Auch Brüssel kritisiert deutsche Grenzkontrollen

0

In einem Gespräch mit dem deutschen Botschafter in Wien hat Österreich erneut gegen die von Deutschland am Sonntag eingeführten strikten Einreisekontrollen an der Grenze Tirol-Bayern protestiert. Auch aus Brüssel kommt Kritik.

Bei dem Treffen auf hoher Beamtenebene am Sonntagabend in Wien habe man noch einmal darauf hingewiesen, dass die "extrem strengen" Maßnahmen "unverhältnismäßig" seien, hieß es am Montag aus dem Außenministerium. Deutschland verteidigte die Kontrollen indes als "leider notwendig".

Die Grenzkontrollen stünden in einem "klaren Widerspruch zu den 'lessons learned' des letzten Frühjahres", teilte das Außenamt auf APA-Anfrage mit. "Wir sind alle dringend aufgefordert, die Fehler vom Frühjahr 2020 nicht zu wiederholen und die ohnehin stark geschwächte Wirtschaft noch weiter massiv zu behindern. Immerhin tragen wir gemeinsam Verantwortung für eine der wesentlichen Wirtschaftsadern auf unserem Kontinent."

Protest auch aus Brüssel

Nach Ausbruch des Coronavirus in Europa im März des Vorjahres hatten fast alle Staaten nationale Maßnahmen ergriffen und ihre Grenzen geschlossen. Danach wurde immer wieder betont, dass es künftig ein abgestimmtes Vorgehen geben müsse. Auch Brüssel bekräftigte seinen Protest gegen die Maßnahmen Deutschlands am Montag. Man habe sich erst kürzlich auf gemeinsame Empfehlungen für das Reisen in Coronazeiten geeinigt und erwarte, dass alle Länder danach handelten, betonte ein Sprecher der EU-Kommission. Um diese Empfehlung nochmals zu unterstreichen, würden an alle 27 EU-Staaten Briefe verschickt werden.

Deutschland brauche keine "Belehrungen" aus Brüssel, sagte der Staatssekretär im deutschen Innenministerium Stephan Mayer (CSU), Montagfrüh im Deutschlandfunk. Gleichzeitig verteidigte er die stationären Grenzkontrollen zu Tirol und Tschechien. "Das ist nicht schön, das will an sich keiner. Jeder von uns ist für ein freies und offenes Europa", so Mayer. Die Grenzkontrollen seien aber "leider notwendig", um die Ausbreitung der Virusmutationen zu hemmen. Bereits jetzt würden bayrische Landkreise im Grenzbereich zu Tirol und Tschechien "deutlich höhere" Inzidenzen als der Rest des Freistaates aufweisen, so Mayer.

Die Regierung in Berlin habe mit Blick auf die Ausbreitung der Virusvarianten in einigen Regionen und Staaten Europas handeln müssen, erklärte auch der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert. Eine Rückkehr zum Normalzustand der offenen Grenzen sei dennoch im Interesse aller Beteiligten.

Schallenberg beklagt "überschießende Schritte"

In den kommenden beiden Tagen werde es darum gehen, "Ausnahmen zu finden, insbesondere für Betriebe im Grenzbereich". Er sei der festen Überzeugung, dass "gemeinsam mit der Wirtschaft und mit den Partnerländern Tschechien und Österreich 'vernünftige Lösungen'" gefunden werden können, sagte Innen-Staatssekretär Mayer. Auch bei dem gestrigen Gespräch des deutschen Botschafters Ralf Beste mit Beamten des Außenministeriums in Wien sei es um "offene Fragen und viele Unklarheiten für die Bevölkerung im Hinblick auf die derzeit geltenden Verordnungen" gegangen, teilte das Ministerium mit. Man habe neuerlich "dringend appelliert", eine "pragmatische Lösung" zu finden. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hatte am Sonntag vor "überschießenden Schritten, die mehr schaden als nützen" gewarnt.

Zunächst gelten die strikteren Einreiseregelungen für zehn Tage. Was danach passiert, könne man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen: "Man muss auf Sicht fahren", erklärte Mayer. Auch ihm wäre es lieber, wenn die Grenzkontrollen dann bereits "obsolet" wären, doch hängten die Maßnahmen von der weiteren Ausbreitung des Virus ab.

10.000 Kontrollen, die Hälfte abgewiesen

Am zentralen Grenzübergang von Tirol nach Bayern, in Kufstein-Kiefersfelden, herrschte am Tag zwei nach dem Start der schärferen Corona-Einreiseregeln ruhiger Verkehr. Nach Angaben des deutschen Innenministeriums kontrollierte die Polizei bis Montagmorgen rund 10.000 Menschen. Etwa der Hälfte von ihnen sei die Einreise verweigert worden, teilte Ministeriumssprecher Steve Alter laut Nachrichtenagentur dpa mit. Bei der Frage, welche Berufsgruppen als "systemrelevant" eingestuft würden, beziehe man sich auf eine entsprechende Liste der Europäischen Kommission. Personen mit "systemrelevanten Berufen" müssen bei Einreise ihren Arbeitsvertrag vorlegen können. Die Erweiterung der Regelung hatten Berlin und Bayern am Sonntag bekannt gegeben.

Nach den neuen Vorgaben dürfen aus weiten Teilen Tirols sowie aus Tschechien nur noch Deutsche, Ausländer mit Wohnsitz und Aufenthaltserlaubnis in Deutschland, landwirtschaftliche Saisonarbeitskräfte und Gesundheitspersonal einreisen. Ausnahmen gibt es auch aus familiären Gründen. Tschechien und Tirol gelten als Virusmutationsgebiete.

An der deutsch-tschechischen Grenze der Autobahn 17 von Prag nach Dresden bildete sich Montagfrüh ein kilometerlanger Stau, wie die dpa berichtete. Die Polizei rechnete im Tagesverlauf mit mehreren Stunden Wartezeit. Bereits am Sonntag hatten Reisende nach Inkrafttreten der Grenzkontrollen ein bis zwei Stunden für die Weiterreise gebraucht.

ribbon Zusammenfassung
  • In einem Gespräch mit dem deutschen Botschafter in Wien hat Österreich erneut gegen die von Deutschland am Sonntag eingeführten strikten Einreisekontrollen an der Grenze Tirol-Bayern protestiert.
  • Auch Brüssel bekräftigte seinen Protest gegen die Maßnahmen Deutschlands am Montag. Man habe sich erst kürzlich auf gemeinsame Empfehlungen für das Reisen in Coronazeiten geeinigt und erwarte, dass alle Länder danach handelten.
  • Deutschland brauche keine "Belehrungen" aus Brüssel, sagte der Staatssekretär im deutschen Innenministerium Stephan Mayer (CSU), Montagfrüh im Deutschlandfunk. Gleichzeitig verteidigte er die stationären Grenzkontrollen zu Tirol und Tschechien.
  • Nach Angaben des deutschen Innenministeriums kontrollierte die Polizei bis Montagmorgen rund 10.000 Menschen. Etwa der Hälfte von ihnen sei die Einreise verweigert worden.
  • Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hatte am Sonntag vor "überschießenden Schritten, die mehr schaden als nützen" gewarnt.

Mehr aus Politik