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Innsbruck-Wahl: Duelle, Glaskugel und letzte Meter

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Der Wahlkampf für die Innsbrucker Gemeinderats- und Bürgermeisterdirektwahl am 14. April biegt in die Zielgerade. Und wurde zuletzt hektischer. Parteiinterne Umfragen wurden ausgepackt, es regierte die "Glaskugel". Dramatisch wird der Kampf um den Einzug in die wahrscheinliche Stichwahl. Als heiße Anwärter darauf gelten nach wie vor Grünen-Stadtchef Georg Willi, FPÖ-Kandidat Markus Lassenberger, ÖVP-Ex-Staatssekretär Florian Tursky und ÖVP-"Abspalter" Johannes Anzengruber.

Lediglich Außenseiterchancen werden von politischen Beobachtern SPÖ-Spitzenkandidatin Elisabeth Mayr eingeräumt. Ihr Einzug in die Stichwahl am 28. April wäre wohl eine faustdicke Überraschung. Der prognostizierte "Vierkampf" um den Bürgermeistersessel setzt jedenfalls der Fantasie keine Grenzen. Willi, Lassenberger, Tursky, Anzengruber - jede Zweier-Stichwahl-Konstellation ist trotz aller Gerüchte und scheinbaren Gewissheiten möglich, nix is fix. Der Innsbrucker Urnengang als Blick in die sprichwörtliche Glaskugel.

Wirklich valide Umfragen waren bisher rar gesät bis gar nicht vorhanden. Zuletzt warteten die "Tiroler Bezirksblätter" mit einer Umfrage auf, für die sie das Meinungsforschungsinstitut GMK (Gesellschaft für Marketing und Kommunikation) beauftragten. In der Listenwahl sah die Umfrage, die eine Schwankungsbreite von plus/minus 4,5 Prozent aufwies und bei der 600 Wahlberechtigte gefragt wurden, die FPÖ vor den Grünen, das Tursky-Bündnis "das Neue Innsbruck" hingegen abgeschlagen. Bezogen auf die Bürgermeisterdirektwahl wurde gefragt, wer wohl die besten Chancen auf die Stichwahl habe. Dabei lag Willi klar vorne, mit Respektabstand dahinter Anzengruber.

Doch es bleibt dabei: Genaueres weiß man nicht. Und so hantieren die zunehmend nervös und hektisch der Ziellinie entgegen hechelnden Proponenten mit parteiinternen Umfragen, um sich entsprechend zu positionieren und dem Wahlkampf strategisch einen für sie günstigen "Spin" zu geben.

So etwa die Grünen. Bürgermeister Willi steht enorm unter Druck. Sechs Jahre nach dem Coup gegen seine Konkurrentin, Ex-"Für Innsbruck"-Stadtchefin Christine Oppitz-Plörer - bei dem er der Öko-Partei den ersten Chefsessel in einer Landeshauptstadt sicherte - und einer doch chaotischen Amtszeit voller Streit kämpft er gegen die drohende Abwahl. Zuletzt packten Willi und die Seinen eine Umfrage aus, die die FPÖ bei der Gemeinderatswahl und Vizebürgermeister Lassenberger bei der Stichwahl in Front sah. Prompt wurde einmal mehr die Duell-Situation mit der FPÖ beschworen, vor einem freiheitlichen Bürgermeister gewarnt und das blau-schwarze bzw. schwarz-blaue Schreckgespenst an die Wand gemalt. Er, Willi, sei der Garant gegen all dies. Das Grünen-Urgestein muss dringend mobilisieren, es gilt vor allem den drohenden Abfluss vieler gewonnener bürgerlicher Wähler aus der Wahl 2018 zu stoppen. Gleichzeitig propagierte er im APA-Interview eine "Mitte-Links"-Fortschrittskoalition unter seiner Führung mit einer De facto-Absage an Tursky.

Siegesgewiss geben sich - auch aufgrund bundespolitischen Rückenwinds - die Freiheitlichen. Auch sie setzten bisher auf Polarisierung und das "Duell" mit Willi, warben um bürgerliche Wähler und stellten bereits eine "bürgerliche Koalition" unter blauer Führung mit entsprechender Gemeinderats- und Stadtsenatsmehrheit in Aussicht. Für Aufsehen sorgte Bürgermeisterkandidat und Polizist Lassenberger mit seiner, im APA-Interview getätigten, Ankündigung eines "Migranten-Stopps" für den Fall seiner Wahl zum Stadtchef der Tiroler Landeshauptstadt.

Geschäftiges (mediales) Treiben herrscht im bürgerlichen Tursky-Bündnis "das Neue Innsbruck", zu dem auch die ÖVP gehört. Der Ex-Staatssekretär inszeniert sich als "Macher mit Visionen", und plakatmäßig als "Der Richtige" für Innsbruck. Er sei der Einzige, der Willi in der Stichwahl schlagen könne, trommelt Tursky unentwegt. Deshalb solle man gleich ihn wählen. Der 35-Jährige propagiert eine "Dreierkoalition" nach der Wahl. Wahlgekämpft wird mit der geballten schwarzen Ressourcen-Power - und Tursky hat die größte Wahlkampf-"Kriegskasse": Rund 700.000 Euro.

