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Impfdebatte spaltet auch die Arbeitswelt

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Wenn der Ungeimpfte mal wieder in Quarantäne muss, müssen Geimpfte einspringen. Mehr Arbeit, Überstunden, Sonderschichten sind die Folge. Wie diese "Ungerechtigkeit" überwunden werden soll.

Die Gesellschaft ist gespalten, liest man oft. Ungeimpfte werden benachteiligt, skandiert manch Demonstrant laut. Dass Geimpfte wegen der Impfunwilligen in vielen Bereichen mehr leisten müssen, wird oft vergessen. 

Dabei ist das "natürlich ein Phänomen [...] und eine Katastrophe", wie Roland Gerlach, Rechtsanwalt für Arbeitsrecht, im PULS 24 Interview sagt. Er berichtet von Betriebsräten, die innerhalb der Firmen protestieren, weil die Mehrarbeit nicht zu bewältigen sei, von Überstunden und Sonderschichten. Denn Geimpfte und Genesene zählen nicht mehr als Kontaktperson der Kategorie 1 (K1) und müssen daher arbeiten gehen, selbst wenn sie Kontakt zu infizierten hatten. Ungeimpfte hingegen werden behördlich abgesondert und haben dabei Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Das führe vor allem im Versand, in der Produktion, aber auch in der Gastronomie zu Personalmangel, sagt Gerlach.

Geimpfte zählen nicht mehr als K1

Betroffen sind vor allem jene Branchen, in welchen Arbeit nicht aufgeschoben werden kann oder es sowieso Personalmangel gibt, bestätigt man auch bei der Gewerkschaft GPA. Das sei etwa in Kindergärten, in der Pflege und allgemein im Sozialbereich der Fall. Wobei die Gewerkschaft betont, dass es auch durch Betreuungspflichten und Krankenstände momentan zu vielen Ausfällen kommt. Stand Mittwoch waren in Österreich laut Gesundheitsministerium 174.938 K1- und 40.449 K2-Personen gemeldet. Wie vielen K1-Personen Entgelt bezahlt wird, ist nicht bekannt.

Geregelt ist das Ganze im Dokument zur "Behördlichen Vorgangsweise bei SARS-CoV-2-Kontaktpersonen" des Gesundheitsministeriums. "Geimpfte und genesene Personen haben aufgrund der aufgebauten Immunität innerhalb bestimmter Zeiträume ein verringertes Risiko, sich mit dem Virus anzustecken. Nicht geimpfte und nicht genesene Personen verfügen über keine solche Immunität. Aus diesem Grund wird in den nationalen Vorgaben anhand des Genesungs- und Impfstatus unterschieden", argumentiert man im Büro des Gesundheitsministers.

"Rechtlich ist es für K1-Personen eben kein Recht, sondern eine Pflicht, zuhause zu bleiben", sagt auch Roland Gerlach. Selbst wenn es ungerecht ist, rechtlich wird das halten. "Das liegt im Ermessensspielraum des Gesetzgebers", würde auch der Verfassungsgerichtshof sagen, ist sich der Anwalt sicher. 

Die Möglichkeiten für Arbeitgeber

Nun gibt es mehrere Möglichkeiten: Der Arbeitgeber kann sagen, auch geimpfte Kontaktpersonen sind zu unsicher und dürfen nicht zur Arbeit kommen. Ist Homeoffice nicht möglich, müsste er dann aber das Gehalt weiterzahlen, ohne es von der Behörde erstattet zu bekommen. Geht es um einen Risikopatienten, wird man sich aber krankschreiben lassen können, sagt Gerlach. 

Die zweite Möglichkeit, Ungeimpften ihr Gehalt nicht weiterzahlen, wenn sie ausfallen, gibt das österreichische Arbeitsrecht derzeit nicht her, sagt der Arbeitsrechtexperte. Nur in besonderen Konstellationen - etwa im Gesundheitsbereich, wenn durch Ausfälle Ungeimpfter kritische Infrastruktur fehlt, wäre das eventuell möglich. Das müsste erst ausjudiziert werden.

