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Mietpreisbremse als Rohrkrepierer: Warum die ÖVP quer schießt

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Im April steigen Hunderttausende Mieten um über acht Prozent. Eine mögliche Mietpreisbremse droht nun zu platzen. ÖVP und Grüne konnten sich nicht auf einen gemeinsamen Antrag einigen. Es hagelt Kritik an der ÖVP-Blockade.

In der heutigen Sondersitzung müsste die Regierung einen Antrag einbringen - sonst läuft ihnen die Zeit davon. Ein Beschluss noch vor Inkrafttreten der nächsten Richtwert-Erhöhung ist unwahrscheinlich geworden.

Die Ausgangslage: Richtwertmieten, die sich am Verbraucherpreisindex orientieren, steigen ab 1. April um 8,6 Prozent. Dies wollte man in der Koalition an sich verhindern. Ein zuletzt diskutiertes Modell sah vor, dass die Erhöhung über mehrere Jahre gestreckt werden soll. ÖVP-Verhandler Andreas Ottenschläger erklärte gegenüber der APA, dass seine Partei hier für zwei Jahre eingetreten sei. Die Grünen wollten die Erhöhung dem Vernehmen nach über drei Jahre strecken.

ÖVP denkt an die Vermieter

Ottenschläger betont, dass die Erhöhung in dieser Dimension für manche Haushalte sicher eine Herausforderung sei, andererseits müssten sich auch die Vermieter auf die geltenden Regelungen verlassen können. Zudem kämen auf diese etwa in Sachen thermischer Sanierung entsprechende Herausforderungen zu.

Diesbezüglich plädiert die ÖVP für eine Sanierungsoffensive unter anderem mit attraktiveren Abschreibungsmöglichkeiten. Hier sei man mit den Grünen auch nahe beisammen gewesen, erklärte der ÖVP-Verhandler.

Erleichterungen bei der Grunderwerbssteuer gefordert

Gehakt hat es in einer anderen Angelegenheit. Denn die Volkspartei wollte die Mietpreisbremse mit einem Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer (laut Medienberichten 500.000 Euro) kombinieren. Zudem sollte u.a. die Eintragungsgebühr fallen. Ottenschläger argumentiert, dass man jungen Menschen so den Erwerb von Eigentum erleichtern wollte.

Die Grünen sehen das ein wenig anders. Die steuerfreien 500.000 Euro würden auch Leute lukrieren, die sich eine Millionen-Villa kaufen. Zudem fehle die Gegenfinanzierung. Da gehe es um dreistellige Millionenbeträge, die ausfielen, so die Grünen laut Ö1-Morgenjournal.

Laut Finanzministerium handelt es sich um keine neue Forderung, die Vorschläge zur Grunderwerbssteuer seien bereits vor Monaten an den Koalitionspartner übermittelt worden, hieß es gegenüber der APA.  "Es muss um mehr gehen als um Mieten, man muss auch an die anderen denken, die nicht in Richtwertmieten wohnen", sagte Rupert Reif, Pressesprecher des Finanzministers Magnus Brunner (ÖVP).

Nur geschätzt 300.000 bis 400.000 Mieten in Österreich zählten zu den Richtwerten, drei Viertel davon seien Altbaumieten in Wien. Es gehe vielmehr um ein generelles Wohnpaket, ein Teil davon sei die Mietpreisbremse.

Es hagelt Kritik an der ÖVP

Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe, kritisiert die ÖVP scharf: "Auch in dieser für Viele beängstigenden Situation versagt die größere Regierungspartei den vielen betroffenen Mieter:innen die Unterstützung, um wenigen privilegierten Immobilienkäufer:innen ein teures Geschenk aus Steuergeldern zu machen. Das ist verantwortungslos." 

