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Nigers Generalstabschef schließt sich Putschisten an

Im westafrikanischen Land Niger haben Soldaten im Fernsehen die Machtübernahme der Armee verkündet. International macht sich Sorge um eine verstärkte Einflussnahme Russlands breit. Der Generalstab der nigrischen Armee will nach eigenen Angaben den Putschisten anschließen.

Die Institutionen der siebenten Republik seien aufgelöst, die Luft- und Landesgrenzen geschlossen und es herrsche eine landesweite Ausgangssperre von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr (Ortszeit), sagte Oberst Amadou Abdramane am späten Mittwochabend im nationalen Fernsehsender RTN.

Abdramane sprach von einem sogenannten Nationalen Rat für die Rettung des Vaterlandes, der die Macht übernommen habe. Offen war zunächst, ob Abdramane und die neun weiteren Soldaten im Fernsehen für die ganze Armee sprachen.

Abdramane, der von neun weiteren Offizieren in Uniform flankiert wurde, verlas eine Erklärung, in der es hieß, die Verteidigungs- und Sicherheitskräfte hätten entschieden, "dem Regime, das Sie kennen, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage und der schlechten Regierungsführung ein Ende zu setzen". Die Soldaten warnten vor jeder ausländischen Intervention. Die Grenzen des Landes seien geschlossen worden. Zudem seien eine landesweite Ausgangssperre verhängt und alle Institutionen der Republik suspendiert worden.

Der Generalstab der nigrischen Armee will nach eigenen Angaben "die Erklärung" der Putschisten "unterschreiben" und damit "das Regime" von Präsident Mohamed Bazoum "beenden". Die Armeeführung habe "beschlossen, sich der Erklärung der (...) Sicherheitskräfte anzuschließen, um "eine mörderische Konfrontation zwischen verschiedenen Kräften zu vermeiden", hieß es in einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung von Generalstabschef Abdou Sidikou Issa.

Zugang zu Palast gesperrt

Am Mittwochmorgen hatte die Präsidentengarde, eine Eliteeinheit der Armee, den seit 2021 amtierenden demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum (63) in seinem Palast in der Hauptstadt Niamey festgesetzt und den Zugang zum Palast und mehreren Ministerien gesperrt. Das Präsidialamt erklärte dagegen zunächst über Internet-Plattformen, die Präsidentengarde habe erfolglos eine antirepublikanische Bewegung gestartet. Später wurde die Erklärung ohne Angabe von Gründen gelöscht.

Nigers Außenminister fordert Putschisten zum Dialog auf

Nigers Außenminister Hassoumi Massoudou rief die meuternden Militärangehörigen unterdessen auf, Präsident Bazoum freizulassen und ihre Forderungen im Dialog zu klären. Dem französischen Nachrichtensender France 24 sagte der Minister am Donnerstag: "Wir sind die legalen und legitimierten Autoritäten in Niger." Er habe außerdem mit Bazoum gesprochen und erklärte dazu, dass es dem Präsidenten gut gehe.

Der vom Militär abgesetzte Präsident Mohamed Bazoum hat die Bevölkerung aufgerufen, die Errungenschaften der Demokratie zu retten. Dafür würden die Menschen, die die Demokratie lieben, sorgen, schrieb er am Donnerstag auf dem Kurznachrichtendienst X (früher Twitter). 

Internationale Gemeinschaft verurteilt Machtübernahme

International riefen die Vorgänge scharfe Verurteilungen hervor. Die UNO und die EU forderten die sofortige Freilassung von Nigers Präsident Bazoum. Bazoum müsse "sofort und bedingungslos" freigelassen und seine Sicherheit gewährleistet werden, sagte UNO-Menschenrechtskommissar Volker Türk am Donnerstag. Zudem müsse alles dafür getan werden, um die rechtsstaatliche Ordnung wiederherzustellen.

"Ob es sich technisch gesehen um einen Staatsstreich handelt oder nicht, kann ich nicht sagen, das müssen die Juristen entscheiden, aber es handelt sich eindeutig um einen Versuch, die Macht mit Gewalt zu ergreifen und die Verfassung zu stören", sagte US-Außenminister Anthony Blinken auf einer Pressekonferenz in der neuseeländischen Hauptstadt Wellington.

"Wir verurteilen jeglichen Versuch, die Macht mit Gewalt zu ergreifen", so Blinken weiter. Die USA seien in Kontakt mit der Regierung des Nigers sowie mit ihren Partnern. Es gebe Bemühungen, die Situation friedlich zu lösen. Erst bei einem Telefonat mit Bazoum am Morgen habe er klargemacht, dass die USA diesen als den demokratisch gewählten Präsidenten des Nigers unterstützten.

