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EuGH gibt Österreich bei ungarischem AKW Recht

Heute, 08:05 · Lesedauer 4 min

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Donnerstag zugunsten Österreichs entschieden. Österreich hatte gegen die Entscheidung der EU-Kommission geklagt, Staatsbeihilfen für den Bau von zwei Reaktoren am ungarischen Atomkraftwerk Paks zu genehmigen. Österreich habe zu Recht argumentiert, dass die Kommission hätte prüfen müssen, ob die Direktvergabe des Auftrags an ein russisches Unternehmen mit den vergaberechtlichen Vorschriften der Union vereinbar sei, hieß es.

Die ungarische Regierung erklärte, der Bau der Reaktoren werde fortgesetzt und beschleunigt. Die Bauarbeiten von Paks II würden durch das Urteil "keineswegs eingeschränkt oder gebremst". Vielmehr "haben wir in jüngster Zeit das Projekt beschleunigt", betonte Außenminister Péter Szijjártó am Donnerstag in Budapest nach einem Treffen mit Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS). Der Außenminister betonte weiter, dass sich das Urteil gegen die EU-Kommission und nicht gegen Ungarn richte. Dies sagte auch Europaminister János Bóka. Da das Gericht weder das staatliche Beihilfesystem noch das angewandte öffentliche Vergabeverfahren als rechtswidrig eingestuft habe, gebe es keine rechtlichen Hindernisse für die Fortsetzung des Paks-Projekts gemäß dem bisherigen Zeitplan, sagte Bóka.

Paks ist das einzige Atomkraftwerk in Ungarn. Es liegt etwa 110 Kilometer südlich der Hauptstadt Budapest und 250 Kilometer von Wien entfernt. Mit seinen vier Kernreaktoren produziert das AKW rund die Hälfte des in Ungarn erzeugten Stroms. 2014 vereinbarte Ungarn mit Russland, die vier Reaktoren um zwei Blöcke zu erweitern. Nach Angaben von Szijjártó gehen die beiden neuen Reaktoren von Paks II Anfang des kommenden Jahrzehnts ans Netz.

Die EU-Kommission hatte die Investitionsbeihilfe 2017 genehmigt, die Ungarn dem staatlichen Unternehmen MVM für die Entwicklung von zwei neuen Kernreaktoren am Standort des Atomkraftwerks Paks zu gewähren beabsichtigte. Diese neuen Reaktoren sollten sukzessive die vier vorhandenen Reaktoren ersetzen. Mit dem Bau der neuen Reaktoren wurde in unmittelbarer Vergabe die russische Gesellschaft Nischni Nowgorod Engineering beauftragt, gemäß einem Abkommen zwischen Russland und Ungarn über die Zusammenarbeit bei Atomenergie. In diesem Abkommen verpflichtete sich Russland, Ungarn ein staatliches Darlehen zur Finanzierung der neuen Reaktoren zu gewähren.

Das Gericht der Europäischen Union hatte die österreichische Klage (T-101/18) gegen staatliche Beihilfen Ungarns für zwei neue Kernreaktoren des Atomkraftwerks Paks im November 2022 abgewiesen. Österreich hatte unter anderem geltend gemacht, dass ein Vergabeverfahren für Paks II hätte durchgeführt werden müssen und dass die Beihilfen zu unverhältnismäßigen Wettbewerbsverzerrungen führen. Die Bundesregierung ging daraufhin gegen das Urteil rechtlich vor. Der Gerichtshof hob nun das Urteil des Gerichts auf und erklärte den Genehmigungsbeschluss der Kommission für nichtig.

Totschnig, Grüne und Umweltschutzorganisationen erfreut

Umwelt- und Klimaminister Norbert Totschnig (ÖVP) bezeichnete die EuGH-Entscheidung als "erfreulich". "Das Urteil sendet ein starkes Signal für Transparenz, Rechtsstaatlichkeit und fairen Wettbewerb in der EU", erklärte der Minister in einer Stellungnahme. "Ich freue mich, dass uns Luxemburg während des gesamten Verfahrens unterstützt hat - hier konnten sich zwei kleine Staaten gegen eine Vielzahl großer Staaten durchsetzen. Wir werden das Urteil eingehend analysieren und auch als Leitlinie für allfällige künftige Verfahren heranziehen."

Grünen-Klubobfrau Leonore Gewessler sprach ebenfalls von einem guten Signal. "Der EuGH hat Orbáns Atomträumen den Stecker gezogen: Milliarden für ein gefährliches AKW - ohne Ausschreibung direkt nach Russland - wurden gestoppt", erklärte sie in einer Stellungnahme. "Österreich hat geklagt, Verantwortung für Europa getragen und gewonnen. Ein gutes Signal für den ganzen Kontinent."

Greenpeace bezeichnete das EuGH-Urteil als "historischen Erfolg". Die Umweltschutzorganisation forderte die EU-Kommission in einer Aussendung auf, die Entscheidung schnellstmöglich umzusetzen, die Genehmigung der Förderungen zurückzunehmen und auch andere Atom-Beihilfen kritisch zu prüfen. "Steuermilliarden gehören nicht in veraltete, gefährliche Atomkraft, sondern müssen in den Ausbau von Erneuerbaren fließen", erklärte sich Klima- und Energieexperte Marc Dengler von Greenpeace. "Paks II würde Ungarn für Jahrzehnte an riskante und überteuerte Atomtechnologie fesseln und damit auch Österreich gefährden."

Die Umweltorganisation Global 2000 sieht einen möglichen Präzedenzfall für die Missachtung von Vergaberecht bei AKW. Ähnliches müsse auch für ähnlich gelagerte Fälle gelten. "Aktuell versucht etwa Polen das erste AKW des Landes direkt an das US-Unternehmen Westinghouse zu vergeben. Beide Fälle stellen den Wettbewerb und das Vergaberecht im Gemeinsamen Markt in Frage", sagte Patricia Lorenz, Anti-Atom-Sprecherin bei Global 2000, in einer Stellungnahme.

Rückschlag bei Taxonomie-Klage

Erst am Mittwoch hatte Österreich einen juristischen Rückschlag hinnehmen müssen. Der EuGH wies die Klage Österreichs gegen die Einstufung von Atomenergie und Gas als nachhaltig ab. Die entsprechende EU-Taxonomie-Verordnung war 2022 nach langen Diskussionen erweitert worden. Damit sollen wirtschaftliche Aktivitäten nach ökologischen Standards klassifiziert werden und so Investitionen angekurbelt werden.

Zusammenfassung
  • Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die EU-Kommission die Vergabe von Staatsbeihilfen für den Bau von zwei neuen Reaktoren am ungarischen AKW Paks nicht ausreichend geprüft hat.
  • Österreich argumentierte erfolgreich, dass die Direktvergabe an das russische Unternehmen Nischni Nowgorod Engineering ohne Ausschreibung gegen EU-Vergaberecht verstoßen könnte.
  • Ungarns Regierung hält dennoch am Ausbau von Paks II fest und betont, dass das Urteil keine rechtlichen Hindernisse für die Fortsetzung des Projekts darstellt.
  • Das AKW Paks erzeugt etwa die Hälfte des ungarischen Stroms und soll mit den geplanten zwei neuen Reaktoren, die Anfang des kommenden Jahrzehnts ans Netz gehen sollen, erweitert werden.
  • Umweltminister Totschnig, die Grünen und Umweltschutzorganisationen begrüßen das Urteil als Signal für Transparenz und fairen Wettbewerb in der EU.