Falschaussage-Prozess
Kurz-Urteil: Diese Möglichkeiten hat das Oberlandesgericht
Im Juni 2020 musste sich Sebastian Kurz den Fragen im "Ibiza"-Untersuchungsausschuss stellen. Rund fünf Jahre später beschäftigen seine damaligen Aussagen weiterhin die Justiz.
Zwischen Oktober 2023 und Februar 2024 befasste sich das Wiener Straflandesgericht an insgesamt zwölf Prozesstagen mit dem Vorwurf, Kurz habe im U-Ausschuss falsche Angaben zu seiner Rolle bei der Besetzung des Aufsichtsrats der Staatsholding ÖBAG gemacht.
Das Gericht sprach Kurz in einem Anklagepunkt schuldig und verurteilte ihn - nicht rechtskräftig - zu acht Monaten bedingter Haft. Sein damaliger Kabinettschef Bernhard Bonelli wurde zu sechs Monaten bedingter Haft verurteilt.
Beide beteuern weiter ihre Unschuld und legten unmittelbar nach der Urteilsverkündung Berufung ein. Damit liegt der Fall nun beim Oberlandesgericht (OLG) Wien.
Was das OLG überprüft
Aber was entscheidet das OLG am Montag? Strafrechtsexperte Robert Kert, Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU), erklärt im Gespräch mit PULS 24, dass das Oberlandesgericht in Zivil- und Strafsachen als Rechtsmittelgericht die Entscheidung der Landesgerichte überprüft.
Kurz und Bonelli haben Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe eingelegt.
Ein Dreiersenat des OLG prüft somit das erstinstanzliche Urteil einerseits auf etwaige Verfahrensfehler. Darunter fällt etwa eine mögliche "Befangenheit des Richters", so Kert.
Ebenso wird überprüft, ob die rechtliche Beurteilung richtig ist. "Dabei geht es um die Frage, ob die vorgeworfene Tat überhaupt strafbar ist oder ein anderer Tatbestand vorliegt."
Video: Kurz nach Schuldspruch: "Werden dagegen vorgehen"
Das OLG prüft laut Kert jedoch auch die "Beweiswürdigung" – also, wie die Tatsachen im Urteil interpretiert wurden. Dabei können auch neu eingebrachte Beweise der Verteidigung berücksichtigt werden.
In der Strafberufung prüft der Dreiersenat schließlich "die Höhe und Art der Strafe".
Daraus ergeben sich mehrere mögliche Szenarien nach der Entscheidung des OLG, die für Montag um 12.00 Uhr erwartet wird.
Bestätigung
Gelangt das OLG zur Erkenntnis, dass im Urteil von Richter Michael Radasztics keine Mängel vorliegen, bestätigt der Dreiersenat das Urteil. In diesem Fall wären die Schuldsprüche gegen Kurz und Bonelli rechtskräftig.
"Es gibt nach der Entscheidung keine Rechtsmittel mehr. Im österreichischen Strafrecht ist festgelegt, dass es gegen Urteile immer nur eine Berufungsinstanz gibt", erklärt Kert.
Bestätigung, aber ...
Eine Bestätigung des Urteils muss jedoch nicht in vollem Umfang erfolgen. Das OLG könnte auch zu dem Schluss kommen, dass Kurz und Bonelli zwar strafbar gehandelt haben, "aber die Strafe zu hoch ist", so Kert.
In diesem Fall könnte der Senat das Strafmaß herabsetzen.
Aufhebung
Stellt das OLG schwerwiegende Verfahrensfehler fest, "kann das Urteil aufgehoben und an die erste Instanz zur Entscheidung zurückverwiesen werden", sagt Kert. Dann müsste der Prozess neu aufgerollt werden.
Als Beispiel nennt der Strafrechtsexperte etwa eine mögliche Befangenheit von Richter Radasztics – ein Punkt, den Kurz und seine Anwälte bereits ins Spiel gebracht haben.
-
Mehr lesen: Sebastian Kurz wird zum 2. Mal Vater
Liegt hingegen nur ein Fehler in der rechtlichen Beurteilung vor, "kann das OLG selbst korrigieren", so Kert.
Freispruch
Das OLG könnte Kurz und Bonelli aber auch vollständig freisprechen. So könnte die Verteidigung etwa neue Beweise einbringen, die belegen, dass Kurz tatsächlich keinen Einfluss auf die Besetzung des ÖBAG-Aufsichtsrats genommen hat.
Kert betont, dass die Beweiswürdigung durch das OLG auch anders ausfallen könne als im erstinstanzlichen Urteil: "Gerade in Bezug auf die Vorsätzlichkeit der Falschaussage war es natürlich eine Frage der Beweiswürdigung, in welche Richtung man die vorgelegten Beweise interpretiert."
-
Mehr lesen: Thomas Schmid erhält Kronzeugenstatus
Kurz und Bonelli betonen, nie die Absicht gehabt zu haben, im "Ibiza"-U-Ausschuss falsch auszusagen. Das OLG könnte diese Ansicht teilen – und die beiden freisprechen. In diesem Fall wären sowohl der Altkanzler als auch sein ehemaliger Kabinettschef rechtskräftig freigesprochen. Die WKStA könnte in diesem Fall kein Rechtsmittel mehr einlegen.
Zusammenfassung
- Das Oberlandesgericht (OLG) Wien entscheidet am Monatg über die Urteile gegen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und dessen ehemaligen Kabinettschef Bernhard Bonelli.
- Aber womit ist zu rechnen? Alle Szenarien im Überblick.