Kompatscher gibt Meloni "gute Chance" auf Wiederwahl
"Ich sehe keinen Gegentrend", erklärte Kompatscher auf die Frage, ob Melonis politische Gegner, also die "Linke" in Italien, im Begriff sei, der Ministerpräsidentin zunehmend gefährlich zu werden. Dass die linken Oppositionskräfte bei den jüngsten Regionalwahlen in Venetien, Kampanien und Apulien reüssierten, sei angesichts deren traditionellen Hochburgen dort "nicht überraschend" gewesen: "Es waren erwartbare Ergebnisse." Gleichzeitig habe sich bei den Wahlen im norditalienischen Venetien "Mitte-Rechts" bzw. die Lega, einer von Melonis Koalitionspartnern, durchgesetzt. "Die Regionalwahlen waren stabilisierend für die Regierung in Rom", analysierte der Landeshauptmann und führte folgendes Beispiel an: Indem Meloni Lega-Chef und Vizepremier Matteo Salvini in Venetien "nicht den Rang abgelaufen habe", werde auch "keine Unruhe in die Koalition" kommen.
Kompatscher traue es Meloni jedenfalls auch zu, mit ihrer Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode durchzudienen - eine Seltenheit in Italien: "Es deutet nichts darauf hin, dass es nicht so sein wird." Generell fand Kompatscher anerkennende Worte für die seit 2022 amtierende Ministerpräsidentin - auch abseits der mit ihr auf den Weg gebrachten Reform der Südtirol-Autonomie und obwohl es natürlich weiterhin "ideologische Vorbehalte" und unterschiedliche Ansichten gebe, weil Melonis Partei und die Rechts-Allianz in "gesellschaftspolitischen Fragen oft nicht nur eine konservative, sondern bisweilen auch eine reaktionäre und illiberale Haltung" einnehmen würden. Es werde aber eine "seriöse Finanzpolitik" betrieben, auch habe man im Gegensatz zu anderen Staaten bisher eine Rezession vermeiden können. Und: "Außen- und wirtschaftspolitisch gibt es eine gute Performance. Italien wird derzeit auf der internationalen Bühne als relativ verlässlich wahrgenommen."
Die Opposition mache wiederum den Fehler, sich intern in ideologische Grabenkämpfe zu verstricken und im Hinblick auf die Regierung "bei jeder Gelegenheit sogleich den Teufel an die Wand zu malen." Immer "sofort und inflationär von Diktatur zu reden oder die Nazi-Keule zu schwingen", sei kontraproduktiv. Und führe leider dazu, dass dann, wenn Kritik und Warnungen angebracht seien, diese nicht mehr wirklich ernst genommen werden, so Kompatscher.
Sehr skeptisch bei Plänen zu Wahlrecht
Kritisch sah Südtirols Landeshauptmann hingegen Melonis Pläne für ein neues Wahlrecht im Zuge einer Verfassungsreform mit Einführung eines Proporzsystems und einer Direktwahl des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Reduzierung des Einflusses des Staatspräsidenten. "Wir in Südtirol sehen das mit Skepsis - unabhängig davon, wer das vorschlägt. Die Figur des Staatsoberhaupts hat uns viel Garantie gebracht. Er ist der Wächter der Verfassung und auch des Autonomiestatuts, der immer die schützende Hand über das Autonomiesystem gehalten hat." Wenngleich die Autonomie natürlich völkerrechtlich sowie durch die Reform nunmehr auch innerstaatlich abgesichert sei. Er glaube aber derzeit ohnehin, dass die Wahlrechtsreform - vor allem aufgrund innerkoalitionärer Umstände - "keine große Chance auf Realisierung" habe, meinte Kompatscher. Und ging im Falle des Falles eher von einem negativem Votum bei der für das Verfassungsgesetz nötigen Volksabstimmung aus: "Die Italiener sind da sehr konservativ. Sie schätzen ihre Verfassung und wollen nicht so sehr, dass daran herumgebastelt wird."