Wo "die Daumenschrauben" bereits angesetzt werden", wie Gerlach sagt, ist die Provision. Wenn etwa Angestellte im Vertrieb beruflich Gasthäuser, Krankenhäuser oder ähnliches besuchen müssten, das aber nicht tun können weil sie eben nicht geimpft sind, wird ihnen die Provision, die in diesen Berufen einen großen Teil des Einkommens ausmacht, gestrichen. Klagen dagegen sind dem Anwalt noch nicht bekannt. Rechtlich sei das argumentierbar, sagt Gerlach: Die Impfung sei wissenschaftlich anerkannt und im Zivilrecht gibt es den Begriff der "Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten", auf den sich der Arbeitgeber berufen könnte.

Auch ein Krankenstand, der "grob fahrlässig" verursacht worden ist, muss vom Arbeitgeber nicht bezahlt werden. Da gibt es also noch Spielraum. Arbeitgeber könnten auch jetzt schon von sich aus eine 2G-Pflicht am Arbeitsplatz einführen. Kann oder will ein Arbeitnehmer den Nachweis nicht erbringen, könnte das sogar ein Kündigungsgrund sein. 

Außerdem: Geimpfte Arbeitnehmer können sich ab einem gewissen Ausmaß auch gegen Überstunden und Sonderschichten wehren.

NEOS fordern Regeln wie in Deutschland

In Deutschland hat sich das Problem zu einem gewissen Grad erübrigt: Seit 1. November wird dort ungeimpften Arbeitsnehmern - ausgenommen sind Beamte - in Quarantäne kein Lohn mehr gezahlt. In Österreich sind die NEOS die einzigen, die das derzeit fordern. "Man muss sich überlegen, welche Signale man senden will", sagt Gesundheitssprecher Gerald Loacker zu PULS 24 und fordert eine Gesetzesänderung wie in Deutschland.

Spätestens mit der Impfpflicht - die die Regierung für 1. Februar angekündigt hat - sollte die Kontrolle der Ungeimpften aber die Aufgabe des Staates und nicht der Unternehmen sein, so Loacker. So müssten ja auch Pensionisten, Selbstständige und Studierende erfasst werden. Das können Unternehmen nicht.

Schon im Oktober sagte NEOS-Gesundheitssprecher Loacker, dass man sich Regeln am Arbeitsplatz mit einer höheren Impfrate sparen hätte können.

Der Idee, dass für Ungeimpfte mehr Sozialbeiträge bezahlt werden müssen, erteilt Locker eine Absage: Das sei für die Unternehmen zu viel administrativer Aufwand. Auch, dass Impfunwillige das Spital selbst zahlen müssen "geht nicht", sagt Loacker. Ab 1. Februar müsse der Staat Melde- und Impfregister abgleichen, Impftermine verschicken, die Einhaltung kontrollieren und schließlich Strafen verhängen. Seine Befürchtung: Das kann bis Juni 2022 dauern. 

Ungerechtigkeit auch für geimpfte Schwangere?

Der Gesundheitssprecher der NEOS fordert außerdem, dass der Anspruch aus Sonderfreistellung für ungeimpfte Schwangere ab der 14. Schwangerschaftswoche abgeschafft wird. "Die Regelung hätte nicht verlängert werden dürfen", sagt er. Das sei nicht fair und sende falsche Signale. "Die derzeit geltende Regelung in Zusammenhang mit Schwangeren gilt bis Jahresende und wird derzeit evaluiert", heißt es dazu aus dem Arbeitsministerium.

Absagen für seine Vorschläge erhält Locker von der Gewerkschaft: Auch wenn man "natürlich" dafür sei, dass Arbeitnehmer impfen gehen, sollte Ungeimpften in Quarantäne der Lohn weiterbezahlt werden: "Stellen Sie sich vor, jemand wird bei der Arbeit K1 und muss deswegen dann unbezahlt nach Hause, weil der Arbeitgeber nicht für ausreichende Schutzmaßnahmen gesorgt hat", heißt es seitens der GPA. Auch Schwangere sollten weiter freigestellt werden - das sollte laut Gewerkschaft auch auf geimpfte ausgedehnt werden: "Momentan werden aber geimpfte Schwangere nicht freigestellt. Das ist unfair". 

ribbon Zusammenfassung
  • Wenn der Ungeimpfte mal wieder in Quarantäne muss, müssen Geimpfte einspringen. Mehr Arbeit, Überstunden, Sonderschichten sind die Folge. Wie diese "Ungerechtigkeit" überwunden werden soll.