Gaza-Krieg
Trotz breiter Kritik: Netanyahu will Gaza-Stadt einnehmen
Die in der Nacht auf Freitag vom Sicherheitskabinett gebilligten Pläne seien "der beste Weg, um den Krieg (im Gazastreifen) zu beenden, und der beste Weg, ihn schnell zu beenden", sagte Netanyahu am Sonntag vor Journalisten.
Israel werde "sichere Korridore" für die "Lieferung und Verteilung von Hilfsgütern" in das Palästinensergebiet ermöglichen, kündigte Netanyahu an. Sein Land habe nicht vor, den Gazastreifen zu besetzen, betonte er erneut.
"Unser Ziel ist es nicht, Gaza zu besetzen, sondern eine zivile Verwaltung in dem Küstenstreifen zu etablieren, die nicht mit der Hamas oder der palästinensischen Autonomiebehörde in Verbindung steht."
"Kreative Pläne" zur Befreiung der Geiseln
Netanyahu erklärte mit Blick auf die Hamas, Israel habe keine andere Wahl, als "die Arbeit zu Ende zu bringen". Er begründete dies damit, dass sich die radikal-islamische Gruppierung weigere, die Waffen niederzulegen.
Die neuen Pläne für eine Offensive zielten auf die beiden Hochburgen der Hamas ab, die sie noch im Gazastreifen habe. Zudem würden "kreative Pläne" erörtert, um die israelischen Geiseln zu befreien. Der Regierungschef versicherte, er wolle den Krieg nicht in die Länge ziehen.
Zuvor war Netanyahu auch innenpolitisch verstärkt unter Druck geraten. Während seine ultrarechten Koalitionspartner ihm vorwarfen, nur "halbherzig" gegen die Hamas vorzugehen, gingen zehntausende Menschen gegen die Regierungspläne auf die Straße.
Die Demonstrierenden in Israel forderten Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Freilassung der in dem Palästinensergebiet festgehaltenen Geiseln.
Beschluss sorgt für Widerstand
Die geplante Einnahme der Stadt Gaza - der größten Stadt des Palästinensergebiets - sorgt in Israel und international für scharfe Kritik. Nicht nur wird befürchtet, dass sich die bereits katastrophale Lage der Palästinenser im Gazastreifen weiter verschlimmert.
Die Angehörigen der von der Hamas und ihren Verbündeten festgehaltenen Geiseln befürchten, dass die Geiseln nun getötet werden könnten.
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Die Sitzung des Sicherheitsrats am Sonntag war von mehreren der 15 Mitgliedstaaten des mächtigsten UNO-Gremiums beantragt worden. UNO-Generalsekretär António Guterres hatte sich "zutiefst alarmiert" über die israelischen Pläne gezeigt. Auch Österreich, Deutschland und viele weitere Staaten kritisierten die Entscheidung.
Israel kontrolliert derzeit nach eigenen Angaben rund 75 Prozent des Küstengebiets, in dem etwa zwei Millionen Palästinenser leben. Anfang der Woche hatten israelische Medien noch über eine komplette Einnahme des Gazastreifens spekuliert.
Der am Freitag gebilligte Plan geht vorerst jedoch nicht so weit, Netanyahu unterstrich nach der Kabinettsitzung in Onlinediensten: "Wir werden Gaza nicht besetzen - wir werden Gaza von der Hamas befreien."
Smotrich kritisiert Netanyahu
Finanzminister Bezalel Smotrich warf Netanyahu und dem Sicherheitskabinett nun vor, sich "der Schwäche gebeugt" zu haben. Das Ziel des beschlossenen Plans sei "nicht ein entscheidender Sieg, sondern vielmehr, begrenzten Druck auf die Hamas auszuüben, um ein teilweises Geisel-Abkommen zu erreichen", sagte der rechtsextreme Politiker in einem am Samstagabend veröffentlichten Video.
Dem fügte er hinzu: "Ich will ganz Gaza, Umsiedlung und Kolonisierung."
Netanyahus rechtsextreme Koalitionspartner, auf deren Stimmen der Likud-Politiker zum Zusammenhalt seiner rechtsreligiösen Koalition angewiesen ist, wollen den Krieg im Gazastreifen weiterführen, weil sie dessen erneute Besetzung durch Israel anstreben.
Die verzweifelten Geisel-Familien dringen hingegen auf ein Waffenruhe-Abkommen mit der Hamas, damit ihre Angehörigen endlich nach Hause kommen.
Abbas: "Neues Verbrechen"
Heftige Kritik an den Plänen kam auch von der Palästinensischen Autonomiebehörde. Laut der palästinensischen Nachrichtenagentur WAFA bezeichnete Palästinenserpräsident Mahmud Abbas den Plan als "neues Verbrechen". Er betonte "die dringende Notwendigkeit, Maßnahmen zu ergreifen, um ihn sofort zu stoppen".
Für viele westliche Regierungen sind Abbas und die Autonomiebehörde wichtige Ansprechpartner. Sie stehen in einem rivalisierenden Verhältnis zur im Gazastreifen ansässigen Hamas, die mit ihrem beispiellosen Großangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 den Krieg in dem Palästinensergebiet ausgelöst hatte.
Zusammenfassung
- Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hält an den Plänen zur Einnahme der Stadt Gaza fest.
- Das Vorhaben stößt international und auch innerhalb Israels auf scharfe Kritik.
- Für Sonntag ist eine Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrats geplant.