APA/APA/SPIEGEL/SÜDDEUTSCHE ZEITUNG/HARALD SCHNEIDER

ÖVP warnt fünf Jahre nach "Ibiza" vor FPÖ

Die ÖVP hat den Jahrestag der Ibiza-Affäre dazu genutzt, vor mehreren Wahlen noch einmal gegen die FPÖ zu mobilisieren. "Die freiheitliche Partei hat sich eigentlich wenig geändert", befand Generalsekretär Christian Stocker am Freitag. Obwohl in Folge der Causa ÖVP-Politiker in den Fokus der Ermittlungen geraten waren, sieht er vor allem den ehemaligen Koalitionspartner derzeit durch Ermittlungen belastet. Mit FPÖ-Chef Herbert Kickl sei eine Koalition weiter undenkbar.

Die Veröffentlichung des Videos habe Einblick "in die blaue Welt der Politik" gegeben, so Stocker. Dass Verurteilungen bisher vor allem die ÖVP betrafen, gab Stocker zu: "Es ist richtig, dass 'Ibiza' auf die Volkspartei mehr Auswirkung gehabt hat, als wir vor fünf Jahren vermutet hätten." Nach dem Rücktritt der blauen Spitze hätte sich alles auf die Regierenden gerichtet. "Wir haben darunter auch gelitten, wir haben auch Schaden genommen."

Stocker wies aber darauf hin, dass nicht nur gegen Kickl derzeit ermittelt wird, sondern auch gegen EU-Mandatar Harald Vilimsky, den Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer und den steirischen FPÖ-Chef Mario Kunasek. Es sei ein Alleinstellungsmerkmal der FPÖ, dass das zur Wahl stehende Spitzenpersonal in Verfahren involviert ist. Dementsprechend schloss Stocker Gespräche mit der FPÖ nach der Nationalratswahl - "wenn wir als erster ins Ziel gehen" - nicht aus, allerdings nicht mit Kickl. "Es ist nichts ausgeschlossen, aber auch gar nichts ausgemacht", so der Generalsekretär.

FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker nahm die erneute Warnung der ÖVP vor seiner Partei gelassen hin: "Wer die kommende Bundesregierung bilden und anführen wird, das entscheidet einzig und allein der Souverän - und das sind die Wähler." Die "Nehammers, Stockers und Hangers" bräuchten sich keine Gedanken machen, "denn sie werden die Rechnung für ihr Totalversagen am Wahltag bekommen und danach politisch keine Rolle mehr spielen".

Aber auch die SPÖ geriet in Stockers Fokus, wurde doch kurz vor dem Jahrestag die Website ibiza2.at mit zahlreichen Hieben gegen ÖVP und FPÖ gelauncht, in deren Impressum die Junge Generation der SPÖ Wien aufscheint. Stocker warf der Partei Dirty Campaigning und "Methoden eines Tal Silberstein" in Anlehnung an den Politik-Berater vor und appellierte an die SPÖ, "davon sofort Abstand zu nehmen".

Auch die SPÖ selbst meldete sich am Jahrestag. Das Ibiza-Video, die nachfolgenden U-Ausschüsse und Ermittlungsverfahren haben auf schockierende Art und Weise aufgezeigt, warum es nie wieder zu einer Koalition aus ÖVP und FPÖ kommen darf", schlussfolgerte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim in einer Aussendung. Beide Parteien gefährdeten die Demokratie und die Pressefreiheit. "Blau-Schwarz schadet dem Land und den Leuten und dem Ansehen Österreichs", so Seltenheim ein halbes Jahr vor der Nationalratswahl.

Auch die NEOS zogen erneut Schlüsse am Jahrestag. "Wir sind immer noch meilenweit von sauberer Politik entfernt", sagte deren stellvertretende NEOS-Klubobmann Nikolaus Scherak. Die Causa hätte ein Weckruf sein müssen - "stattdessen bleibt es eine Handlungsanleitung, wie man den Rechtsstaat ignoriert und Korruption Tür und Tor öffnet". "Ibiza" sei heute noch genauso möglich wie damals, befand Scherak. "Das viel gepriesene Antikorruptionsstrafrecht ändert nichts daran."

Die Ibiza-Affäre hatte 2019 zum Bruch der damaligen Regierung aus ÖVP und FPÖ geführt. Am 17. Mai wurde ein bereits im Juli 2017 heimlich aufgenommenes Video veröffentlicht, in dem der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und dessen Klubobmann im Nationalrat, Johann Gudenus, mit einem weiblichen Lockvogel freizügig über Korruptionspläne plauderten. Nicht nur die Regierung löste sich auf, auch zahlreiche strafrechtliche Verfahren sowie zwei Untersuchungsausschüsse waren die Folge.

ribbon Zusammenfassung
  • Am Jahrestag der Ibiza-Affäre warnt die ÖVP erneut vor einer Zusammenarbeit mit der FPÖ, betont jedoch, dass eine zukünftige Koalition nicht ausgeschlossen, jedoch nicht mit FPÖ-Chef Herbert Kickl geplant ist.
  • Aktuelle Ermittlungen richten sich gegen mehrere FPÖ-Spitzenpolitiker, darunter EU-Mandatar Harald Vilimsky und der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer, was die Partei laut ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker belastet.
  • Die SPÖ und NEOS nutzen den Jahrestag ebenfalls für Kritik: Während die SPÖ vor einer erneuten Koalition aus ÖVP und FPÖ warnt, sehen die NEOS die politische Landschaft Österreichs weiterhin von Korruption bedroht.