergangenen Jahres Geschichte. Die Kompetenzen wanderten ins Landhaus, neu geschaffen wurde die Funktion des Landesjagdkoordinators. 

Doskozil begründete die Änderungen im Jagdwesen mit formalen Überlegungen. Der Jagdverband habe Aufgaben gehabt, die eigentlich behördlicher Natur seien. Ziel sei es, die besten Rahmenbedingungen für die Jäger zu schaffen.

Jagdverband und Opposition haben in der Vergangenheit kein gutes Haar an der Neustrukturierung gelassen. Eine Verfassungsbeschwerde von ÖVP und FPÖ gegen die Auflösung des Verbandes wurde aber abgewiesen.

Landesholding Burgenland: Sozialistische Schaltzentrale?

Kommandozentrale für diverse Umbaumaßnahmen im Burgenland stellt die Landesholding Burgenland dar. Aufsichtsratsvorsitzender ist Hans Peter Doskozil. Auf der Webseite des Unternehmens ist zu lesen, dass man "sich als Dienstleister für alle Burgenländer:innen" verstehe. Unter dem Dach der Holding befinden sich 80 Gesellschaften mit insgesamt knapp 4.800 Mitarbeiter:innen - inklusive eigener PR-Agentur.

Die Anzahl der Unternehmen in der Holding ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Ende 2017 waren es noch 59, wie aus einer PULS 24 Anfrage hervorgeht. Doskozil übernahm im Februar 2019 das Amt des Landeshauptmannes. Mit Ende 2021 waren dann 70 Gesellschaften Teil der Landesholding. Jetzt weist man schon 80 auf der eigenen Webseite aus. Mehr als ein Drittel mehr Unternehmen unter der Kontrolle der Landesholding - innerhalb von rund fünf Jahren.

In zehn Säulen decken die Tochtergesellschaften der Landesholding sämtliche Gesellschaftsbereiche ab - von Energie, über Wohnen und Verkehr bis zum Sport. So auch die Seemanagement Burgenland GmbH, die sich um Schilf und Schlamm des Neusiedler Sees kümmern soll. Die größten Unternehmensbeteiligungen der Gruppe: der regionale Energieversorger Energie Burgenland AG, der Krankenhausbetreiber KRAGES sowie die Landesimmobilien Burgenland GmbH, die zuletzt offensiv zu expandieren scheint. 

Mehr Staat im Burgenland

Mehr Staat wagen - das scheint die Devise der SPÖ im Burgenland zu sein. Landeshauptmann Doskozil baut das Land mit seiner linken Politik kompromisslos um. Die beinahe ständig brodelnde Personaldebatte in der SPÖ zeigt, dass er deutlich mehr Macht in der Partei hat, als für einen burgenländischen Landeshauptmann üblich. Es bleibt fraglich, ob ihm das Burgenland nicht bald zu klein wird und er seine sozialdemokratische Politik auch auf Bundesebene zeigen möchte.

ribbon Zusammenfassung
  • Mit eiserner Faust regiert Hans Peter Doskozil dank absoluter Mehrheit in Eisenstadt. Ohne Koalitions-Kompromisse kann er seine Vision eines sozialdemokratischen geführten Staats im Burgenland Realität werden lassen. 
  • Im Burgenland werden ohne große Aufmerksamkeit teils fundamentale Reformen umgesetzt.
  • Bei ihnen dient die Beteiligungsgesellschaft des Landes - die Landesholding Burgenland - teilweise als Schaltzentrale für Landeshauptmann Doskozil.

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