Evangelische Bischöfin will bei Karfreitag "nicht nachgeben"
Die Abschaffung des Karfreitags als gesetzlichen Feiertag hat Richter "entsetzt", wie sie sagt. Nun gelte es, die relevanten Urteile und Erkenntnisse genau zu analysieren und ein Bewusstsein für die menschheitsgeschichtliche Bedeutung des Karfreitags zu schaffen. Auch die Positionen der anderen christlichen Kirchen müsse man sich dabei ansehen. "Gerade politisch Verantwortliche müssten diesen Feiertag als ihren Feiertag sehen", meint Richter im Hinblick auf die biblische Leidensgeschichte "von einem, der in der Gesellschaft etwas verändern wollte, hochgejubelt und dann ebenso schnell fallen gelassen wurde".
Richter wurde im Mai zur ersten Frau an der Spitze der evangelisch-lutherischen Kirche in Österreich gewählt, im Amt ist sie seit Anfang November. Was sie am meisten überrascht hat, sei das enorme Medieninteresse an ihrer Person, sagt sie. Trotz der Vorbildwirkung für andere Institutionen hofft sie, dass sich das Interesse nicht auf ihre Rolle als Frau in einer religiösen Spitzenposition beschränkt, also "wenn sich die Aufregung um die erste Frau ein bisschen gelegt hat, dann sollten natürlich auch die Sachthemen in den Vordergrund kommen".
Aber auch innerhalb der evangelischen Kirche A.B. ist der Andrang groß. Viele Gemeinden wollten derzeit "ihre Bischöfin sehen und wollen, dass ich zum Gottesdienst zu ihnen komme", berichtet Richter. Oft lerne sie dabei auch Vorzeigeprojekte vor Ort kennen, auf die man zu Recht stolz sei. "Der Kalender ist bis Ende 2026 ausgebucht", so die gebürtige Oberösterreicherin, die aus Bad Goisern stammt und als Theologin seit 2012 in Bonn lehrt, was sie zwar deutlich reduzieren, aber nicht ganz aufgeben wird.
Ihr geistliches Amt und ihre wissenschaftliche Tätigkeit sieht Richter ohnehin als kommunizierende Gefäße, weil die Wissenschaft der Kirche und Gesellschaft diene. Dieses Wissen müsse den Gemeinden zugute kommen, betont sie. Aber auch im gesellschaftspolitischen Engagement kommt der Bischöfin ihre Expertise in der Resilienzforschung zugute, etwa beim Thema Gesundheit. "Ich würde mich freuen, wenn ich mich hier einbringen kann", meint die Bischöfin. Bereits jetzt habe es allgemein anregende Gespräche mit Teilen der politischen Entscheidungsträger und -trägerinnen gegeben.
Für Ausbau von Palliativmedizin
Wichtig ist Richter etwa die Palliativmedizin, insbesondere in Zusammenhang mit der Legalisierung des assistierten Suizids in Österreich. "Dieses Thema betrifft ja nicht nur schwerkranke Menschen, sondern auch die Angehörigen, Therapeuten und das Pflegepersonal." Jeder einzelne begleitete Suizid ziehe große Kreise und habe Folgewirkungen, betont die Bischöfin und erklärt: "Ich würde deswegen immer darauf setzen, dass man die Palliativmedizin ausbaut."
Symptomatisch für ein weiteres gesellschaftliches Dilemma ist für Richter auch der Fall der drei Goldensteiner Ordensschwestern. "Diese Nonnen stehen auf sehr ungewöhnliche Weise für sich ein." Der Fall sei aber komplex: Auf der einen Seite stehe das hohe Gut der autonomen Entscheidung alter Menschen, die in jedem Fall respektiert werden sollte. Auf der anderen Seite stehe die Fürsorgepflicht. Ein Dilemma, das viele Angehörige kennen. Der Wunsch nach Autonomie sei - auch aus Sorge um betagte Menschen - für Angehörige oft kaum auszuhalten. Zugleich falle es schwer, loslassen zu können.
Aufarbeitung von Missbrauch vorbildlich
Ebenfalls über kirchliche Grenzen hinaus reicht für Richter der Missbrauch in Institutionen - wie man leider an so vielen Institutionen sehe, zuletzt am Fall der SOS Kinderdörfer. Der aufgekommene Skandal zeige, dass sich das Problem quer durch die Gesellschaft zieht und kaum ein Bereich ausgenommen sein wird. Trotzdem gebe es für Missbrauch keine Entschuldigung. Umso mehr schätze sie den österreichischen Weg der Aufarbeitung: "Was man in Österreich gelernt hat, ist vorbildlich", begrüßt sie vor allem die Aufarbeitung der Fälle durch die römisch-katholische Kirche - aber auch in ihrer eigenen. "Ich hätte mich nicht dieser Wahl gestellt, wenn das nicht bereits gut geregelt gewesen wäre", betont sie.
Eine weitere Aufarbeitung, jene des Antisemitismus in protestantischen Reihen, ist Richter nicht weniger wichtig - insbesondere als ehemalige Antisemitismusbeauftragte der Universität Bonn. "Das Thema liegt mir sehr am Herzen", betont sie. Was die Aufarbeitung in Österreich betrifft, will sich die Bischöfin noch eingehend informieren. So gebe es etwa eine Kirche in Wien, deren Fenster "massiv belastet" und mittlerweile durch bunte Stoffbahnen, die Jugendliche gestaltet haben, verhängt seien. Dass hier die von der Pfarrgemeinde aufgestellten Informationstafeln beschädigt wurden, sei "hochgradig bedenklich, weil es bedeutet, dass das Thema nicht ausgestanden ist."
Ökumene "auf Augenhöhe"
Begeistert zeigt sich Richter über die ökumenische Zusammenarbeit in Österreich. Die bereits stattgefundenen Begegnungen hätten sich "auf Augenhöhe" abgespielt, berichtet sie. Als besondere Erfahrung wertet sie nicht nur die Anwesenheit des ernannten Wiener Erzbischofs Josef Grünwidl und des Ökumene-Bischofs Manfred Scheuer bei ihrer Amtseinführung, sondern auch, dass sie ihr bei der Feier den Segen spendeten. "Ich habe mich darüber sehr gefreut, denn in Deutschland wäre das so wohl nicht möglich gewesen."
Zusammenfassung
- Die evangelisch-lutherische Bischöfin Cornelia Richter will sich weiterhin entschieden für die Wiedereinführung des Karfreitags als gesetzlichen Feiertag einsetzen und bezeichnet die Abschaffung als "entsetzend".
- Richter wurde im Mai zur ersten Frau an der Spitze der evangelisch-lutherischen Kirche in Österreich gewählt und ist seit November im Amt, wobei ihr Kalender bereits bis Ende 2026 ausgebucht ist.
- Sie fordert eine stärkere Einbindung von Kirchen und zivilgesellschaftlichen Organisationen in politische Entscheidungsprozesse, betont jedoch die Notwendigkeit von Unparteilichkeit.
- Im Zusammenhang mit der Legalisierung des assistierten Suizids in Österreich spricht sich Richter für einen Ausbau der Palliativmedizin aus, da jeder begleitete Suizid viele Menschen betrifft.
- Die Bischöfin lobt die vorbildliche Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in kirchlichen Institutionen in Österreich und betont die Wichtigkeit der Antisemitismus-Aufarbeitung in protestantischen Reihen.
