Truss will Großbritannien zu "aufstrebender Nation" machen

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Die neue britische Premierministerin Liz Truss hat in ihrer Antrittsrede eine bessere Zukunft für das Vereinigte Königreich angekündigt.

"Unser Land wurde von Menschen aufgebaut, die Dinge erledigen. Wir haben gewaltige Reserven an Talent, Energie und Entschlossenheit", sagte Truss am Dienstag vor ihrem Amtssitz in der Londoner Downing Street.

Wohnungen und schnelles Internet

"Ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam den Sturm überstehen, unsere Wirtschaft wieder aufbauen und zu dem modernen, hervorragenden Großbritannien werden, von dem ich weiß, dass wir es sein können." Als Prioritäten nannte die bisherige Außenministerin die Wirtschaft, die Energiepreise und den Gesundheitsdienst NHS.

Sie werde dafür sorgen, dass Straßen, Wohnungen und schnelles Internet gebaut werden. "Natürlich wird es nicht einfach, aber wir schaffen das. Wir werden Großbritannien in eine aufstrebende Nation verwandeln", sagte Truss. "So stark der Sturm auch ist, ich weiß, dass die Briten stärker sind."

Die 47-Jährige war zuvor von Queen Elizabeth II. zur Nachfolgerin von Boris Johnson ernannt worden, der unter schwerem Druck seiner Fraktion zurückgetreten war. Truss lobte Johnson. "Die Geschichte wird ihn als äußerst konsequenten Premierminister würdigen", sagte Truss. In der Downing Street verfolgten Dutzende Abgeordnete und Mitarbeiter die Antrittsrede.

Vertraute ins Kabinett geholt

In ihrem Kabinett umgibt sich Truss künftig mit Vertrauten und Unterstützern. Die bisherige Arbeitsministerin Therese Coffey, die als engste Verbündete von Truss gilt, übernimmt das Gesundheitsministerium und wird zugleich Vizeregierungschefin, wie Downing Street am Dienstagabend mitteilte.

Auf den wichtigen Posten des Finanzministers berief die neue Regierungschefin wie erwartet den bisherigen Wirtschaftsminister Kwasi Kwarteng. James Cleverly, zuletzt Bildungsminister und zuvor unter Truss Europa-Staatssekretär, übernimmt das Außenministerium. Die konservative Hardlinerin Suella Braverman wird Innenministerin.

Zuvor hatte Queen Elizabeth II. die 47-Jährige am Dienstag zur Nachfolgerin Johnsons, der wegen einer Reihe von Skandalen zurücktreten musste, ernannt. Auf Schloss Balmoral in Schottland, ihrer Sommerresidenz, bat die Monarchin Truss darum, eine neue Regierung zu bilden. Die bisherige Außenministerin akzeptierte, wie der Buckingham Palast mitteilte.

Die Konservative Partei hatte Truss zuvor zur Vorsitzenden gewählt, was ihr wie in Großbritannien üblich auch den Posten der Regierungschefin bescherte, da die Tories derzeit im Unterhaus in der Mehrheit sind. Truss ist nach Margaret Thatcher und Theresa May die dritte Frau an der Spitze der britischen Regierung.

Dritte Frau an Regierungsspitze

Truss ist nach Margaret Thatcher und Theresa May die dritte Frau an der Spitze der britischen Regierung. Sie bezieht die Downing Street 10 in einer kritischen Phase: Großbritannien ist mit einer galoppierenden Inflation konfrontiert und droht in eine Rezession zu stürzen.

Millionen Britinnen und Briten haben Angst, im bevorstehenden Winter ihre Strom- und Gasrechnungen nicht mehr bezahlen zu können. Hinzu kommen Unsicherheiten durch den Krieg in der Ukraine, die Corona-Pandemie und den Brexit.

Steuerentlastungen versprochen

Truss hat Steuerkürzungen versprochen und angekündigt, als eine ihrer ersten Maßnahmen einen Plan zur Bewältigung der Energiekrise vorzulegen. Konkrete Details nannte die neue Premierministerin bisher nicht öffentlich. Medienberichten zufolge will sie Unternehmen mit einem Hilfspaket im Umfang von 40 Milliarden Pfund (46,32 Mrd. Euro) unter die Arme greifen. Im Gespräch ist auch eine Deckelung der Energiekosten, um einen Anstieg der Rechnungen zu stoppen. Die Umsetzung eines solchen Vorhabens könnte nach Angaben eines Insiders bis zu 100 Milliarden Pfund kosten.

