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Getreideabkommen als "Hoffnungsschimmer"

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Nur eine Handvoll Schiffe verlassen täglich die ukrainischen Schwarzmeerhäfen, aber sie haben große Wirkung: Seit August sind über das UNO-Getreideabkommen 24,1 Millionen Tonnen Agrargüter exportiert worden, um die vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verursachte weltweite Nahrungsmittelknappheit zu lindern. Die größten Abnehmer finden sich dabei nicht im globalen Süden: Zwei Drittel der Exporte gingen bisher an China, Spanien, die Türkei, Italien und die Niederlande.

Mit 5,2 Millionen Tonnen ist aktuell China der größte Profiteur des Abkommens. So nahmen die drei Schiffe, die vergangenen Freitag im Rahmen der UNO-Initiative ausliefen, allesamt Kurs auf chinesische Häfen. Sie hatten 134.000 Tonnen Mais und Gerste geladen. Etwa 100 Güterzüge wären nötig, um dieselbe Menge Getreide per Bahn zu transportieren.

4,1 Millionen Tonnen Agrargüter gingen bisher nach Spanien, gefolgt von der Türkei (2,7 Millionen), Italien (1,8 Millionen) und den Niederlanden (1,5 Millionen). Erst an sechster Stelle folgt mit Ägypten (850.000 Tonnen) eines der besonders von ukrainischem Getreide abhängigen Länder. Die Länderliste sagt aber nur bedingt etwas über die Endverbraucher aus. So liegen etwa die Niederlande deshalb so weit vorne, weil sie mit Rotterdam einen der weltweit größten Häfen beherbergen.

Das Abkommen ist einer der wenigen Lichtblicke im Krieg und geht auf eine Initiative von UNO-Generalsekretär António Guterres zurück. Dieser hatte dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Kreml-Chef Wladimir Putin Ende April 2022 eine entsprechende Vereinbarung vorgeschlagen. Später schaltete sich auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan als Vermittler ein. In den zähen Verhandlungen ging es vor allem um Sicherheitsbedenken Russlands, das eine Stärkung der Ukraine verhindern wollte. Am 22. Juli wurde das Abkommen in Istanbul im Beisein von Guterres, Erdogans, des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu und des ukrainischen Infrastrukturministers Olexander Kubrakow unterzeichnet.

Das Abkommen ermöglicht Exporte aus den ukrainischen Häfen Odessa, Tschornomorsk und Juschny (Piwdennyj). Dreh- und Angelpunkt der Vereinbarung ist ein von den vier Vertragsparteien betriebenes Gemeinsames Koordinationszentrum (JCC) in Istanbul, das die Schiffsbewegungen überwacht. Schiffe werden nämlich nur durchgelassen, wenn ihre Ladung von Inspektoren der Vereinten Nationen, der Türkei, der Ukraine und Russlands überprüft wurde. Wie es im Jänner von den Vereinten Nationen hieß, dauert es durchschnittlich drei Wochen vom Exportantrag bis zur Inspektion.

Das Koordinationszentrum nahm am 27. Juli seine Arbeit auf. Am 1. August verließ das erste Schiff mit 26.000 Tonnen Getreide an Bord den Hafen Odessa in Richtung Ägypten. Monatlich werden rund 100 Schiffstransporte abgewickelt. Das 807. Schiff lief am Montag in Odessa aus, um 66.000 Tonnen Mais nach Spanien zu bringen. Von der bisherigen Tonnage entfiel 49 Prozent auf Mais, 27 Prozent auf Getreide und zehn Prozent auf Sonnenblumenderivate. Neben ukrainischen Agrargütern werden auch russische Düngemittel im Rahmen der Vereinbarung exportiert.

Guterres hatte das Abkommen bei der Unterzeichnung am 27. Juli in Istanbul als in der heutigen Welt dringend benötigten "Hoffnungsschimmer" gewürdigt. Zunächst auf 120 Tage befristet, wurde es im November um eine zweite identische Laufzeit verlängert. Damit wäre das Abkommen am 19. März ausgelaufen. Russland stimmte aber am Montagabend einer Verlängerung zu, nachdem sich Guterres in der vergangenen Woche bei einem Kiew-Besuch Grünes Licht für eine Fortsetzung des Deals geholt hatte. Um die russischen Bedenken auszuräumen, hatte die UNO-Spitzendiplomatin Rebeca Grynspan am Montag in Genf Verhandlungen mit Kreml-Vertretern aufgenommen.

Das Abkommen soll nur für 60 weitere Tage gelten. Russland drängt auf Erleichterungen für seine Düngemittelexporte, die es durch die westlichen Sanktionen behindert sieht. Die Zustimmung zu einer weiteren Verlängerung macht Moskau von Fortschritten bei diesen Exportgeschäften abhängig. Russland fordert, dass Bankzahlungen, Transportlogistik und Versicherungen erleichtert werden sowie die russische Pipeline für Ammoniak, die durch die Ukraine führt, wiederöffnet wird. Seit dem russischen Angriff auf das Nachbarland im Februar 2022 ist sie nicht mehr in Betrieb.

Die fragile Struktur des Abkommens zeigt sich darin, dass innerhalb der UNO zwei Stellen für die Abwicklung der Exporte zuständig sind. Während die russischen Düngemittelexporte in die Zuständigkeit Grynspans als Generalsekretärin der UNO-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) fallen, koordiniert der Chef des UNO-Nothilfebüros OCHA, Martin Griffiths, die ukrainischen Getreideexporte.

ribbon Zusammenfassung
  • Mit 5,2 Millionen Tonnen ist aktuell China der größte Profiteur des Abkommens.
  • Damit wäre das Abkommen am 19. März ausgelaufen.

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