Doch seine Achillesferse blieb über den bisherigen gesamten Wahlkampf über: Johannes Anzengruber. Der im Unfrieden von der ÖVP geschiedene Ex-Vizebürgermeister, der nun mit "JA - Jetzt Innsbruck", antritt, grast wohl im selben, in Innsbruck immer noch großen bürgerlichen Wählerteich - und könnte seine ursprüngliche politische Heimat sowohl in Listen- als auch Direktwahl nach unten drücken. Der frühere Almwirt ist im Stadtbild omnipräsent, gibt den "Lonesome Cowboy" bzw."Fighter wider die Parteiapparate und weist tief im bürgerlichen Segment verhaftete Mitstreiter auf.

Die SPÖ setzt auf die Strahlkraft der 40-jährigen Stadträtin Elisabeth Mayr, unter anderem für Bildung und Kinderbetreuung zuständig. Die rote Frontfrau wird mittlerweile ziemlich offensiv plakatiert, besonders mit dem Slogan "Bürgermeisterin steht Innsbruck besser". Die in der Partei eher links angesiedelte Babler-Unterstützerin setzt unter anderem auf das Dauerthema Leistbares Wohnen. Generell gelten wohl vor allem enttäuschte Grün- bzw. Willi-Wähler als rotes Hoffnungsgebiet. Trotz dem Schielen auf eine Direktwahl-Überraschung gilt es für Rot vor allem als Partei vom "Keller" der lediglich 10,32 Prozent aus dem letzten Urnengang emporzusteigen.

Für die restlichen acht Listen bzw. Parteien heißt die große Herausforderung zunächst vor allem: Vier Prozent-Hürde. Diese wurde nämlich für den Gemeinderatseinzug eingezogen und gilt heuer zum ersten Mal. Die Spreu dürfte sich hier vom Weizen trennen. Sehr gute Chance, die Hürde zu überspringen, hat wohl die landesweit etablierte Liste Fritz. 2018 war sie nur bei 3,23 Prozent und einem Mandat zu liegen gekommen. Doch diesmal stieg Landesobfrau Andrea Haselwanter-Schneider als Bürgermeisterkandidatin in den Ring. Es sollte für ein Stimmen-Plus bei der Listenwahl und zumindest ein Achtungsergebnis bei der Bürgermeisterdirektwahl reichen.

Ein Kampf ums Überleben dürfte es für die NEOS werden, die mit Ex-Nationalrätin und Gemeinderätin Julia Seidl antreten. Auf 4,73 Prozent und zwei Mandate kam man 2018. Urban bedeutet eigentlich pinkes Hoheitsgebiet, doch die Konkurrenz in Tirols Landeshauptstadt im Mitte-Links-Spektrum ist groß und etabliert. Eine Zitterpartie.

Selbiges dürfte es auch - und das ist aus Kommunisten-Sicht eine positive Überraschung - für die KPÖ werden. Jahrzehntelang nicht mehr im Gemeinderat vertreten, hat die Partei offenbar diesmal Chancen, mit Spitzenkandidatin Pia Tomedi im Sog der Salzburger Wahlerfolge in das Stadtparlament zu kommen. Umfragedaten geben dies da und dort her. Aber auch hier gilt: Abgerechnet wird am Wahltag.

Ebenfalls zittern müssen die im Gemeinderat mit derzeit jeweils einem Mandatar vertretene linke "Alternative Liste Innsbruck" (ALI) sowie das im politischen Spektrum Mitte-Rechts angesiedelte "Gerechte Innsbruck". Vergleichsweise weniger Hoffnung besteht wohl für die Liste von Ex-SPÖ-Klubobmann Helmut Buchacher, "DU - Die Unabhängigen", sowie die bisher ebenfalls nicht im Gemeinderat platzierten Listen "Einig Innsbruck" (EINIG) sowie "TUN". Gemein ist allen 13 hingegen eines: Sie haben jeweils einen Bürgermeisterkandidaten bzw. Bürgermeisterkandidatin.

Neben all den Ränkespielen, Macht-Ansagen, Duell-Ausrufungen und ideologischen Auseinandersetzungen, kam die rein kommunal-sachpolitische Auseinandersetzung indes bisher zwar nicht überbordend zur Geltung, aber doch. Die, teils grob differierenden, Konzepte zum Leistbaren Wohnen bzw. zur Wohnpolitik zuallervorderst, jene zur Verkehrspolitik in allen Facetten, Fragen der Stadtplanung und Stadtgestaltung, zu Tourismus und Wirtschaftsstandort oder auch zu Sicherheit und Migration.

Noch sieben Tage bis zu einer der spannendsten und am wenigsten prognostizierbaren Innsbrucker Gemeinderatswahlen aller Zeiten. Dann spricht der Souverän. Und das hoffentlich in größerer Zahl als bei der letzten Wahl im Jahr 2018 mit lediglich 50,38 Prozent Beteiligung.

ribbon Zusammenfassung
  • Innsbrucks Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen am 14. April stehen bevor, eine Stichwahl könnte am 28. April folgen.
  • Vier Hauptkandidaten kämpfen um den Bürgermeistersessel: Georg Willi (Grüne), Markus Lassenberger (FPÖ), Florian Tursky (ÖVP) und Johannes Anzengruber ('JA - Jetzt Innsbruck').
  • Eine Umfrage der 'Tiroler Bezirksblätter' sieht FPÖ vor Grünen in der Listenwahl, Bürgermeister Willi führt bei den Bürgermeisterkandidaten.
  • Alle 13 Parteien und Listen müssen die neue Vier-Prozent-Hürde für den Einzug in den Gemeinderat überwinden.
  • Das Wahlkampfbudget des Tursky-Bündnisses 'das Neue Innsbruck' beläuft sich auf rund 700.000 Euro.

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