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Meinl-Reisinger für "neuen Schwung bei EU-Erweiterung"

Heute, 03:02 · Lesedauer 4 min

Außenministerin Beate Meinl-Reisinger fordert neuen Schwung in der Frage der EU-Erweiterung am Westbalkan. Durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sei diese zu einer geopolitischen Notwendigkeit geworden, sagte die NEOS-Politikern in einem Interview mit dem Fachmagazin "Cercle Diplomatique". Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien seien "die fehlenden Mosaiksteine Europas", so das Argument. "Ohne sie ist die EU nicht komplett."

"Wir sehen auch konkrete Fortschritte", hielt Meinl-Reisinger in der neuen Ausgabe des "Cercle Diplomatique" fest. "Montenegro und Albanien sind hier die Zugpferde. In Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien und Serbien unterstützen wir die Annäherung an Europa. Wichtig ist, dass die Vorteile spürbar und glaubwürdig sind."

Österreich sei Initiator der "graduellen Integration" gewesen, erinnerte Meinl-Reisinger, "also einer Dynamisierung des Prozesses, bei der die Länder schon vor der Vollmitgliedschaft von Vorteilen profitieren, zum Beispiel durch die Einbindung in den europäischen Zahlungsraum oder Kooperationen im Bildungsbereich." Gleichzeitig gelte aber: "Die Beitrittskriterien müssen für alle gleichbleiben."

Prinzipiell gelte, dass die EU transparenter und bürgernäher werden müsse, analysierte Österreichs Chefdiplomatin. So könne auch dem Aufschwung der Rechtspopulisten in Europa begegnet werden. "Wir müssen den Populisten mit einem klaren Bekenntnis zu unseren gemeinsamen europäischen Werten begegnen: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenwürde." In Zeiten globaler Krisen würden Menschen nach Orientierung suchen, zeigte sie Verständnis für etwaige Verunsicherungen. Umso wichtiger sei es, dass die EU "faire Chancen schafft und gezielt gegen Desinformation vorgeht".

Österreich sollte sich an EU-Verteidigungspolitik beteiligen

Österreich sollte sich auch an der europäischen Verteidigungspolitik beteiligen, forderte die Außenministerin. "Unsere Sicherheit ist untrennbar mit jener der EU verbunden. Die geopolitische Lage verändert sich rasant. Deshalb müssen wir mehr in die europäische Sicherheit und Verteidigung investieren."

Eine Mitwirkung an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU stehe auch nicht im Widerspruch mit der Neutralität Österreichs, unterstrich Meinl-Reisinger und ergänzte: "Unsere militärische Neutralität ist kein Schutzschild gegen globale Unsicherheiten. Wir sehen das ja: hybride Bedrohungen aus Russland, Handelskriege, das Missachten internationaler Regeln. Sicherheit entsteht nicht durch Isolation, sondern durch aktive Mitgestaltung einer stabilen Weltordnung."

"Stehen weiter klar an der Seite Israels"

Bezüglich des Nahost-Konflikts unterstrich Meinl-Reisinger die Position Österreichs: "Wir stehen weiter klar an der Seite Israels. Ich habe bei meiner Nahostreise das Existenzrecht Israels und sein legitimes Recht auf Selbstverteidigung bekräftigt. Wir fordern die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Geiseln. Zugleich muss die Hamas entwaffnet werden und darf in Zukunft keine Rolle im Gazastreifen spielen."

Allerdings dürfe auch das Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen nicht ausgeblendet werden. "Humanität und Völkerrecht sind nicht verhandelbar. Zivilpersonen, vor allem Frauen und Kinder, müssen geschützt werden." Eine Anerkennung Palästinas als Staat sei derzeit aber kein Thema: "Ich sehe nicht, wie eine Anerkennung aktuell zu keiner Änderung der Lage vor Ort führen würde. Langfristig führt kein Weg an einer Zwei-Staaten-Lösung auf Basis des Völkerrechts vorbei - aber erst nach einem politischen Prozess."

"Österreich bietet sich als Verhandlungsort an"

Bei der russischen Aggression gegen die Ukraine stehe Österreich klar für einen umfassenden, gerechten und nachhaltigen Frieden und biete sich auch als Verhandlungsort an, ließ die Außenministerin wissen. "Als UNO- und OSZE-Sitz hat Wien hier eine besondere Position. Das gilt auch für Gespräche über das iranische Atomprogramm."

Dass die genannten internationalen Organisation und damit auch ihr Standort Wien durch die jüngsten globalen Entwicklungen an Bedeutung verloren hätten, wollte Meinl-Reisinger so nicht gelten lassen: "Nein, im Gegenteil. Gerade weil Russland internationale Regeln verletzt, brauchen wir Organisationen wie die UNO und die OSZE mehr denn je. Ihre Prinzipien wurden gebrochen, aber das darf uns nicht dazu bringen, sie aufzugeben."

Für Österreich sei klar: "Es muss sich die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren durchsetzen. Darum kandidieren wir für den UNO-Sicherheitsrat 2027/28: Wir wollen den Standort Wien als Ort des Dialogs weiter stärken."

Zusammenfassung
  • Österreich soll sich laut Meinl-Reisinger verstärkt an der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik beteiligen, ohne die Neutralität aufzugeben, und sieht die eigene Sicherheit untrennbar mit jener der EU verbunden.
  • Österreich bietet sich als Verhandlungsort für internationale Konflikte wie den Ukraine-Krieg und das iranische Atomprogramm an, kandidiert für den UNO-Sicherheitsrat 2027/28 und will Wien als Ort des Dialogs weiter stärken.