Johnson aus Amt entlassen

Zuvor hatte die Queen den bisherigen Regierungschef formal aus dem Amt entlassen. Die Königin hält sich traditionell von Mitte Juli bis Mitte September auf ihrem schottischen Landsitz Schloss Balmoral auf. Dass sie die Politiker nicht im Buckingham-Palast in London empfängt, hat mit den Mobilitätsproblemen der 96 Jahre alten Monarchin zu tun. Queen Elizabeth II. ist seit 1952 auf dem Thron. Mit Truss hat sie inzwischen drei Premierministerinnen und zwölf Premierminister während ihrer Regentschaft gesehen.

Johnson-Comeback: Bin "nun wie eine dieser Trägerraketen"

Der konservative Politiker hat am Dienstag bei einer letzten Rede als britischer Premierminister in der Londoner Downing Street seiner Nachfolgerin Liz Truss "nichts als energische Unterstützung" versprochen. Hunderte Mitarbeiter, Abgeordnete, Fotografen und Reporter hatten sich dafür in der abgesperrten Straße versammelt.

Mit dem Auftritt in der Früh nahm Johnson nach gut drei Jahren im Amt vorerst Abschied von der Regierungsspitze. Spekulationen über ein mögliches Comeback tat der 58-Jährige gewohnt humorvoll ab, jedoch nicht ohne Zweifel daran zu lassen, wie ernst er es damit meint. "Lassen Sie mich sagen, dass ich nun wie eine dieser Trägerraketen bin, die ihre Funktion erfüllt hat und sanft wieder in die Atmosphäre eintritt und unsichtbar irgendwo in einem entfernten Teil des Pazifiks versinkt", sagte Johnson.

Nehammer gratulierte bereits

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) gratulierte Truss bereits am Montag nach ihrer Wahl zur Tory-Vorsitzenden zu ihrer neuen Aufgabe. "Wir freuen uns darauf, zusammenzuarbeiten und die Beziehungen zwischen Österreich und Großbritannien weiter zu stärken", schrieb der Bundeskanzler auf Twitter.

Wirtschaftliche Ausgangssituation "nicht ideal"

Der WKÖ-Wirtschaftsdelegierte in London, Christian Kesberg, verwies am Dienstag in einer Aussendung unter anderem auf die schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Land. "Das Pfund hat seit Jahresbeginn 15 Prozent gegenüber dem Dollar an Wert verloren. Die Kreditkosten für Unternehmen sind nach 6 Leitzinserhöhungen sprunghaft angestiegen. Der Zinssatz für Staatsanleihen liegt am Höchststand der Finanzkrise von 2008. Die Inflationsrate lag im August bei über 10 Prozent, und für 2023 und 2024 droht der Insel ein volkswirtschaftlicher Schrumpfkurs."

Aus österreichischer Perspektive sei das "zumindest für Neugeschäfte nicht die ideale Ausgangssituation. Chancen sehen wir aber nach wie vor im Gesundheitssektor bei Umwelt und Energiethemen oder in der Tourismusinfrastruktur. Die durch Spezialisierung der heimischen Nischen-Anbieter widerstandsfähigen, etablierten Lieferbeziehungen sollten sich weitgehend stabil entwickeln", so Kesberg.

Barnier hofft auf Stabilität

Der ehemalige EU-Chefunterhändler in den Brexit-Verhandlungen, Michel Barnier, übermittelte am Dienstag via Twitter seine "besten Wünsche" an das Vereinigte Königreich und die Briten unter der Regierung von Truss. "Friede und Stabilität in Nordirland, Kooperation bei der Sicherheit, Solidarität bei der Energie: Es gibt so viele Gründe, einander zu respektieren und zusammenzuarbeiten. Warten wir ab."

ribbon Zusammenfassung
  • Ex-Außenministerin Liz Truss wurde in Schottland von Queen Elizabeth II. offiziell als neue Premierministerin von Großbritannien angelobt.