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Israel: Parlament versammelte sich zu Abstimmung

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Das israelische Parlament hat sich am Sonntag zur Entscheidung über eine Ablösung des seit zwölf Jahren amtierenden Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu versammelt. Die geplante neue Regierung aus acht Parteien muss als letzte Hürde vor ihrer Vereidigung ein Vertrauensvotum bestehen.

Das Bündnis um den früheren Oppositionsführer Yair Lapid und den designierten Ministerpräsidenten Naftali Bennett hat mit 61 der 120 Abgeordneten in der Knesset nur eine hauchdünne Mehrheit.

Die Eröffnungsrede Bennetts wurde durch wiederholte laute Zwischenrufe von Mitgliedern des Netanyahu-Lagers so gestört, dass er kaum einen Satz zu Ende bringen konnte. Bennett sagte, das Geschrei zeige die tiefe Spaltung Israels, die während Netanyahus Amtszeit entstanden sei. Er warnte vor einem "Strudel des Hasses und des Bruderstreits". Zahlreiche protestierende Abgeordnete wurden von Ordnern aus dem Saal gebracht.

Ende einer Ära

Mit der Vereidigung eines neuen Kabinetts ginge eine Ära zu Ende: Es wäre das erste Mal seit 2009, dass eine Regierung ohne Likud-Chef Netanyahu gebildet wird. Der rechtskonservative Regierungschef und seine Anhänger versuchten bis zuletzt, einen Machtwechsel zu verhindern. Gegen den 71-jährigen läuft ein Korruptionsprozess. Mit einer Entscheidung wurde in Jerusalem bis zum frühen Abend gerechnet.

Kurz vor Beginn der Parlamentssitzung schrieb Lapid bei Twitter über einem Bild der acht Parteivorsitzenden an einem Tisch: "Es ist Zeit für einen Wandel". Nach Medienberichten sollen der Regierung 27 Minister angehören. Das geplante Bündnis vereint acht Parteien vom rechten bis zum linken Spektrum, auch eine arabische Partei. Ex-Finanzminister Lapid von der Zukunftspartei hatte den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten, nachdem Netanyahu als Vorsitzender der größten Fraktion damit gescheitert war.

Lapid ließ aber dem 49-jährigen Ex-Verteidigungsminister Bennett von der ultrarechten Yamina-Partei den Vortritt im Amt des Ministerpräsidenten, um die Koalition zu ermöglichen. Lapid soll Bennett in zwei Jahren zur Hälfte der Legislaturperiode als Regierungschef ablösen. Sollte die neue Regierung Bestand haben, könnte dies die politische Dauerkrise beenden, in der Israel sich seit zweieinhalb Jahren und mehreren Wahlen, die keine klaren Mehrheitsverhältnisse brachten, befindet.

Netanyahu selbst sagte in der Sitzung: "Wenn wir in die Opposition gehen müssen, dann tun wir das - bis wir diese gefährliche Regierung stürzen." Der 71-Jährige betonte, er sei schon in der Vergangenheit aus der Opposition zurückgekehrt. "We will be back soon" (Wir kommen bald wieder), sagte er auf Englisch.

Demonstranten feierten bereits

Am Streit um ein Gesetz, das schrittweise mehr strengreligiöse Männer zum Wehrdienst verpflichten sollte, war Ende 2018 Netanyahus rechts-religiöse Koalition zerbrochen. Vier Parlamentswahlen endeten danach immer wieder mit einer Pattsituation. Es konnte seither auch kein neuer Haushalt verabschiedet werden.

Vor der erwarteten Ablösung Netanyahus haben Demonstranten vor seinem Amtssitz in Jerusalem bereits gefeiert. Kritiker des scheidenden Regierungschefs jubelten und tanzten. Auf einem der Schilder stand am Samstagabend: "Bibi (Netanyahus Spitzname), das ist Dein letzter Samstag in Balfour, fang an zu packen." Vor dem Amtssitz an der Ecke der Straßen Balfour und Smolenskin war es immer wieder zur Protesten gegen den Ministerpräsidenten gekommen, gegen den ein Korruptionsprozess läuft.

ribbon Zusammenfassung
  • Das israelische Parlament hat sich am Sonntag zur Entscheidung über eine Ablösung des seit zwölf Jahren amtierenden Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu versammelt.
  • Die geplante neue Regierung aus acht Parteien muss als letzte Hürde vor ihrer Vereidigung ein Vertrauensvotum bestehen.
  • Das Bündnis um den früheren Oppositionsführer Yair Lapid und den designierten Ministerpräsidenten Naftali Bennett hat mit 61 der 120 Abgeordneten in der Knesset nur eine hauchdünne Mehrheit.

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