Französischer Verteidigungsminister zum Premier ernannt
Die bisherige Regierung bleibt bis dahin geschäftsführend im Amt. Damit ignorierte Macron erneut Forderungen des linksgrünen Lagers, das bei der Parlamentswahl 2024 als Wahlbündnis auf Platz eins gelandet war, jemanden aus ihren Reihen zum Regierungschef zu ernennen. Sozialistenchef Olivier Faure hatte sich vergeblich für den Posten angeboten.
Die rechtspopulistische Fraktionschefin Marine Le Pen warf Macron vor, seine "letzte Patrone" abzufeuern. Sie gehe davon aus, dass es Neuwahlen gebe und der Premierminister anschließend der rechtspopulistische Parteichef Jordan Bardella sein werde. Grünen-Chefin Marine Tondelier nannte die Ernennung eines weiteren Premierministers aus dem Regierungslager eine "Provokation".
Lecornu ist ein enger Wegbegleiter Macrons, der sich mit der Organisation landesweiter Debatten zur Beilegung der Gelbwesten-Proteste 2019 einen Namen gemacht hatte. Diese Erfahrung könnte ihm bei den bevorstehenden Protesten gegen die Regierung nützlich sein. Er ist zudem der einzige Minister, der schon seit 2017 ohne Pause in der Regierung ist. Als Verteidigungsminister hat er in den vergangenen Jahren deutlich an Statur gewonnen, nicht zuletzt wegen des Ukraine-Kriegs und seiner engen Zusammenarbeit mit Deutschland.
Am Vorabend hatte der bisherige Premierminister François Bayrou eine von ihm selbst eingeleitete Vertrauensabstimmung verloren. Es war das erste Mal, dass eine französische Regierung nach einer Vertrauensfrage stürzte, die der Premierminister selbst gestellt hatte. Hintergrund war ein Streit über von Bayrou geplante Sparmaßnahmen in Höhe von 44 Milliarden Euro.
Die Amtsübergabe ist für Mittwochmittag geplant. Für den Tag haben zahlreiche Gruppen und Aktivisten in Onlinediensten zu Protest- und Blockadeaktionen aufgerufen. Etwa 80.000 Sicherheitskräfte sollen Ausschreitungen verhindern. Im Bahn- und Flugverkehr wird mit Ausfällen und Verspätungen gerechnet. Eine zentrale Organisation oder einen Anführer der Protestbewegung gibt es bisher nicht. Es bestehen aber Befürchtungen, dass die Proteste länger anhalten könnten.
Bayrou hatte die Vertrauensabstimmung Dienstagabend mit 194 zu 364 Stimmen verloren. Auch aus dem Regierungslager verweigerten ihm mehrere Abgeordnete das Vertrauen. Seine neunmonatige Amtszeit war unter anderem von einem Skandal über Missbrauch an einer katholischen Schule geprägt, zu der er enge Verbindungen gehabt hatte.
Kurz vor seinem Sturz hatte Bayrou in der Nationalversammlung noch einmal mit dramatischen Worten die wirtschaftliche Lage seines Landes skizziert. "Das Überleben des Landes steht auf dem Spiel", mahnte er. Insbesondere sein Vorschlag, als Sparmaßnahme zwei Feiertage zu streichen, hatte Unmut in weiten Teilen der Gesellschaft ausgelöst.
Frankreich kommt politisch seit geraumer Zeit nicht zur Ruhe: Lecornu ist inzwischen der siebente Premierminister seit Macrons Amtsantritt 2017 und der dritte seit den vorgezogenen Neuwahlen im Jahr 2024.
Zusammenfassung
- Sébastien Lecornu, bisher Verteidigungsminister und enger Macron-Vertrauter, wurde mit 39 Jahren zum neuen französischen Premierminister ernannt und soll parteiübergreifend einen Konsens zum Haushalt suchen.
- Der bisherige Premier François Bayrou verlor am Vorabend eine selbst eingeleitete Vertrauensabstimmung mit 194 zu 364 Stimmen, nachdem seine Sparpläne über 44 Milliarden Euro breite Ablehnung ausgelöst hatten.
- Für die Amtsübergabe am Mittwoch werden 80.000 Sicherheitskräfte mobilisiert, da zahlreiche Gruppen zu Protesten und Blockaden aufgerufen haben und mit Ausfällen im Bahn- und Flugverkehr gerechnet wird.