APA/APA/AFP/ABIR SULTAN

Netanyahu erkennt türkischen Völkermord an Armeniern an

Heute, 11:08 · Lesedauer 2 min

Als erster Regierungschef Israels hat Benjamin Netanyahu den Völkermord an den Armeniern vor 110 Jahren anerkannt. Der Interviewer Patrick Bet-David, ein US-amerikanischer Geschäftsmann, fragte ihn in seinem Podcast, warum gerade Israel "den türkischen Völkermord an den Armeniern, Assyrern und Griechen" bisher nicht anerkannt habe. Netanyahu antwortete daraufhin: "Habe ich soeben getan. Bitte sehr." Rund 1,5 Mio. Armenier wurden 1915 und 1916 im Osmanischen Reich getötet.

Nach Forschungen von Historikern ereignete sich der Genozid durch systematische Tötungen im 1. Weltkrieg. Die Türkei als Rechtsnachfolgerin weist den Begriff Genozid, also die gezielte Auslöschung des armenischen Volkes mit systematischen Tötungsmethoden, zurück. Zugegeben werden Massaker an 300.000 bis 500.000 Menschen.

Die Türkei verurteilte die Erklärung. "Netanyahu, der wegen seiner Rolle beim Völkermord an der palästinensischen Bevölkerung angeklagt ist, versucht, die von ihm und seiner Regierung begangenen Verbrechen zu vertuschen", hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums in Ankara.

Israel hatte eine offizielle Anerkennung bisher vermieden. Es gab verschiedene Vorstöße im Parlament, die aber nie in einer formellen Abstimmung endeten.

Als Grund für die Zurückhaltung galt Rücksichtnahme auf die Beziehungen mit der Türkei. Diese haben sich jedoch in den letzten Jahren immer weiter verschlechtert, vor allem vor dem Hintergrund des israelischen Vorgehens gegenüber den Palästinensern. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan warf Israel 2023 einen "Genozid" (Völkermord) im Gazastreifen vor.

Der US-Kongress hatte die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich während des Ersten Weltkrieges 2019 als Völkermord anerkannt. Bereits im April 2015 hatten alle damals im österreichischen Parlament vertretenen Parteien den Massenmord an Armeniern im Osmanischen Reich als Genozid verurteilt. Damals, hundert Jahre nach dem Massentöten, wurde auf die historische Verantwortung Österreichs verwiesen, war die K. u. k.-Monarchie doch im Ersten Weltkrieg mit dem Osmanischen Reich verbündet.

In der gemeinsamen Erklärung der Parlamentsparteien wurde auch Zehntausender Angehöriger anderer christlicher Bevölkerungsgruppen im Osmanischen Reich, etwa der Aramäer, Assyrer, Chaldäer und der Pontos-Griechen gedacht, die ebenfalls vor 100 Jahren gewaltsam zu Tode kamen.

Zusammenfassung
  • Israels Premier Benjamin Netanyahu hat als erster Regierungschef des Landes im Interview mit Patrick Bet-David den Völkermord an rund 1,5 Millionen Armeniern im Osmanischen Reich anerkannt.
  • Die Türkei verurteilte die Aussage scharf und sprach von einer Ablenkung von Netanyahus eigener Anklage wegen mutmaßlichen Völkermords an Palästinensern.
  • Israel hatte bislang aus Rücksicht auf die Beziehungen zur Türkei eine offizielle Anerkennung vermieden, während der US-Kongress und das österreichische Parlament bereits von Völkermord sprechen.