NGOs warnen vor Sozialhilfe-Kürzungen bei chronisch Kranken
Die NGOs erneuerten in einem gemeinsamen Statement gegenüber der APA die zuvor schon von der Armutskonferenz geäußerte Kritik an den Verschärfungen in einzelnen Bundesländern, die etwa in der Steiermark, Oberösterreich und Niederösterreich, aber auch in Teilen in Wien und Tirol ab 2026 in Kraft treten werden. In der vergangenen Woche wurden die entsprechenden Landesgesetze in Niederösterreich und Wien beschlossen, in der Steiermark und Oberösterreich stehen die Novellen vor der Beschlussfassung.
Es sei "ein gefährlicher Wettlauf" entstanden, wer "gemeiner zu den Ärmsten" sei und wer Menschen am effizientesten von der Sozialhilfe ausschließe. Man müsse die Armut bekämpfen, nicht die Armen, so die Armutskonferenz.
Chronisch Kranke und vor allem jene Gruppe, die oftmals ohne Behindertenstatus ist, seien von einer schlechten Sozialhilfe "massiv betroffen", "beispielsweise Post Covid-Betroffene (ME/CFS, Long-COVID) oder Menschen mit psychischen Erkrankungen", hieß es im Statement der Vereine. Durch die Hürde der hohen Ablehnungsquote der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) beim Rehageld (der vorübergehenden Berufsunfähigkeitspension, Anm.) verliere diese Gruppe bereits überlebenswichtige finanzielle Leistungen und die Existenzgrundlage. Durch die Verschlechterung in der Sozialhilfe bestrafe man wiederum "die Schwächsten unserer Gesellschaft", hieß es.
Existenzangst führe zu gesundheitlicher Verschlechterung, betonten die NGOs. Auch Suizidprävention werde durch Maßnahmen, die Existenzangst fördern, "völlig untergraben". Insbesondere Jugendliche und Betroffene mit Vorbelastungen bräuchten "Schutz, nicht Sparmaßnahmen".
Darüber hinaus wiesen die Vereine neuerlich darauf hin, dass bereits jetzt generell die Soforthilfe nicht funktioniere, Wohnkosten seien "untragbar". Auch würden Härtefallregelungen fehlen. Auch Entscheidungsfristen seien bereits jetzt zu lang und der Vollzug "fehlerhaft".
Kritik: Reformen verschärfen Armut
Die Sozialhilfenovellen in der Steiermark und in Oberösterreich würden Armut verschärfen anstatt zu helfen sowie teils gegen verfassungsrechtliche Vorgaben verstoßen. "Die Streichungen treffen alle, auch wenn die politisch Verantwortlichen das zu verschleiern versuchen", so die Vereine. Sie verwiesen u.a. auf die Kürzung der Wohnkostenpauschale, Einschnitte bei den Alleinerziehenden-Zuschlägen sowie beim Behindertenzuschlag.
Kritisch mit Blick auf chronisch Kranke bzw. Menschen mit Behinderungen sehen die NGOs auch die Kürzung des Sozialhilfe-Höchstsatzes im steirischen Gesetz: Damit würden die Leistungen "gleich doppelt" gekürzt, "da sich der Zuschlag (für diese Gruppe, Anm.) in Höhe von 18 Prozent prozentuell vom Höchstsatz berechnet".
Auch in Wien kommt es zu einer Halbierung der Sonderzahlung für Dauerleistungsbezieherinnen und -bezieher. Dies treffe Menschen mit Behinderung, chronischer Erkrankung und ältere Menschen besonders hart (jene Pensionisten ohne ausreichend Versicherungszeiten, die nicht die Ausgleichszulage, sondern Sozialhilfe beziehen, Anm.). Die genannten Gruppen würden durch die Neuerung 1.200 Euro pro Jahr verlieren, sagte Sozialexperte Martin Schenk von der Armutskonferenz zur APA.
Zusammenfassung
- Ab 2026 treten in mehreren Bundesländern, darunter Steiermark, Oberösterreich, Niederösterreich, Wien und Tirol, Verschärfungen bei der Sozialhilfe in Kraft, die laut NGOs auch chronisch Kranke und Menschen mit Behinderungen betreffen.
- In Wien wird die Sonderzahlung für Dauerleistungsbezieher:innen halbiert, wodurch Betroffene mit Behinderung, chronischer Erkrankung oder ohne ausreichende Versicherungszeiten bis zu 1.200 Euro pro Jahr verlieren.
- NGOs kritisieren, dass Kürzungen bei Wohnkostenpauschale, Alleinerziehenden-Zuschlägen und Behindertenzuschlag sowie die Senkung des Höchstsatzes im steirischen Gesetz die Existenzängste verstärken und gesundheitliche Folgen nach sich ziehen.
