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EuGH bestätigt EU-Zuständigkeit bei Mindestlöhnen

Heute, 09:26 · Lesedauer 3 min

Die Europäische Union ist befugt, europaweite Regeln für Mindestlöhne festzulegen. Dies bestätigte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am heutigen Dienstag in Luxemburg. Die Richter entschieden aufgrund einer Klage Dänemarks, das die EU-Kompetenz in dieser Frage beeinsprucht hatte. Allerdings hoben die Richter zwei Bestimmungen der im Jahr 2022 per Mehrheitsentscheidung beschlossenen Richtlinie auf.

Dabei geht es erstens um die Kriterien, die EU-Länder mit Mindestlöhnen bei der Festlegung berücksichtigen mussten - etwa die Kaufkraft. Zweitens kippte der EuGH das Verbot einer Senkung des gesetzlichen Mindestlohns, wenn es einen automatischen Anpassungsmechanismus gibt.

Die EU-Richtlinie über angemessene Mindestlöhne definiert Standards, wie gesetzliche Mindestlöhne festgelegt, aktualisiert und durchgesetzt werden sollen. Dänemark hatte argumentiert, dass der EU-Gesetzgeber mit dem Erlass der Richtlinie seine Kompetenzen überschritten habe. Es bezieht sich dabei auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Mit diesem werden aus Sicht Dänemarks unter anderem Richtlinien für Arbeitsbedingungen möglich gemacht, nicht aber für das Arbeitsentgelt.

Dass der EU-Gesetzgeber Kriterien für die Festlegung der Mindestlöhne aufgeführt habe, sei ein unmittelbarer Eingriff in die Festsetzung des Arbeitsentgelts, urteilten die Richterinnen und Richter. Die Höhe der Löhne ist nach den EU-Verträgen jedoch Angelegenheit der Mitgliedstaaten. Die EU darf mit Richtlinien lediglich beispielsweise Arbeitsbedingungen regeln. Das Gleiche gelte für die Vorschrift, die eine Senkung der Löhne unterbindet, wenn sie einer automatischen Indexierung unterliegen.

Im Übrigen bleibt die Mindestlohnrichtlinie dem Urteil zufolge bestehen. Sie verpflichtet die Länder etwa weiterhin, auf hohe Abdeckungsraten von Tarifverträgen hinzuwirken. Der EuGH verneinte hier einen unmittelbaren Eingriff in das Koalitionsrecht, das ebenfalls in der Zuständigkeit der EU-Länder liegt. Die Bestimmung verpflichte die Mitgliedstaaten nämlich nicht, zu regeln, dass mehr Arbeitnehmer einer Gewerkschaft beizutreten haben.

Generalanwalt war für Abschaffung der Richtlinie

In seinen Schlussanträgen zu dem Verfahren war der zuständige Generalanwalt des EuGH der Argumentation in zentralen Punkten gefolgt und hatte dem Gerichtshof empfohlen, die Richtlinie in vollem Umfang für nichtig zu erklären. Die Richter schlossen sich dieser Einschätzung jedoch nicht an. Laut Arbeitsrechtlern wäre eine Nichtigkeitserklärung ein herber Rückschlag für die EU-Sozialpolitik gewesen. In Österreich gibt es bisher keinen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn per se. Kollektivverträge sehen aber Mindestgrenzen vor, die nicht unterschritten werden dürfen.

Unklar ist weiterhin, ob und inwieweit die bereits seit elf Jahren geltenden nationalen Regelungen im Mindestlohngesetz an EU-Recht angepasst werden müssen. Im Zusammenhang mit der EU-Mindestlohnrichtlinie gab es seit längerem die Forderung, dass Arbeitgeber mindestens 60 Prozent des mittleren Bruttolohns in Deutschland zahlen. Der mittlere Bruttolohn ist dabei der Lohn, bei dem die eine Hälfte der Beschäftigten mehr und die andere Hälfte der Beschäftigten weniger verdienen. Die Mindestlohnrichtlinie sieht vor, bei der Bewertung der Angemessenheit des Lohns solche Referenzwerte zugrunde zu legen. Bei Verwendung des mittleren Lohns hätte der Mindestlohn in Deutschland nach Gewerkschaftsangaben eigentlich auf mehr als 15 Euro angehoben werden müssen.

Zusammenfassung
  • Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die EU grundsätzlich europaweite Regeln für Mindestlöhne festlegen darf, bestätigte dies am Dienstag in Luxemburg und wies damit eine Klage Dänemarks ab.
  • Zwei Bestimmungen der 2022 beschlossenen Mindestlohnrichtlinie wurden aufgehoben: die verpflichtenden Kriterien zur Festlegung der Mindestlöhne und das Verbot einer Senkung bei automatischer Anpassung.
  • In Deutschland fordern Gewerkschaften, dass der Mindestlohn auf über 15 Euro steigt, da die Richtlinie einen Referenzwert von mindestens 60 Prozent des mittleren Bruttolohns vorsieht.