Autonomie-Beschluss im Frühsommer möglich
Sehr erfreut zeigte sich Kompatscher über die Entwicklung hinsichtlich der ausverhandelten und vom römischen Ministerrat bereits beschlossenen Reform des Autonomiestatuts mit der Wiedererlangung verlorenen gegangener Kompetenzen. Lesungen bzw. Abstimmungen in Abgeordnetenkammer und Senat standen noch aus: "Aus heutiger Sicht wird es zum endgültigen Beschluss im Frühsommer oder Sommer nächsten Jahres kommen. Das ist früher als angenommen." Zuvor werde Rom das Paket auch noch der Schutzmacht Österreich zur Stellungnahme übermitteln - "in dieser Form ein absolutes Novum", freute sich Kompatscher. Einmal mehr betonte er, dass nicht nur Gesetzgebungskompetenzen für die autonome Provinz wiedererlangt, sondern auch - etwa bei der Umweltpolitik - ausgebaut und vor allem nachhaltig abgesichert werden. In den wesentlichsten Bereichen der Politik könne (wieder) vollkommen autonom in Südtirol entschieden werden. Eine "Autonomieniveau-Sicherungsklausel" garantiere zudem erstmals, dass Änderungen, die nicht ausschließlich zu einer Stärkung der Autonomie führen, nur mit Zustimmung des Landtags durchgeführt werden können. "Historisch", so Kompatscher.
Und eines sei klar: Dass Südtirol trotz internationaler Krisen wirtschaftlich und budgetär "so gut dasteht", habe wesentlich mit den autonomen Entscheidungen zu tun. Und natürlich auch mit der "guten Finanzregelung" mit Rom (90 Prozent der Steuermittel dürfen von Südtirol behalten werden, Anm.), dem "boomenden Tourismus", den "hidden Champions" in der Industrie und dem "Fleiß" der Arbeitnehmer und Unternehmer. Dies führe dazu, dass der Südtiroler Landtag - während anderswo gekürzt werden muss - heuer dank Wirtschaftswachstums und höheren Steuereinnahmen einen Rekordhaushalt über 8,8 Milliarden Euro für das kommende Jahr beschließen werde. "Wir können dadurch etwa Steuererleichterungen für Betriebe mit höheren Löhnen und Reallohnerhöhungen etwa für Lehrer und Pflegeberufe geben", so der Landeshauptmann. Dies verdanke man auch einer umsichtigen Politik während Corona, bei der "Geld nicht mit dem Helikopter abgeworfen, sondern gezielt eingesetzt wurde."
"Werde durchdienen"
Kompatscher - er regiert seit der Landtagswahl 2023 mit einer Mitte-Rechts-Fünferkoalition aus seiner Südtiroler Volkspartei, den Südtiroler Freiheitlichen, der Meloni-Partei Fratelli d'Italia, Lega und La Civica - befindet sich in seiner letzten Amtsperiode. Nach der Landtagswahl 2028 soll er nach dann 15 Jahren abtreten, denn ein entsprechendes Gesetz mit einer zeitlichen Mandatsbeschränkung war im Landtag beschlossen worden. Bleibt's dabei, auch angesichts einer mitunter debattierten möglichen Verfassungswidrigkeit? "Wir hätten die Beschränkung damals nicht beschließen müssen, es war freiwillig. Der Landtag könnte es wieder aufheben Ich gehe aber davon aus, dass das Gesetz noch so Bestand haben wird. Deshalb ergibt sich für mich die Fragestellung nicht." Stand jetzt werde "2028 Schluss" sein: "Weil es so Gesetz ist und ich auch im Kopf so eingestellt bin." Außerdem: "Es ist auch eine Form von Selbstschutz. Und ich habe eine Verantwortung ganz spezieller Natur meiner Familie gegenüber."
Gleichzeitig betonte der 54-Jährige, nicht vor Ende der Legislaturperiode aufzuhören: "Ja, ich werde durchdienen." Alles andere wäre "weder im Interesse meiner Partei noch der gemeinsamen Regierungsarbeit." "Wesentlich früher" zu übergeben, mache "keinen Sinn."
(Das Gespräch führte Wolfgang Eder/APA)
Zusammenfassung
- Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher sieht für Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bei den Parlamentswahlen 2027 "gute Chancen, wiedergewählt zu werden".
- Die jüngsten Regionalwahlen in Venetien, Kampanien und Apulien wertet Kompatscher als erwartbar und stabilisierend für die Regierung, da die Mitte-Rechts-Koalition ihre Position behaupten konnte.
- Kompatscher äußert deutliche Skepsis gegenüber Melonis Plänen für eine Wahlrechtsreform, insbesondere wegen der geplanten Schwächung des Staatspräsidenten, und hält eine Umsetzung für unwahrscheinlich.
- Die Reform des Südtiroler Autonomiestatuts könnte laut Kompatscher bereits im Frühsommer 2025 endgültig beschlossen werden und beinhaltet eine neue Sicherungsklausel für das Autonomieniveau.
- Südtirol steht wirtschaftlich sehr gut da und kann für 2025 einen Rekordhaushalt von über 8,8 Milliarden Euro beschließen, was Kompatscher der Autonomie und einer guten Finanzregelung zuschreibt.