Russisches Außenministerium fordert Bazoums Freilassung

Auch der Vorsitzende der Afrikanischen Union, Azali Assoumani, rief die Putschisten in Niger zur umgehenden Freilassung von Präsident Bazoum auf. "Wir verurteilen die Ereignisse in Niger entschieden und fordern die sofortige Freilassung des Präsidenten der Republik Niger und seiner Familie", sagte der Präsident der Komoren am Donnerstag in St. Petersburg auf dem zweiten russischen Afrika-Gipfel. Auf dem bis Freitag angesetzten Treffen mit Vertretern aus den meisten afrikanischen Staaten war der Militärputsch nach Kremlangaben ein breit diskutiertes Thema.

Auch das russische Außenministerium rief die Militärs auf, Bazoum freizulassen, auf Gewalt zu verzichten und alle Streitfragen in einem friedlichen und konstruktiven Dialog zu klären. "Wir hoffen auf eine schnelle Lösung dieser innenpolitischen Krise im Interesse einer Wiederherstellung des zivilgesellschaftlichen Friedens zum Wohle des uns freundschaftlich verbundenen Volkes Nigers", sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa.

Diplomaten sprachen mit Präsidenten

Nach Angaben von EU-Diplomaten sprachen auch EU-Chefdiplomat Borrell und EU-Ratspräsident Charles Michel am Mittwoch zweimal mit Bazoum, der demnach bis zuletzt mit seiner Familie in seiner Residenz war. Auch UN-Generalsekretär António Guterres sprach mit dem Präsidenten, wie ein Sprecher auf Twitter mitteilte.

Dritter Putsch in Sahelzone

Ein Umsturz hätte weitreichende Folgen. Der Niger gehört mit seinen rund 26 Millionen Einwohnern zu den ärmsten Ländern der Welt. Der Niger war nach Militärputschen in Mali und Burkina Faso das letzte der drei Nachbarländer in der Sahelzone, das von einer demokratisch gewählten Regierung geführt wurde, und damit ein wichtiger Partner der USA und der EU im Kampf gegen wachsende Instabilität in der Region. Erst Ende vergangenen Jahres hatte die EU eine Militärmission im Niger beschlossen, um den Terrorismus in der Region zu bekämpfen.

Der Niger ist in den vergangenen Jahren in den Mittelpunkt der westlichen Bemühungen gerückt, dem gewaltsamen Vormarsch der Dschihadisten in Westafrika und auch einem wachsenden militärischen Einfluss von Russland entgegenzuwirken.

Putsche in den benachbarten Ländern Mali und Burkina Faso seit 2020 gingen mit einer Abwendung von europäischen Partnern und zuletzt der Forderung nach Abzug der UN-Friedensmission zur Stabilisierung Malis einher. Das Dreiländereck wird seit Jahren von Gruppen terrorisiert, die den Terrormilizen Al-Kaida und IS anhängen. Die Sicherheitslage verschlimmert sich zunehmend und bedroht auch bisher stabile angrenzende Staaten.

Sorge um russischen Einfluss

Bazoums Amtseinführung im April 2021 war der erste friedliche demokratische Machtwechsel im Land seit seiner Unabhängigkeit von Frankreich 1960 - wenige Tage vorher kam es noch zu einem Putschversuch, den die Präsidentengarde verhinderte. Bazoum diente unter seinem Vorgänger Mahamadou Issoufou seit 2011 als Außen- und Innenminister, bis er zur Nachfolge des nach zwei Amtszeiten ausgeschiedenen Issoufou antrat und mit rund 56 Prozent der Stimmen gewann. Issoufou behielt viel Einfluss. Beobachter vermuteten als möglichen Hintergrund auch einen Kampf um Einfluss in Niamey.

Die Ereignisse zeigten die Fragilität des Landes, sagte der Regionalbüroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung für die Sahelzone, Ulf Laessing, der Deutschen Presse-Agentur. "Deutschland und Europa haben Millionensummen in Niger investiert von Militär- bis Entwicklungszusammenarbeit. Die Hilfsprogramme wecken auch Begehrlichkeiten." Laessing fügte hinzu: "Ein Coup kann alles ändern und würde auch Russland die Tür öffnen, sich breitzumachen."

ribbon Zusammenfassung
  • Abdramane sprach von einem sogenannten Nationalen Rat für die Rettung des Vaterlandes, der die Macht übernommen habe.
  • Offen war zunächst, ob Abdramane und die neun weiteren Soldaten im Fernsehen für die ganze Armee sprachen.
  • Putsche in den benachbarten Ländern Mali und Burkina Faso seit 2020 gingen mit einer Abwendung von europäischen Partnern und zuletzt der Forderung nach Abzug der UN-Friedensmission zur Stabilisierung Malis einher.