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Experte: Mehr Risiko durch neues Schul-Sicherheitskonzept

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Dass der Plan für die Schulen nur zu Beginn des Schuljahres und bei hohen regionalen Infektionsgeschehen regelmäßige Tests vorsieht, sorgt bei Mikrobiologe Michael Wagner für Kritik.

Im nächsten Schuljahr soll es statt durchgehend drei Pflicht-Selbsttests pro Woche eine zunächst zweiwöchige Sicherheitsphase mit intensivem Testen geben, dann wird nur anlassbezogen regional getestet. Für Mikrobiologe Michael Wagner von der Uni Wien wären regelmäßige verpflichtende PCR-Tests die bessere Wahl. "Sicher ist es gut, dass jetzt ein Konzept für das neue Schuljahr vorliegt. Das Risiko ist mit dem vorgestellten Ansatz jedoch höher, als wenn man durchgehend testet."

"Jüngere Kinder könnten durch Maßnahmen in den Schulen nun eigentlich besser geschützt werden als im vergangenen Jahr", sagte Wagner im APA-Gespräch, noch dazu da mit der ansteckenderen Delta-Variante ihr Infektionsrisiko gestiegen sei. Dass man auf das Sicherheitsnetz regelmäßiger flächendeckender Tests verzichte, kann er aus wissenschaftlicher Sicht nicht wirklich nachvollziehen. Die 300 "Sentinel"-Schulen, in denen das Infektionsgeschehen durch stichprobenartige regelmäßige PCR-Tests überwacht wird, würden zwar etwas über das Infektionsgeschehen an diesen Bildungseinrichtungen aussagen, "aber das einzelne Kind ist dadurch zunächst einmal nicht direkt geschützt".

Nur zu Beginn des Schuljahrs regelmäßig zu testen und danach Tests nur bei regional hohem Infektionsgeschehen wieder einzuführen sei psychologisch und auch organisatorisch schwieriger als ein durchgängiges Testkonzept. "Letzteres ist aber natürlich eine politische Entscheidung."

Wagners Ansicht nach sollte man an den Schulen zumindest solange regelmäßig testen, solange es in dieser Pandemie signifikante Infektionszahlen gebe und noch nicht alle Menschen inklusive der Kinder unter 12 eine Möglichkeit hatten, sich durch eine Impfung zu schützen.

Fragen zum Frühwarnsystem

Das von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) angekündigte Frühwarnsystem sei keineswegs schlecht, betont Wagner, der im vergangenen Jahr die Schulgurgelstudie geleitet hat. Ein stärkeres Einbeziehen der Daten aus Abwasseranalysen zur frühen Erkennung von Infektionsgeschehen in einer Region sei sinnvoll, auch wenn diese Zahlen nur etwas über das Infektionsgeschehen in der gesamten Gesellschaft aussagen und nicht über die Altersklasse der Schüler.

Auch die 300 "Wächter-Schulen" sind aus Wagners Sicht "absolut notwendig". Wie man diese beiden Datenpools aber so verschneiden könne, dass ein sicherer Schulbetrieb ermöglicht wird, sei für ihn noch nicht klar.

Grenzwert entscheidend

Entscheidend ist für Wagner die Frage, wo der Grenzwert gesetzt wird, ab dem regional eine Test- und Maskenpflicht in den Schulen etabliert wird. Bildungsminister Faßmann hat dessen Festlegung als "Hausaufgabe für den August" bezeichnet. Wagner hofft jedenfalls, dass dabei nicht auf die Zahl der Patienten in den Intensivstationen Bezug genommen werde. Immerhin sei mittlerweile ein guter Teil der Erwachsenen geimpft.

Bis eine Überlastung der Intensivstationen drohe, gäbe es deshalb schon eine entsprechend große Zahl infizierter Kinder, die vor allem ungeimpfte Erwachsene anstecken bzw. selbst erkranken könnten, ein kleiner Teil davon auch schwer und einige Prozent über einen längeren Zeitraum. "Wenn ich einen vernünftigen Threshold setze, komme ich vermutlich ohnehin in die Situation, dass ich im Herbst und Winter durchgehend teste und eine sehr hohe Sicherheit erreiche."

Masken im Unterricht sinnvoll

Auch bezüglich des Tragens von Masken an den Schulen nach der zweiwöchigen Sicherheitsphase würde Wagner eine proaktivere Vorgehensweise empfehlen: "Wenn wir, wie es aussieht, auch im Herbst und Winter relativ hohe Infektionszahlen haben werden, ist es sinnvoll, auf Masken zu setzen." Immerhin handle es sich nur noch um eine Frage von einigen Monaten, bis es auch für jüngere Kinder ein Impfangebot geben wird.

Außerdem empfiehlt Wagner, zunächst die Testpflicht auch für geimpfte Schülerinnen und Schüler beizubehalten, da noch nicht klar sei, ob manche geimpfte Kinder sich dennoch mit SARS-CoV-2 anstecken und eine Infektion weitergeben können. Eine Befreiung von der Testpflicht für Geimpfte suggeriere außerdem, dass Testen etwas Mühsames oder gar eine Bestrafung sei. "Aber es putzen auch alle in der Früh die Zähne, dann können sie auch gurgeln oder spülen, um sich zu schützen und dazu beizutragen, dass alle gemeinsam gut durch die Pandemie kommen."

ribbon Zusammenfassung
  • Im nächsten Schuljahr soll es statt durchgehend drei Pflicht-Selbsttests pro Woche eine zunächst zweiwöchige Sicherheitsphase mit intensivem Testen geben, dann wird nur anlassbezogen regional getestet.
  • Für Mikrobiologe Michael Wagner von der Uni Wien wären regelmäßige verpflichtende PCR-Tests die bessere Wahl.
  • "Sicher ist es gut, dass jetzt ein Konzept für das neue Schuljahr vorliegt. Das Risiko ist mit dem vorgestellten Ansatz jedoch höher, als wenn man durchgehend testet."
  • "Jüngere Kinder könnten durch Maßnahmen in den Schulen nun eigentlich besser geschützt werden als im vergangenen Jahr", sagte Wagner im APA-Gespräch, noch dazu da mit der ansteckenderen Delta-Variante ihr Infektionsrisiko gestiegen sei.
  • Dass man auf das Sicherheitsnetz regelmäßiger flächendeckender Tests verzichte, kann er aus wissenschaftlicher Sicht nicht wirklich nachvollziehen.
  • Nur zu Beginn des Schuljahrs regelmäßig zu testen und danach Tests nur bei regional hohem Infektionsgeschehen wieder einzuführen sei psychologisch und auch organisatorisch schwieriger als ein durchgängiges Testkonzept.

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