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Müssen Kinder in Österreich hungern? Das sagen die Zahlen

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Die Journalistin Rosemarie Schwaiger meinte bei der PULS 24 Diskussionssendung "WildUmstritten", in Österreich müsse niemand hungern. Stimmt das? Ein Faktencheck.

"Ich tu' mir wahnsinnig schwer mit ihm, weil ich das Gefühl hab, er redet über ein anderes Land", sagte die Journalistin Rosemarie Schwaiger Mittwochabend bei "WildUmstritten" und meint damit Andreas Babler, Bürgermeister von Traiskirchen und Kandidaten für die SPÖ-Parteispitze. "Die hungernden Kinder - ich weiß nicht, wo er die sieht in Österreich. Wir haben eines der besten Sozialsysteme weltweit. Niemand muss hungern in Österreich." Die Aussage Schwaigers sorgte für große Empörung in sozialen Netzwerken. Denn die Zahlen zu Armut in Österreich zeigen ein anderes Bild. 

"Butternudelwochen" am Monatsende

"Natürlich ist Hunger in Ländern des globalen Südens ein viel stärkeres Thema als in Österreich", erklärt Judith Ranftler im PULS 24 Gespräch. Sie ist Bereichsleiterin für den Bereich Kinderarmut bei der Volkshilfe. "Aber es ist deutlich sichtbar, dass Ernährungssicherheit und Ernährungsqualität bei Armutsbetroffenen ganz massiv leidet." Gerade gegen Ende des Monats würde es in armutsbetroffenen Familien oft zu "prekären Situationen" kommen. Dann sei oft von der "Toastbrotzeit" oder "Butternudelwoche" die Rede - weil das Geld für andere Lebensmittel nicht mehr reiche. 

Im Jahr 2021 - noch vor der aktuellen Teuerungswelle - waren 17 Prozent der Österreicher:innen armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Unter Kindern und Jugendlichen ist diese Zahl noch höher. Fast jedes vierte Kind ist armutsgefährdet. Insgesamt sind das 368.000 Kinder und Jugendliche. Nicht alle dieser Kinder sind von Hunger betroffen, aber 43.000 der Unter-18-Jährigen leben in einem Haushalt, der es sich nicht leisten kann, jeden zweiten Tag Fisch, Fleisch oder eine vegetarische Alternative zu essen.

Wachstumsstörungen und psychische Belastung

Wenn Kinder in Österreich hungern, dann herrsche dabei oft eine "Gleichzeitigkeit von Übergewicht und Unterversorgung", erklärt Ranftler. Günstige Lebensmittel hätten oft nicht genügend Nährstoffe oder Vitamine. Das würde sich etwa auf die Konzentrationsfähigkeit der Kinder und Jugendlichen auswirken, was gerade im Schulunterricht spürbar sei. Auch gesundheitliche Folgen wie Wachstumsstörungen im Gehirn oder Sprachverzögerungen könnten auftreten.

Die Folgen von Armut und damit einhergehend Nahrungsmittelsicherheit zeigen sich aber in allen Lebensbereichen. "Armut wirkt sich so stark auf Kinder aus, dass sie sie immer mitdenken", betont Ranftler. 

Unbeheizte Wohnungen

Die aktuelle Teuerungswelle hat die ohnehin bereits angespannte Situation massiv verschärft. Laut einer Befragung von Volkshilfe und Gesundheit Österreich unter mehr als 100 armutsbetroffenen Eltern suchten vergangenen Winter viele Familien den öffentlichen Raum auf, um sich aufzuwärmen. Die Energiekosten waren schlicht zu hoch, um die eigenen Wohnräume noch zu heizen. 58 Prozent der befragten Eltern gaben an, dass die stark gestiegenen Heizkosten dazu führten, dass andere Bedürfnisse ihrer Kinder eingeschränkt wurden. Dazu zählen etwa Freizeitaktivitäten oder Kleidung - und eben auch Essen. 

Was tun?

"Die Einführung der Kindergrundsicherung ist ein zentraler Faktor, um Armut zu bekämpfen", betont Ranftler. "Jenen Familien, die weniger haben, soll mehr zur Verfügung gestellt werden." Mit finanziellen Mitteln könne ein Großteil der Belastungen, die mit Armut einhergehen, ausgeglichen werden. "Gleichzeitig braucht es aber auch weitere Maßnahmen von sozialer Infrastruktur", so Ranftler weiter. Angebote wie Jugendzentren oder Beratung für Kinder und Jugendliche kämen allen Kindern zugute, aber "Armutsbetroffene sind stärker davon abhängig."

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  • Die Journalistin Rosemarie Schwaiger glaubt, in Österreich müsse niemanden hungern. Stimmt das? Ein Faktencheck.

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