APA/GEORG HOCHMUTH

Glaube für Grünwidl "immer politisch"

Heute, 04:03 · Lesedauer 6 min

Wiens ernannter Erzbischof, Josef Grünwidl, sieht für die römisch-katholische Kirche auch immer einen politischen Auftrag - wenn auch keinen parteipolitischen. Der bis zu seiner Weihe im Jänner noch als diözesaner Administrator agierende Geistliche warnte im APA-Interview auch vor der Selbstinszenierung mancher Politiker als "Heilsbringer". Die Ernennung eines Kardinals wäre aus österreichischer Sicht wünschenswert. Änderungen beim Zölibat hält er langfristig für möglich.

"Glaube oder Religion wird immer politisch sein", meint Grünwidl, da er etwas mit Wertehaltungen und Lebensformen zu tun habe. Allerdings: "Parteipolitik ist nicht Sache der Kirche." In dem Zusammenhang "bedenklich" findet der designierte Erzbischof, dass sich derzeit Politiker, wie etwa US-Präsident Donald Trump, "als Erlöser, als Messias stilisieren und verehren lassen. Als seien Sie die neuen Heilsbringer". Dies sei eine "gefährliche und sehr bedenkliche Ethik".

Grünwidl schließt sich daher der Kritik von Salzburgs Erzbischof Franz Lackner an FPÖ-Chef Herbert Kickl an, der in einer Parteitagsrede mit religiösen Anspielungen nicht gespart hatte. Wo das Evangelium oder andere christliche Symbole dafür verwendet werden, um zu polarisieren oder zu spalten, werde das Christentum und religiöse Zeichen missbraucht. "Wenn das Kreuz dafür verwendet wird, um Spaltung in die Gesellschaft zu bringen, da ist eine Grenze überschritten."

Der designierte Erzbischof weist auch auf die jüngsten Erklärungen der Bischofskonferenz zum Sozialstaat hin. So wehrt sich das Episkopat dagegen, dass Solidarität und karitatives Engagement sowie Hilfsorganisationen lächerlich gemacht würden. Zudem dürfe eine Budgetkonsolidierung nicht auf Kosten der Armen und Schwachen gehen, findet auch der ernannte Wiener Erzbischof. "Sonst ist es ein Budget, das auf lange Sicht große soziale Spannungen verursacht. Die Spannungen werden noch größer, die Armut wird größer statt kleiner und das wird große Probleme zur Folge haben."

Selbstbeschäftigung "Gefahr"

Als künftiger Erzbischof steht Grünwidl aber auch kirchenintern vor großen Herausforderungen. Personalnot und Priestermangel haben etwa zu Pfarrzusammenlegungen geführt. Ein Ende dieses Prozesses sei nun absehbar, macht der künftige Erzbischof Hoffnung. "Wir sind da in der Erzdiözese Wien jetzt einigermaßen in der Zielgeraden." Auch allgemein sieht Grünwidl eine Gefahr darin, dass sich die Kirche zu viel mit Strukturfragen und sich selbst beschäftigt. "Das ist schon eine Gefahr, die es immer gibt."

Was Grünwidl einem jungen Mann raten würde, der sich nicht zwischen Priestertum und Ehe entscheiden kann? "Ich würde ihm sagen, dass das in unserer Kirche zurzeit nicht möglich ist, beide Wege zu gehen. Er soll das noch einmal gut überlegen und prüfen, ob er auch unter den Bedingungen, die zurzeit in unserer Kirche gelten, bereit wäre, diesen Schritt zu tun." Weiter kann sich Grünwidl aber vorstellen, dass sich dies langfristig ändern könnte und dass die Berufung zum Priester und die zum ehelosen Leben "entkoppelt werden".

Reformen nicht ohne Bischof

Dass Grünwidl offen für Veränderung ist, beweist seine einstige Mitgliedschaft in der Pfarrerinitiative. "Ich war auch einmal jung und hatte eine Sturm-und-Drang-Phase." Als neu eingesetzter Pfarrer sei er nahe bei den Menschen gewesen. "Und ich habe dort auch viele Menschen kennengelernt, die unter den geltenden Regelungen der Kirche gelitten haben." Als allerdings der "Aufruf zum Ungehorsam" kam, habe Grünwidl sich "ein bisschen schwer getan". Denn auch Reformen und Veränderung würden ohne Bischof nicht gehen.

Auch Kardinal Schönborn habe er damals gesagt, "ich bin einer, der mit kritischem Gehorsam mit ihm gehen möchte". Und auch sonst habe er immer versucht, dem Kardinal offen seine Meinung zu sagen. "Dass wir ehrlich miteinander reden oder, wie es so schön heißt im Jüdischen, Tacheles reden. Ich glaube, das ist ein Thema, das wir in der Kirche lernen müssen". Auch in seiner kurzen Zeit als Administrator habe er gemerkt, dass es schwierig sei, "in so einer Position Menschen zu finden, die wirklich ehrlich sagen, was sie sich denken".

