Italien: Draghi zurückgetreten

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Roms Polit-Drama geht in die nächste Runde. Italiens Ministerpräsident Mario Draghi hat erneut seinen Rücktritt angeboten - Staatspräsident Mattarella hat diesen nun angenommen.

Der italienische Regierungschef Mario Draghi hat Donnerstagmorgen seinen Rücktritt angeboten. Staatspräsident Sergio Mattarella hat diesen nun angenommen. Dieser hatte das erste Gesuch vergangene Woche abgelehnt, woraufhin Draghi schließlich im Parlament die Vertrauensfrage stellte. Draghi wurde von Mattarella mit der Weiterführung der Amtsgeschäfte betraut.

Mattarella wird im Laufe des Tages die Parlamentspräsidenten Maria Elisabetta Alberti Casellati und Roberto Fico treffen. Casellati soll laut Medienberichten um 16.30 Uhr erscheinen, Fico eine halbe Stunde später. Noch unklar ist, ob der Präsident das Parlament auflöst und Neuwahlen ausschreibt, die am 25. September, oder am 2. Oktober stattfinden könnten.

Salvini fordert Neuwahlen

Die größten Koalitionsparteien fordern Neuwahlen. "Schluss mit Machtspielen, jetzt sollen die Italiener zu Wort kommen", sagte Matteo Salvini, Chef der rechten Regierungspartei Lega, die bei einem Vertrauensvotum im Senat am Mittwoch Draghi nicht unterstützt hatte, was den Weg zu dessen Rücktritt geebnet hatte. Auch die linkspopulistische Fünf Sterne-Bewegung, die rechtskonservative Forza Italia und die rechtspopulistische Oppositionspartei "Fratelli d ́Italia" (Brüder Italiens - Fdi) traten für Neuwahlen ein.

Als unwahrscheinlich gilt die Möglichkeit, dass Mattarella eine Expertenregierung mit der Aufgabe auf die Beine stellen könnte, das Budget 2023 zu entwerfen, ein neues Wahlgesetz zu verabschieden und Italien bis zum Ende der Legislaturperiode im Frühjahr 2023 zu führen. Unklar ist, wer eine solche Regierung unterstützen und wer sie führen sollte, meinten politische Beobachter in Rom.

Minister für öffentliche Verwaltung verlässt Forza Italia

Unterdessen hat der bisherige Minister für die öffentliche Verwaltung, Renato Brunetta, als Konsequenz aus dem Rücktritt Draghis seine Partei Forza Italia verlassen. "Nicht ich bin es, der geht, sondern es ist die Forza Italia, oder besser gesagt, das was davon übrig ist, die sich selbst verlassen hat", schrieb Brunetta am Donnerstag auf Facebook.

"Indem Mario Draghi nicht das Vertrauen ausgesprochen wurde, ist meine Partei von den Grundwerten ihrer Kultur abgewichen", schrieb der 72-Jährige weiter. Unverantwortliche Mitglieder in der konservativen Partei von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi hätten Parteiinteressen über die des Landes gestellt, so Brunetta. Die Parteispitzen hätten sich vom schlimmsten Populismus platt drücken lassen und damit einen Meister wie Draghi geopfert.

Neuwahlen wahrscheinlich

Drei große Regierungsparteien hatten Draghi am Mittwoch im Senat nicht mehr das Vertrauen ausgesprochen. Nach der Rücktrittsankündigung sollte Draghi bei Staatspräsident Sergio Mattarella seine Demission einreichen. Wann dies genau erfolgen wird, ist noch unklar. Mattarella könnte sich Zeit nehmen, um die politische Lage zu bewerten. Er könnte Konsultationen mit den Parteien starten, Neuwahlen im Herbst gelten als wahrscheinlich. Mögliche Wahltermine sind der 25. September oder der 2. Oktober.

Keine Chance auf Fortführung der Legislaturperiode

Die Mehrparteienkoalition, die Premier Draghi seit seinem Amtsantritt im Februar 2021 unterstützt hatte, ist am Mittwoch in die Brüche gegangen. Draghi verfehlte sein Ziel, die Koalitionsparteien zu überreden, ihn bis Ende der Legislatur im Frühjahr 2023 zu unterstützen.

Der 74-jährige Regierungschef bewältigte zwar eine Vertrauensabstimmung über das Programm, mit dem er im Sattel zu bleiben hoffte, verlor jedoch seine Mehrheit. Drei große Koalitionsparteien - die linkspopulistische Fünf Sterne-Bewegung, die rechte Lega um Ex-Innenminister Matteo Salvini und die Forza Italia um den früheren langjährigen Premier Silvio Berlusconi - stimmten Draghi nicht das Vertrauen zu.

Frage nach Neustart des Regierungspakts

Damit geht eine Regierungskrise weiter, die die Fünf Sterne-Bewegung vor einer Woche ausgelöst hatte. Vergebens hatte Draghi im Laufe der Sitzung im Senat versucht, die Regierungsparteien zur Verantwortung aufzurufen und seine bröckelnde Koalition zusammenzuhalten.

"Sind die Parteien zum Neustart des Regierungspakts bereit? Das ist die Antwort, die Sie allen Italienern geben müssen. In diesen Monaten war die nationale Einheit die beste Garantie für die demokratische Legitimierung dieser Regierung und ihrer Effizienz", erklärte Draghi. Er, der nie von den Bürgern gewählt wurde, brauche die breitestmögliche Zustimmung des Parlaments.

Errungenschaften gelobt

Draghi hatte in seiner Rede im Senat die Errungenschaften seiner Regierung, die geschaffen wurde, um das Land aus der Corona-Pandemie und der wirtschaftlichen Krise heraus zu holen. "Ich war noch nie so stolz, Italiener zu sein", sagte der Premier, der seine Regierung als "Wunder" bezeichnete.

Diese Ansicht teilen offenkundig die stärksten Regierungsparteien nicht, die sich nicht mehr hinter Draghi stellen wollen - jeder aus einem anderen Grund. Salvinis Lega hatte sich zwar für eine zweite Regierung Draghi ausgesprochen, allerdings ohne die Fünf-Sterne-Bewegung, die sie als "unzuverlässig" bezeichnete. Die "Cinque Stelle" hatten ihrerseits von Draghi Zugeständnisse für ihr Programm gefordert, die sie vom Premier jedoch nicht erhalten haben.

Der Beschluss der Forza Italia, Draghi nicht das Vertrauen auszusprechen, löste einen Erdbeben in der Berlusconi-Partei aus. Regionenministerin Maria Stella Gelmini, seit Jahren eine enge Vertraute Berlusconis, trat aus Protest aus der Gruppierung aus.

ribbon Zusammenfassung
  • Italiens Ministerpräsident Mario Draghi will nach seinem verpassten Ziel beim Vertrauensvotum im Senat am Donnerstag in der Abgeordnetenkammer auftreten.
  • Drei große Regierungsparteien hatten Draghi am Mittwoch im Senat nicht mehr das Vertrauen ausgesprochen.
  • Vergebens hatte Draghi im Laufe der Sitzung im Senat versucht, die Regierungsparteien zur Verantwortung aufzurufen und seine bröckelnde Koalition zusammenzuhalten.