Israel setzt Luftangriffe in Syrien fort
Seit dem Ausbruch von Kämpfen in Syrien zwischen ethnischen und religiösen Gruppen hat Israel mehrfach Ziele in Sweida und in der Hauptstadt Damaskus bombardiert. Israel will damit nach eigener Aussage die Minderheit der Drusen in Syrien schützen, verfolgt mit den Angriffen aber auch andere strategische Interessen. Im südlichen Syrien kämpften zuletzt drusische Milizen gegen sunnitische Stammesgruppen, die von der islamistischen Führung in Damaskus unterstützt werden. Menschenrechtsaktivisten zufolge wurden mehr als 1.100 Menschen getötet. Etwa die Hälfte der Todesopfer stammte aus der mehrheitlich von Drusen bewohnten Provinz.
Eigentlich wurde am Samstag eine Waffenruhe zwischen Israel und Syrien verkündet, die von den USA und der Türkei unterstützt wird. Nach Darstellung des US-Sondergesandten für Syrien, Thomas Barrack, einigten sich "alle Konfliktparteien" auf eine "Pause und Einstellung der Feindseligkeiten" mit Beginn am späten Sonntagnachmittag.
Die israelische Armee hat ihre militärischen Aktivitäten seit dem Sturz von Langzeit-Machthaber Baschar al-Assad Ende des Vorjahres auf syrischem Gebiet deutlich ausgeweitet. Das britische Projekt ACLED, das Daten aus Konfliktgebieten auswertet, zählte allein seit dem Sturz Assads mehr als 280 israelische Angriffe in Syrien. ACLED spricht von einem "anhaltenden Militäreinsatz" Israels in Syrien. Israel hat auch Truppen in die von der UNO kontrollierte Pufferzone zwischen den beiden Ländern und auf syrisches Staatsgebiet verlegt.
Seit die neue Regierung von Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa in Damaskus die Macht übernahm, gab es Anzeichen auf eine mögliche Annäherung mit Israel. Dabei gab es unter US-Vermittlung Versuche, die Nachbarn etwa an der gemeinsamen Grenze zur Zusammenarbeit zu bewegen. Die neuen Angriffe Israels - darunter im Damaszener Machtzentrum - zeigen, dass die beiden Länder von solchen Schritten weit entfernt sind.
Beduinen vertrieben oder eingekesselt
Im Süden Syriens sollen rund 1.500 sunnitische Beduinen aus der umkämpften Provinz Sweida "evakuiert" werden. In einem ersten Schritt seien rund 350 von ihnen in die benachbarte Provinz Deraa gebracht worden, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur von dortigen Ortsvertretern. Die meisten seien Frauen, Kinder und Verletzte. In den kommenden Tagen würden weitere Konvois erwartet. Die amtliche, syrische Nachrichtenagentur SANA zeigte, wie die Familien mit Bussen und Lastwagen nach Deraa gebracht werden, und sprach von einer "Evakuierung".
In der Stadt Sweida, die mehrheitlich von Drusen bewohnt wird, wurden viele Beduinen-Familien eingekesselt. Die Regierung in Damaskus erklärte, für sie gebe es Fluchtrouten. Hunderte Menschen blieben während laufender Kämpfe in der Umgebung dennoch gefangen.
In vergangenen Tagen tauchten Bilder auf von Beduinen-Familien, die in karge Wüstengebiete vertrieben werden. Auf einigen Fotos sind Frauen und Kinder zu sehen, die zwischen Steinen in der gleißenden Sonne sitzen. In Sweida steigen die Temperaturen in diesen Tagen auf über 30 Grad Celsius.
Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) wurden durch die Kämpfe bisher mehr als 128.000 Menschen vertrieben. Es fehlt an Wasser, Lebensmitteln und die Stromversorgung ist schlecht. Die Vertreibung der Beduinen ist ein Triumph für die drusischen Milizen. Damaskus stimmte dem Schritt offenbar zu, um die Lage in der Region etwas zu entspannen.
Damaskus setzt auf Zeit
"Dieser Schritt ist entscheidend, um die Krise zu entschärfen und die Spannungen zwischen Stämmen abzubauen", sagte Ahmed al-Dalati, Kommandant für innere Sicherheit in der Provinz Sweida. Wenn die betroffenen Familien in Sicherheit seien, werde auch die Wut der Stammesangehörigen abnehmen, die ihre Verwandten in Sweida retten wollten.
In Syrien kam es im Bürgerkrieg gegen das Assad-Regime ab 2011 zu massenhaften Fluchtbewegungen. Nach UNO-Angaben wurden dabei mehr als 13 Millionen Menschen vertrieben.
Zusammenfassung
- Israel hat trotz vereinbarter Waffenruhe seine Luftangriffe in Syrien fortgesetzt und seit dem Sturz von Baschar al-Assad mehr als 280 Angriffe im Land durchgeführt.
- Im Süden Syriens wurden laut Angaben der Internationalen Organisation für Migration über 128.000 Menschen durch die Kämpfe vertrieben, darunter rund 1.500 sunnitische Beduinen aus der Provinz Sweida.
- Die jüngsten Kämpfe forderten mehr als 1.100 Todesopfer, etwa die Hälfte davon aus der drusisch geprägten Provinz Sweida, während die Versorgungslage mit Wasser, Lebensmitteln und Strom weiterhin kritisch bleibt.