"Riegel vorschieben"
Nach "Scharia-Schiedsspruch": Empörung bei ÖVP und FPÖ
Die Bundesregierung werde "der Anwendung von Scharia-Regeln in Österreich dauerhaft einen Riegel vorschieben", kündigte ÖVP-Generalsekretär Nico Marchetti am Dienstag an. Auch er reagiert damit auf die Entscheidung des Wiener Landesgerichts für Zivilrechtssachen (LG).
Fall sorgt für Empörung
Im aktuell kontrovers diskutierten Fall, über den zunächst "Die Presse" berichtet hat, hatten zwei Männer vereinbart, dass das Schiedsgericht bei vertraglichen Streitigkeiten anhand der islamischen Rechtsvorschriften entscheiden soll.
Einer der Männer zweifelte allerdings die Rechtmäßigkeit an, nachdem er nach dem Entscheid des Schiedsgerichts 320.000 Euro zahlen sollte. Die Scharia werde nämlich von Gelehrten verschieden ausgelegt und die Berufung auf diese verstoße gegen Grundwerte des österreichischen Rechts.
Das LG bestätigte allerdings den Schiedsspruch, weil das Ergebnis nicht den österreichischen Grundwertungen widerspreche. Islamische Rechtsvorschriften könnten für vermögensrechtliche Ansprüche "in einer Schiedsvereinbarung wirksam vereinbart werden".
Marchetti: Scharia auch im Zivilrecht "problematisch"
Im Arbeitsprogramm der Bundesregierung sei ein Vorgehen gegen die Scharia speziell in Bezug auf das sogenannte Personalstatut festgelegt, denn "dort könnten die mittelalterlichen Rechtsvorschriften der Scharia besonders großen Schaden anrichten", hieß es in einer Aussendung von ÖVP-Generalsekretär Marchetti.
Die Anwendung von Regelungen, die etwa Frauen zu Menschen zweiter Klasse degradieren würden, dürfte auf keinen Fall toleriert werden. Die Anwendung islamischer Rechtsvorschriften ist für Marchetti aber auch im Zivilrecht "problematisch".
Damit sei unter dem Deckmantel der Vertragsfreiheit versucht worden, "eine islamistisch-fundamentalistische Lebensführung" mitten in Österreich rechtlich zu legitimieren.
Empörung bei den Freiheitlichen
FPÖ-Verfassungssprecher Michael Schilchegger ortete am Dienstag eine Aufwertung "islamischer Parallelgesellschaften". "Wenn nun auch österreichische Gerichte fortan Schiedssprüche auf Basis der 'Scharia' anerkennen, unterwerfen sie sich dem Willen fanatischer Islamisten", warnte er in einer Aussendung.
Schilchegger forderte eine "rasche und entschlossene Reaktion des Verfassungsgesetzgebers" und kündigte einen weiteren Gesetzesantrag der FPÖ zur Anpassung des Islamgesetzes an, der die implizite Anerkennung und Anwendung der Scharia durch österreichische Behörden und Gerichte verunmöglichen soll.
"Werden österreichische Regierungen nicht endlich als Reformkraft aktiv, sondern akzeptieren, was Gerichte im Elfenbeinturm entscheiden, dann werden es bald islamische Gerichte sein!", so Schilchegger.
Als Vertragsklauseln in bestimmten Rahmen zulässig
Im Rechtssatz des LG Wien heißt es: "Die islamischen Rechtsvorschriften sind Rechtsregeln im Sinn des § 603 ZPO und können für vermögensrechtliche Ansprüche als schiedsfähige Ansprüche in einer Schiedsvereinbarung wirksam vereinbart werden". Vor allem bei Schiedsklauseln in Verträgen bietet der Rechtsrahmen viel Gestaltungsspielraum.
Eine Einschränkung gibt es allerdings: Die Vorbehaltsklausel (ordre public), falls die Anwendung nicht mit österreichischem Recht vereinbar wäre.
Wie Strafrechtler Gerhard Jarosch in sozialen Netzwerken erklärt, dürfen zwei streitende Parteien vor dem Schiedsgericht selbst entscheiden, welches Recht angewendet werden soll. "Z.B. auch das (des Inselstaates, Anm.) Tuvalu", nennt er als Beispiel.
Zusammenfassung
- Das Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen bestätigte einen Schiedsspruch, bei dem zwei Männer vereinbart hatten, vertragliche Streitigkeiten nach islamischen Rechtsvorschriften zu entscheiden, was eine Zahlung von 320.000 Euro zur Folge hatte.
- ÖVP-Generalsekretär Nico Marchetti kündigte an, die Anwendung von Scharia-Regeln in Österreich künftig verhindern zu wollen, da laut Regierung insbesondere im Personalstatut großer Schaden durch solche Vorschriften drohen könnte.