"Es ist jetzt keine Zeit für Streitereien", findet unterdessen Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl. Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern würden zeigen, dass Mietendeckel funktionieren würden, schreibt die AK in einer Aussendung. Die Erhöhung der Richtwert- und Kategoriemieten "würde rund eine Million Mieter:innen in Österreich mit mehr als 183 Millionen Euro belasten und viele ins finanzielle Desaster stürzen. Die Bundesregierung muss das sofort angehen und ein Gesetz auf den Weg bringen. Der Countdown läuft", so Anderl. 

"Sozialpolitische Katastrophe"

SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried bezeichnet die gescheiterte Mietpreisbremse als "sozialpolitische Katastrophe". FPÖ-Bautensprecher Philipp Schrangl attackiert die ÖVP und bezeichnet sie als "Wohnkostentreiber Nummer eins": "Jetzt ist die Katze aus dem Sack: Die ÖVP wollte Mieter niemals vor der Inflation schützen".

Endlich zu handeln, fordert auch ÖGB-Vizepräsidentin Korinna Schuhmann: "Die Miete ist einer der Preistreiber, die es den Menschen immer schwieriger macht, ihr Leben zu bestreiten - die Politik kann es sich nicht leisten, hier untätig zu bleiben, da muss jetzt gehandelt werden."

Die "unablässigen Mieterhöhungen" hätten viele Menschen in "finanzielle Not" gebracht, sagt der Präsident der Mietervereinigung, Georg Niedermühlbichler. 

Lösung noch nicht unmöglich

Noch ist der Zug nicht ganz abgefahren. Ob es bis Anfang April noch Bewegung geben wird, könne er jetzt nicht sagen, meint Ottenschläger. An sich habe man konstruktiv verhandelt, sei sich aber nicht ausreichend näher gekommen.

Der normale parlamentarische Weg, der heute die Zuweisung eines entsprechenden Antrags und den Beschluss kommende Woche vorgesehen hatte, kann jedenfalls nicht beschritten werden. Über Sondersitzungen wäre eine entsprechende Vereinbarung aber noch rechtzeitig umzusetzen, sollte das gewünscht sein. Volkshilfe-Direktor Fenninger appelliert an die Regierung, doch noch eine Lösung zu finden: „Denn ohne diese Preisbremse wird die Situation noch dramatischer, als sie für viele ohnehin schon ist“.

Kocher zurückhaltend, Experten für eine Mietpreisbremse

Wenig konkret äußerte sich Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) im Interview mit der "Presse" zur Diskussion rund um eine Mietpreisbremse. Er verweist auf Experten, die den Verbraucherpreisindex als nicht optimal für die Mietindexierung ansehen. "Aber ich habe bisher noch keinen besseren Vorschlag für eine Alternative gesehen. Doch es ist gut, dass es hier eine Diskussion gibt", sagt Kocher.

Einige Experten befürworten eine Mietpreisbremse: "Die Aufteilung der Erhöhung der Richtwertmieten auf 3 Jahre wäre eine sinnvolle Lösung in einer höchst schwierigen Situation", schreibt Wifo-Chef Gabriel Felbermayr am Freitag auf Twitter. Die Förderung der thermischen Sanierung ist aus seiner Sicht ein taugliches Gegengeschäft. "Grundsteuer und Grunderwerbssteuer gehören reformiert. Aber im Rahmen des Finanzausgleichs und als Teil eines Pakets", so Felbermayr.

 

Für Felbermayr gehe es bei den Mieten vor allem um eine "Stabilisierungspolitik angesichts viel zu hoher Inflation". 

Ökonom Stephan Schulmeister kritisiert, dass Vermieter durch die aktuellen Regeln zusätzliches "Körberlgeld" einstreichen würden. Der Verbraucherpreisindex (VPI), der aktuell für Mieterhöhungen verwendet wird, enthalte auch Importpreise. Diese sind vor allem durch die Energiekrise in Folge des Ukraine-Kriegs massiv in die Höhe geschossen. 

ribbon Zusammenfassung
  • Im April steigen Hunderttausende Mieten um über acht Prozent. Eine mögliche Mietpreisbremse droht nun zu platzen.
  • ÖVP und Grüne konnten sich nicht auf einen gemeinsamen Antrag einigen.

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