Mit TikTok zu Franco: Spaniens Jugend rückt nach rechts
Die ehemalige Geschichtslehrerin gehört einer Vereinigung ehemaliger politischer Franco-Häftlinge an, die heuer an Schulen über die Franco-Diktatur Vorträge halten. "Am meisten verwundern die Schüler vor allem die Gründe, warum man in jener Zeit in Spanien verhaftet werden konnte und die Rechtlosigkeit der Angeklagten", sagt Alonso Dávila im APA-Gespräch.
Sie selber wurde gleich drei Mal festgenommen, saß in Granada und Valencia in Untersuchungshaft. Der Grund: Sie forderte auf 1. Mai-Protesten Gewerkschaftsrechte ein und war Mitglied der Kommunistischen Partei Spaniens. "Beim letzten Mal saß ich über eine Woche in Untersuchungshaft - hochschwanger und ohne einen Anwalt sehen zu können", erinnert sie sich.
"Die Kids sind verwundert, dass vor 50 Jahren heutige Grundrechte wie die freie Meinungsäußerung noch mit Gefängnis bestraft werden konnte. Und gerade deshalb ist unsere Aufklärungsarbeit in den Schulen so wichtig, denn die Jugendlichen von heute wissen kaum noch etwas über die Franco-Diktatur", gibt Isabel Alonso Dávila zu verstehen. Schlimmer noch: "Die meisten jungen Menschen interessiert die jüngste Vergangenheit gar nicht oder sie informieren sich über TikTok, YouTube und Instagram darüber", so die ehemalige Geschichtslehrerin und heutige Aktivistin für Menschenrechte.
Und gerade Letzteres hat Konsequenzen, so der spanische Soziologe Ignacio Sánchez-Cuenca: "Vor allem rechten Influencern und der rechtspopulistischen Vox, die im Internet aktiver ist als alle anderen Parteien, gelingt es in den sozialen Medien Jugendliche für die Franco-Diktatur zu begeistern". Unter Franco habe es weniger Arbeitslose gegeben und weniger Kriminalität. Der "Caudillo" habe das Sozialsystem geschaffen und die Wirtschaft angekurbelt. "Das sind natürlich nur Halbwahrheiten und blenden zudem die Brutalität der faschistischen Diktatur gegenüber allen Andersdenkenden aus.
Doch die heutige Jugend fällt gerade in den sozialen Medien immer wieder auch auf die unglaublichsten Fake News über die Franco-Diktatur herein", erklärt Sánchez-Cuenca der APA. Prekäre Jobangebote, unbezahlbarer Wohnraum. "Spaniens Jugend ist frustriert und damit sehr anfällig für rechtspopulistische Propaganda, die eine vergangene Welt ausmalt, in der alles einfacher war", so der Soziologe.
Neuste Umfragen des staatlichen Meinungsforschungsinstituts CIS geben ihm Recht. 50 Jahre nach dem Tod von Diktator Francisco Franco am 20. November 1975 wünschen sich viele Jugendliche wieder einen "starken Führer" an die Regierungsspitze. Rund 19 Prozent der Befragten zwischen 18 und 24 Jahren sind laut der Umfrage der Meinung, die Franco-Diktatur war "gut" oder sogar "sehr gut" - Tendenz steigend. Unterdessen kann die rechtspopulistische Vox unter den Parteien auch die stärksten Zuwächse in dieser Wählergruppe für sich verzeichnen.
Wenn Isabel Alonso Dávila heute Jugendliche sagen hört, Spanien brauche wieder einen Mann wie Franco, explodiere sie innerlich und muss an ihre einsamen Nächte in den Haftzellen denken. "Geschichte wiederholt sich, wenn man sie vergisst. Damit das nicht passiert, werden wir Schülern weiterhin von unseren Erfahrungen erzählen", sagt sie. Doch auch sie weiß, dass sie gegen Tik Tok und You Tube wohl wenig ausrichten kann.
(Von Manuel Meyer/APA)
Zusammenfassung
- Laut einer aktuellen Umfrage des staatlichen Meinungsforschungsinstituts CIS bewerten 19 Prozent der 18- bis 24-Jährigen in Spanien die Franco-Diktatur als "gut" oder "sehr gut", wobei die Tendenz steigend ist.
- Rechte Influencer und die rechtspopulistische Partei Vox gewinnen durch gezielte Propaganda auf TikTok, YouTube und Instagram zunehmend Einfluss auf junge Menschen, die wenig über die Franco-Diktatur wissen.
- Ehemalige politische Häftlinge wie Isabel Alonso Dávila versuchen durch Vorträge in Schulen aufzuklären, stoßen aber angesichts der starken Wirkung sozialer Medien auf große Herausforderungen.
