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Hamas droht

Bei Kontrolle von ganz Gaza: Israel wird "hohen Preis" zahlen

Heute, 19:25 · Lesedauer 4 min

Israel strebt trotz scharfer Warnungen der UNO die militärische Kontrolle über den gesamten Gazastreifen an.

"Wir haben die Absicht dazu", sagte Ministerpräsident Benjamin Netanyahu am Donnerstag dem US-Sender Fox News. 

Er fügte hinzu, später solle das Küstengebiet an "arabische Kräfte" übergeben werden, die das Gebiet dann "ordnungsgemäß regieren" sollen. Die Hamas bezeichnet die Pläne als "Putsch".

"Wir wollen es nicht behalten", sagte Netanyahu. "Wir wollen eine Sicherheitsgrenze haben. Wir wollen es nicht regieren. Wir wollen dort nicht regieren", erklärte er.

Hamas: Israel wird "hohen Preis" zahlen

Die radikal-islamische Hamas drohte im Falle einer Ausweitung der Kämpfe im Gazastreifen und einer vorübergehenden Kontrolle des Gebiets mit Konsequenzen. Die israelische Armee werde dafür einen "hohen Preis" zahlen, hieß es in einer Stellungnahme der Terrororganisation. Details nannte die Hamas nicht. Sie erklärte, der Gazastreifen sei "immun gegen Besatzung und Vormundschaft von außen".

Netanyahus Erklärung zeige, dass er bereit sei, die israelischen Geiseln für seine persönlichen Interessen zu opfern, erklärte die Terrormiliz. Die Äußerung fällt mitten in die laufenden Verhandlungen über eine Waffenruhe.

Israel veröffentlicht Räumungsaufruf für Viertel in der Stadt Gaza

Noch während der Beratungen über eine Ausweitung des Gaza-Kriegs veröffentlichte die israelische Armee einen Räumungsaufruf für zwei Viertel in der Stadt Gaza. Ein Militärsprecher forderte in arabischer Sprache die Einwohner der Altstadtviertel Daraj und Tuffah dazu auf, sich sofort in Richtung Süden in die humanitäre Zone in Al-Mawasi zu begeben.

Das israelische Militär kontrolliert nach eigenen Angaben derzeit etwa 75 Prozent des Gazastreifens. Der Großteil der rund zwei Millionen Einwohner des Küstengebiets wurde in den vergangenen knapp zwei Jahren mehrfach vertrieben. Helfer hatten zuletzt auf eine Hungersnot in Gaza hingewiesen.

Netanyahu steht unter internationalem Druck, einen Waffenstillstand zu erreichen, sieht sich aber auch internen Forderungen aus seiner Koalition ausgesetzt, den Krieg fortzusetzen.

Kreise: Arabische Staaten unterstützen nur palästinensische Beschlüsse

Die arabischen Staaten werden nach Angaben aus jordanischen Regierungskreisen zur Zukunft des Gazastreifens nur Lösungen unterstützen, die von den Palästinensern selbst getragen werden.

"Araber werden nur das unterstützen, worauf sich die Palästinenser einigen und was sie beschließen", sagte ein Insider der Nachrichtenagentur Reuters.

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UNO: "Falscher Schritt"

Die UNO sprach indes von einem falschen Schritt. "Wir stehen entschieden gegen jede Eskalation des Konflikts", sagte UN-Sprecher Farhan Haq in New York. Der Krieg sei bereits extrem verheerend und habe mehr als 60.000 Opfer gekostet. "Es droht enormes humanitäres Leid", so Haq weiter. Die Zahl der Todesopfer durch Verhungern könnte weiter steigen.

Die Vereinten Nationen hatten Pläne für eine vollständige Kontrolle schon am Dienstag als "zutiefst alarmierend" bezeichnet. "Das Völkerrecht ist in dieser Hinsicht eindeutig: Der Gazastreifen ist und muss ein integraler Bestandteil des künftigen palästinensischen Staates bleiben", hatte der stellvertretende UNO-Generalsekretär Miroslav Jenca gesagt.

Die Einnahme des ganzen Gazastreifens durch Israel könne katastrophale Folgen haben und auch das Leben der verbliebenen israelischen Geiseln dort weiter gefährden.

Netanyahu äußerte sich am Donnerstag vor einem Treffen mit seinem Sicherheitskabinett. Dabei wurden am Abend Pläne erörtert, wie das Militär die Kontrolle über weitere Gaza-Gebiete übernehmen könnte. Die Idee war vor allem von rechtsextremen Ministern in Netanyahus Koalition geäußert worden.

Zuletzt hatte es dazu bereits ein Treffen mit dem israelischen Militärchef gegeben, das von Insidern als angespannt beschrieben wurde, da dieser eine Ausweitung des Einsatzes ablehnt.

Außenministerium "tief beunruhigt"

Das Außenministerium in Wien zeigte sich am Donnerstagabend in einer der APA übermittelten Stellungnahme "tief beunruhigt, dass eine allfällige Ausweitung der israelischen Militäroperation auf ganz Gaza sich negativ auf die Sicherheit und Versorgungslage der palästinensischen Zivilbevölkerung und der israelischen Geiseln auswirken wird".

Alle Seiten müssten an den Verhandlungstisch zurückkehren, um einen Waffenstillstand sicherzustellen, einschließlich der Freilassung aller Geiseln und der Verbesserung der humanitären Situation der Zivilbevölkerung in Gaza. "Gaza muss auch in Zukunft palästinensisch bleiben. Es darf keine Vertreibung der dortigen Bevölkerung geben."

Proteste in Israel gegen Ausweitung der Kämpfe

Zahlreiche Menschen demonstrierten in Jerusalem und Tel Aviv sowie weiteren israelischen Städten gegen eine Ausweitung der Kämpfe im Gazastreifen.

In Jerusalem versammelten sich Demonstranten vor dem Amtssitz von Netanyahu. Sie forderten ein Abkommen zur Freilassung der noch immer festgehaltenen Geiseln.

Zusammenfassung
  • Israel strebt trotz scharfer Warnungen der UNO die militärische Kontrolle über den gesamten Gazastreifen an.
  • "Wir haben die Absicht dazu", sagte Ministerpräsident Benjamin Netanyahu am Donnerstag dem US-Sender Fox News.
  • Die radikal-islamische Hamas drohte im Falle einer Ausweitung der Kämpfe im Gazastreifen und einer vorübergehenden Kontrolle des Gebiets mit Konsequenzen.
  • Die israelische Armee werde dafür einen "hohen Preis" zahlen, hieß es in einer Stellungnahme der Terrororganisation.