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Europaminister: Serbien will Schengen rasch beitreten

Heute, 03:01 · Lesedauer 5 min

Serbiens neuer Europaminister Nemanja Starović setzt auf einen baldigen Schengen-Beitritt seines Landes. "Wir sind der einzige Teil Europas, in dem Migranten und Flüchtlinge aus dem Schengen-Raum kommen, etwa aus Griechenland und Bulgarien, und dann wieder in den Schengen-Raum zurückkehren, nach Ungarn und Österreich und so weiter", sagte Starović in einem Interview mit der APA. Für die europäische Sicherheit wäre die Integration Serbiens in den Schengenraum sehr hilfreich.

Die Vorbereitung auf einen EU-Beitritt Serbiens und die Integration in die Schengenzone sollten gleichzeitig verlaufen, so der Minister. "Wir sind der Meinung, dass diese Prozesse parallel zueinander verlaufen sollten, da sie nicht formell aneinander gebunden sind, da es europäische Länder gibt, die nicht der EU angehören, aber Teil des Schengen-Raums sind."

Der Minister, der am Dienstag Europaministerin Claudia Plakolm (ÖVP) einen Besuch in Wien abstattete, dankte Österreich dafür, dass es zu den stärksten Unterstützern einer EU-Erweiterung um die Länder des Westbalkans zählt. Angesprochen auf das von Österreich vertretene Konzept einer "schrittweisen Integration", sagte Starović: "Wir können darüber reden, solange sie nicht als Ersatz für eine Vollmitgliedschaft gesehen oder angewandt wird, sondern bestimmte Vorteile für unsere Wirtschaft hat." Der von der EU-Kommission vorgelegte Wachstumsplan für die westlichen Balkanländer sei "ein sehr guter Schritt nach vorn".

EU-Beitritt "oberste außenpolitische Priorität"

Die serbische Regierung sei "fest entschlossen, der EU beizutreten. Das ist eine unserer, wenn nicht die oberste außenpolitische Priorität, denn wir sind sehr zuversichtlich, dass dies im besten nationalen Interesse der Republik Serbien ist", betonte Starović.

Vučićs Moskau-Besuch "Ausdruck unserer Erinnerungskultur"

Angesprochen auf die engen Beziehungen zwischen Serbien und Russland und den jüngsten Moskau-Besuch von Präsident Aleksandar Vučić zur Siegesparade am 9. Mai, sagte der Minister: "Für uns ist das in erster Linie ein Ausdruck unserer Erinnerungskultur. Und wann immer es die Tendenz gibt, die Sache aus einem politischen Blickwinkel zu betrachten, müssen wir betonen, dass unsere Haltung zur russischen Invasion in der Ukraine vom ersten Tag an sehr entschieden und sehr klar war, da wir jede Gelegenheit nutzen, um die russische Invasion zu verurteilen." Mit rund vier Millionen Euro habe Serbien auch mehr Hilfe für die Ukraine geleistet als die anderen Westbalkanländer zusammen.

Beitrittsdatum "liegt nicht in unserer Hand"

Über ein EU-Beitrittsdatum will Starović nicht spekulieren. Ziel Serbiens sei es, alle notwendigen Reformen abzuschließen, um den europäischen Rechtsbestand bis Ende 2026 vollständig zu übernehmen. "Wir können nicht sagen, ob dies automatisch bedeutet, dass wir bis 2028 oder 2030 bereit sind, ein EU-Mitgliedstaat zu werden, denn das liegt nicht in unserer Hand. Uns ist klar, dass wir noch bestimmte Entscheidungen, ja sogar bestimmte Reformen innerhalb der EU selbst abwarten müssen. Aber wir wollen bereit sein, wann immer die Tür zur Erweiterung offen ist."

Dass es eine Normalisierung der Beziehungen mit dem Kosovo brauche, der sich 2008 von Serbien unabhängig erklärt hat und von Belgrad, aber auch von fünf EU-Staaten bisher nicht anerkannt wird, sei allen bewusst, sagte Starović. "Wir sind entschlossen, dies zu erreichen, nicht nur, weil es eine Vorbedingung für den Beitritt ist, sondern weil es für uns in Serbien wichtig ist, ein stabiles und berechenbares politisches Umfeld zu haben." Er hoffe, dass der neue EU-Sonderbeauftragte für den Dialog zwischen Belgrad und Prishtina, Peter Sørensen, diesem Austausch wieder mehr Relevanz verleihe. "In den letzten drei Jahren gab es zwar einige Fortschritte, aber nichts von dem, was im Rahmen des Dialogs geschah, spiegelte sich in der Praxis wider." Starović machte dafür "einseitige Maßnahmen Pristinas" verantwortlich, welche die EU verbal verurteilt habe.

Gesetzesvorhaben sollen Fortschritt bei Beitrittsverhandlungen im Juli ermöglichen

Bis Ende Juli wolle Serbien den Cluster 3 (Wettbewerbsfähigkeit und integriertes Wachstum) in den EU-Beitrittsverhandlungen eröffnen, darauf warte sein Land nach einer Empfehlung der EU-Kommission bereits dreieinhalb Jahre, sagte der Europaminister. Angesprochen auf den jüngsten kritischen Bericht des EU-Parlaments, der Serbien noch große Defizite bei Rechtsstaatlichkeit, Medienfreiheit und der Wahlrechtsreform bescheinigt, versicherte Starović, drei Mediengesetze sowie ein Gesetz zum Wählerregister sollten im Juni verabschiedet werden. Außerdem arbeite Serbien an der Wahl der Mitglieder der Aufsichtsbehörde für elektronische Medien. Serbien wolle, dass seine Reformen anerkannt werden. "Es gibt eine Dynamik, dass vielleicht auch die Ukraine in der Lage sein wird, bis zum Ende dieses Jahres alle Verhandlungscluster zu öffnen. Wir wünschen uns also, dass wir in diesem Erweiterungsprozess nicht vernachlässigt werden, dass wir gleich behandelt werden."

Zu den monatelangen, regierungskritischen Protesten von Studenten nach dem Einsturz eines Bahnhofsvordachs in Novi Sad mit 16 Toten sagte Starović, die Regierung habe die Forderungen der Demonstrierenden erfüllt, und Serbien halte das Recht auf politische Versammlung vollständig ein. Von den Protestierenden gebe es aber auch Verkehrsblockaden, die illegal seien und nicht nach den rechtlichen Vorgaben durchgeführt würden. Die Polizei wende keinerlei Gewalt an, sondern versuche, für Sicherheit zu sorgen.

(Das Gespräch führte Thomas Schmidt/APA)

Zusammenfassung
  • Serbiens Europaminister Nemanja Starović setzt sich für einen raschen Beitritt seines Landes zum Schengen-Raum ein und sieht darin Vorteile für die europäische Sicherheit.
  • Die serbische Regierung betrachtet den EU-Beitritt als oberste außenpolitische Priorität und plant, bis Ende 2026 den europäischen Rechtsbestand vollständig zu übernehmen.
  • Bis Ende Juli will Serbien den Cluster 3 der EU-Beitrittsverhandlungen eröffnen und arbeitet dafür an Reformen, darunter drei Mediengesetze und ein neues Gesetz zum Wählerregister.
  • Serbien hat rund vier Millionen Euro Hilfe für die Ukraine geleistet und verurteilt die russische Invasion seit Beginn ausdrücklich.
  • Die Normalisierung der Beziehungen mit dem Kosovo bleibt eine Voraussetzung für den EU-Beitritt, wobei Starović ein stabiles politisches Umfeld für Serbien betont.