Mehr Kooperation mit Orden

Einblick in die Arbeit der Priester hat Grünwidl auch als ehemaliger geschäftsführender Vorsitzender des Priesterrats. Eine dort präsentierte Studie habe im Grunde eine hohe Berufszufriedenheit belegt. Dennoch tue sich ein knappes Viertel schwer mit der Aufgabe, manche seien überfordert oder hätten andere Probleme. "Ich denke, da kommen sicher auch bei dem einen oder anderen Zölibatsprobleme dazu", so Grünwidl. Wichtig für seine neue Aufgabe sei nun, besonders auf jene Priester zu schauen, die in leitenden Funktionen tätig sind.

Auch eine engere Zusammenarbeit mit den Ordensgemeinschaften ist Grünwidl wichtig, die ja kirchenrechtlich unabhängig von den Diözesen sind. So ist ein Treffen mit dem neuen Vorsitzteam bei der kommenden Frühjahrsvollversammlung der Bischofskonferenz geplant. "Es gibt so viele Schnittpunkte der Zusammenarbeit, es gibt so viele Fragen und auch manchmal Probleme, die uns beide betreffen, dass es sicher notwendig und sinnvoll ist, da auch verstärkt zusammenzuarbeiten und miteinander ins Gespräch zu kommen."

Kein Vorsitzwechsel bei Bischofskonferenz

Dass Grünwidl selbst zum Kardinal ernannt werden könnte, sieht dieser derzeit nicht als realistisch. "Bei Kardinal Schönborn hat es drei Jahre gedauert. Und ich bin sehr froh und dankbar, wenn ich jetzt einmal Zeit habe, als Erzbischof in diesem Amt gut anzukommen." Grundsätzlich wäre eine Stimme aus Österreich bei einer Papstwahl aber wünschenswert: "Aus österreichischer Perspektive hätte das wahrscheinlich Sinn." Papst Franziskus habe hier aber ganz bewusst eine andere Linie eingeschlagen und Kardinäle aus dem globalen Süden ernannt. "Ob Papst Leo diese Linie weiterführt, oder ob er auch die Europäische Kirche wieder stärkt und stärker ins Boot des Kardinalskollegiums holt, wird sich herausstellen. Das kann man, glaube ich, noch nicht sagen", so Grünwidl.

Auch weitere Aufgaben, wie den Vorsitz der Bischofskonferenz, strebt Grünwidl derzeit nicht an. Auch dazu meint er: "Ich werde im Jänner zum Bischof geweiht und im März wird gewählt. Ich stehe also zwei Monate nach meiner Bischofsfeier als Vorsitzender nicht zur Verfügung. Ich finde, Erzbischof Lackner macht das sehr gut." Dessen Amtszeit als Vorsitzender läuft spätestens Sommer 2026 ab. In einer weiteren würde er allerdings die Bischofs-Altersgrenze von 75 Jahren erreichen.

Vorbereitung im Stift Göttweig

Vorerst steht die Bischofsweihe Grünwidls am 24. Jänner an. "Es ist einfach ein großer Respekt vor dieser Aufgabe und vor der Verantwortung, die man übernimmt", blickt er der Feier entgegen. Er selbst will sich davor "noch einmal zurückziehen zu Exerzitien, zu Tagen der Stille und auch der geistlichen Vorbereitung auf diese Aufgabe". Als Ort hat er sich dafür das Benediktinerstift Göttweig in der Wachau ausgesucht.

Zusammenfassung
  • Josef Grünwidl, der am 24. Jänner zum Erzbischof von Wien geweiht wird, sieht den Glauben stets als politisch, aber nicht als parteipolitisch motiviert.
  • Er warnt davor, dass Politiker wie Donald Trump oder FPÖ-Chef Herbert Kickl religiöse Symbole und das Christentum zur Spaltung der Gesellschaft missbrauchen.
  • Die Bischofskonferenz und Grünwidl sprechen sich klar gegen Einsparungen im Sozialstaat zu Lasten der Armen und Schwachen aus.
  • In der Erzdiözese Wien stehen die Pfarrzusammenlegungen aufgrund von Priestermangel kurz vor dem Abschluss, was Grünwidl als Hoffnungsschimmer bewertet.
  • Langfristige Änderungen beim Zölibat hält Grünwidl für möglich, betont aber aktuell die Unvereinbarkeit von Ehe und Priestertum in der katholischen Kirche.