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Nationalrat

Selenskyj-Besuch: "Unterirdischer" FPÖ-Zwischenruf

16. Juni 2025 · Lesedauer 4 min

Die FPÖ kritisierte den Staatsbesuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Wien scharf, andere Parteien warfen ihr dafür die Verbreitung russischer Propaganda vor. Dagmar Belakowitsch kassierte einen Ordnungsruf.

Die Freiheitlichen haben am Montag im Nationalrat eine "Dringliche Anfrage" an Kanzler Christian Stocker (ÖVP) zum Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gerichtet. 

Bei der Debatte im Anschluss wurde es hitzig - für manche auch "unterirdisch" - im Nationalrat: NEOS-Klubobmann Yannick Shetty warf den freiheitlichen Abgeordneten vor, "russische Propaganda vom Feinsten" zu verbreiten. 

Die Dringliche Anfrage kritisierte er als "durchsichtiges populistisches Manöver", mit dem Ziel, die Gesellschaft zu spalten, an einem Tag der Einigkeit im Gedenken an die Opfer des Amoklaufs in Graz. Er schilderte außerdem seinen Besuch bei den Massengräbern in Butscha.

Belakowitsch-Zwischenruf zu Butscha

Da gab es einen Zwischenruf von FPÖ-Mandatarin Dagmar Belakowitsch: Laut dem vom Zweiten Nationalratspräsidenten Peter Haubner (ÖVP) verlesenen Protokoll kommentierte sie den Bericht Shettys mit den Worten: "Da habt ihr viel Spaß gehabt, gell?" und kassierte dafür einen Ordnungsruf.

https://x.com/yannickshetty/status/1934642423918895406

Der Grüne Klubobmann Werner Kogler nannte den Zwischenruf "unfassbar" und "unterirdisch". Den Vorwurf der FPÖ, mit dem Selenskyj-Besuch nur von der Budgetdebatte ablenken zu wollen, bezeichnete Kogler als absurden "großen Verschwörungstopfen".

Die FPÖ kritisierte den Staatsbesuch scharf, auch weil er parallel zur Budgetdebatte stattfand. Weil Stocker selbst wegen des Treffens verhindert war, beantwortete stattdessen Staatssekretär Alexander Pröll (ÖVP) die Fragen. 

Er schickte voraus, dass Russland einen "brutalen Angriffskrieg" gegen die Ukraine führe. Österreich stehe seit dem ersten Tag als "verlässlicher Partner" an der Seite der Ukraine. "Wir alle wollen ein Ende des Krieges", betonte Pröll: "Österreich unterstützt alle Bemühungen." 

"Täter-Opfer-Umkehr der Freiheitlichen"

Russland lehne aber einen bedingungslosen Waffenstillstand ab. Daher werde man den Druck auf allen Ebenen erhöhen. Pröll warnte vor einer Täter-Opfer-Umkehr der Freiheitlichen. Zudem stehe die österreichische Neutralität nicht einer politischen und humanitären Unterstützung der Ukraine entgegen.

Video: Statement von Selenskyj und Van der Bellen

Selenskyj sei als Gast von Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Österreich. Der Besuch erfolgte auf Basis einer entsprechenden Einladung aus dem Jahr 2022 und laufe nach den protokollarischen Standards ab. 

Im Rahmen des Besuchs fanden Treffen mit dem Bundeskanzler und anderen Regierungsmitgliedern statt. Zudem seien auch Vertreter der Wirtschaft zum Thema Wiederaufbau eingeladen. Ziel sei es, die österreichische Wirtschaft für den Wiederaufbau zu positionieren, erklärte Pröll. Der Wiederaufbau biete großes Potenzial für die heimische Wirtschaft. 

Die Kosten des Besuchs konnte Pröll nicht beziffern und verwies auf die Zuständigkeit der Präsidentschaftskanzlei und des Außenministeriums. Derzeit seien keine weiteren Besuche hochrangiger ukrainischer Politiker geplant, ebenso auch keine Reise von Stocker in die Ukraine.

Die Budgetdebatte sei eine der wichtigsten Plenarsitzungen. Parallel dazu einen Staatsbesuch zu organisieren, der mediales Interesse auf sich zieht, sei für die Bundesregierung zwar praktisch, um vom Budgetdesaster abzulenken, zeuge aber von mangelndem Respekt, sagte wiederum die FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst. 

"Man hat das Gefühl, unsere Politiker sind mehr für die Ukraine da als für unsere Bürger." Während man hier Sparmaßnahmen setze, "sitzen bei der Ukraine die Millionen locker", kritisierte Fürst. Dabei wisse man nicht, was mit dem Geld passiere. Es gebe de facto keine Kontrolle der Korruption. Die Neutralität wäre eigentlich "klarer außenpolitischer Kompass", so Fürst: "Aber sie haben die Neutralität totgetrampelt."

"Direkt aus Radio Moskau"

Für den ÖVP-Abgeordneten Andreas Minnich (ÖVP) klang die von der FPÖ vorgebrachte Kritik wie "direkt aus Radio Moskau".

Als "vollkommen. verrückt" bezeichnete die außenpolitische Sprecherin der SPÖ, Petra Bayr, die Argumentation der FPÖ. Auch die neutrale Schweiz habe den ukrainischen Präsidenten empfangen, ohne dass deren Neutralität zusammengebrochen sei. Gerade als neutraler Staat sei es wichtig, Debatten zu ermöglichen, meinte Bayr.

Rücktritt-Aufforderung

NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos bezeichnete den Zwischenruf als "Skandal" und forderte in einer Aussendung Konsequenzen von Belakowitsch und der FPÖ. "Wer eine solche Geisteshaltung an den Tag legt, hat im Hohen Haus und in der Politik nichts verloren", legte er der Abgeordneten einen Rückzug nahe und forderte FPÖ-Chef Herbert Kickl zudem auf, "sich öffentlich im Namen der FPÖ zu entschuldigen".

Zusammenfassung
  • Die FPÖ kritisierte den Staatsbesuch von Wolodymyr Selenskyj in Wien scharf und stellte am Tag der Budgetdebatte eine Dringliche Anfrage an den Kanzler, was zu heftigen Debatten im Nationalrat führte.
  • Ein Zwischenruf der FPÖ-Abgeordneten Dagmar Belakowitsch während der Schilderung von Massengräbern in Butscha führte zu einem Ordnungsruf und wurde von anderen Parteien als „unfassbar“ und „unterirdisch“ verurteilt.