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EU-Ratsvorsitz sieht "Annäherung" im Streit um Migration

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Der slowenische EU-Ratsvorsitz sieht eine "Annäherung" im jahrelangen Streit um die künftige EU-Asyl- und Migrationspolitik. So könnten sich die EU-Staaten noch heuer auf die gemeinsame Fingerabdruckdatei Eurodac einigen, sagte Außenminister Anže Logar im APA-Interview. Chancen für eine Lösung erkennt er auch im festgefahrenen Rechtsstaatsstreit mit Polen. Eine große Zukunft gibt er der Staatengruppe der "Central 5", weil deren Mitglieder viele Gemeinsamkeiten hätten.

Die Verhandlungen im Bereich Migration seien deshalb so langsam gewesen, weil das geplante EU-Paket unterschiedlichste Politikbereiche berühre und die Mitgliedsstaaten dabei "leicht unterschiedliche Ansichten" hätten, sagte Logar. "Man muss aber sagen, dass sich die Ansichten annähern." Der slowenische Innenminister Aleš Hojs versuche als Ratsvorsitzender "zu erreichen, dass man sich in der Frage von Eurodac einigt, was die Transparenz bezüglich der Grenzübertritte von ausländischen Bürgern auf Unionsterritorium wesentlich verbessern würde". Einen kompletten Abschluss der Reform werde es aber erst unter der nächsten Präsidentschaft geben.

Im Rechtsstaatsstreit mit Polen will Logar indes nichts von Untergangsszenarien wissen. "Ich denke, dass niemand ein Interesse an einem Zerfall (der EU, Anm.) hat, und deshalb glaube ich, dass es dazu nicht kommen kann." Die aktuelle "erhöhte Lautstärke" in der Diskussion sei weder im Interesse der europäischen Institutionen noch der Mitgliedsstaaten. "Ich selbst schwöre immer auf den Dialog, und denke, dass wir in diesem Rahmen eine Lösung finden können, um die Sichtweisen der Staaten bezüglich des Vorrangs des europäischen Rechts miteinander in Einklang zu bringen, aber auch für eine gleiche Gerichtspraxis für alle Mitgliedsstaaten zu sorgen", sagte der konservative slowenische Politiker. Diesbezüglich zeigte er Verständnis für die polnische Justizkritik, zumal er selbst auch in Slowenien gesehen habe, dass Gerichte mit zweierlei Maß messen. "Das zerstört das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in eine bessere Entwicklung der Gesellschaft", warnte Logar.

Mit den bisherigen Ergebnissen des slowenischen Ratsvorsitzes zeigte sich Logar zufrieden. Man habe sechs Triloge abschließen können, bei elf weiteren sei dies noch möglich. Auf die Frage, worauf er besonders stolz sei, nannte er die Fortschritte im Dialog der Europäischen Union mit dem Westbalkan. Hier habe man "eine klare Verpflichtung zur Fortsetzung der Erweiterungsstrategie" erreicht. Die vereinbarten Investitionen in der Region würden nicht nur das Leben der Bewohner verbessern, sondern den Westbalkan auch besser an die europäischen Wirtschaftsströme anschließen. Logar hob auch hervor, dass der slowenische Ratsvorsitz die Teilnahme der Länder des Westbalkan an der Konferenz über die Zukunft Europas erreicht habe.

Keine Beeinträchtigung des Ratsvorsitzes sieht Logar durch die Auseinandersetzungen rund um Ministerpräsident Janez Janša, der mehrmals mit untergriffigen Tweets an die Adresse seiner europäischen Kritiker für Aufsehen gesorgt hatte. Wenn er selbst im Europaparlament Kritik gehört habe, dann an die Adresse des Rates, "weil sich die Minister oder Regierungschefs in wichtigen Fragen nicht einigen können", sagte Logar. "Was uns schadet, sind Aussagen von einzelnen oppositionellen EU-Abgeordneten oder Politikern, die der Öffentlichkeit fälschlicherweise weismachen wollen, dass uns die nächste Präsidentschaft Themen wegnimmt, was ein komplettes Hirngespinst ist."

Logar war am Freitag für ein Treffen der Außenminister der "Central 5" (Österreich, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien) nach Wien gekommen. Für die im Vorjahr vom damaligen Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) ins Leben gerufene Initiative war der slowenische Chefdiplomat voll des Lobes. "Es handelt sich um eine natürliche Gruppe von Staaten, die ohnehin schon gut miteinander zusammenarbeiten", sagte er. In diesem Forum könne man die Standpunkte annähern und ihnen durch einen gemeinsamen Auftritt auf EU-Ebene auch "mehr Gewicht" geben. "Ich selbst habe schon mehrmals im EU-Außenministerrat für einige C5-Staaten gesprochen", berichtete der slowenische Außenminister. Man habe sich auch bei internationalen Bewerbungen abgestimmt. Die Treffen der Außenminister dienten aber auch einer "aufrichtigen" Aussprache "über Fragen, die uns teilen".

In gut einem Jahr hätten bereits sieben C5-Außenministertreffen stattgefunden, berichtete Logar. "Ich glaube, dass diese informelle Gruppe gute Aussichten für eine langfristige Zusammenarbeit und Abstimmung der Standpunkte zwischen diesen fünf Staaten hat", sagte der slowenische Chefdiplomat, der zugleich die Hoffnung auf C5-Gipfeltreffen äußerte. "Der geistige Vater dieser Zusammenarbeit ist der frühere Außenminister Schallenberg. Da er nun Kanzler ist, könnte das eine Gelegenheit sein, diese Zusammenarbeit auch auf die Ebene der Regierungschefs zu übertragen."

Bilateral gibt es zwischen Österreich und Slowenien freilich auch Dissens, aktuell insbesondere im Bereich Energie. Im Konflikt um den Neubau des Atomkraftwerks Krško warb Logar um Verständnis dafür, dass Slowenien für die Erreichung der EU-Klimaziele auf eigenen Atomstrom angewiesen ist. "Zwischen Österreich und Slowenien gibt es den Unterschied, dass Österreich mehr als doppelt so viel Energie aus Wasserkraft gewinnt, was für Slowenien unmöglich ist", sagte der Minister. Auch sei Atomenergie eine Möglichkeit, die Abhängigkeit Europas von externen Energieträgern zu verringern, so Logar, der explizit von einem "Übergangs"-Energieträger sprach. "Meinerseits gibt es die Zusicherung, dass Slowenien transparent vorgehen wird und dass es sich auch um eine Entscheidung handeln wird, die höchstwahrscheinlich einem Referendum unterzogen wird", sagte Logar.

In der Frage der slowenischen Volksgruppe in Österreich pochte Logar darauf, dass die Behörden ihre Verpflichtungen aus dem Staatsvertrag erfüllen. Konkret nannte er vor allem die Ausbildung in slowenischer Sprache "von der Krippe bis zur Hochschule". In der jetzigen Phase sei es nämlich "wesentlich, dass wir den Erhalt der slowenischen Sprache sichern, damit die (zweisprachigen) Ortstafeln nicht zu Grabaufschriften werden", so Logar. Konkret nannte er auch den Erhalt der Slowenistik an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Deren Abschaffung wäre nämlich "das Schlimmste, was uns jetzt passieren könnte, und ein schwerer Schlag für diese Bemühungen (zum Erhalt der slowenischen Sprache in Kärnten, Anm.)", forderte Logar die österreichische Bundespolitik auf, "alles zu tun, was in ihrer Macht steht, dass es nicht dazu kommt".

Auf die Frage, ob die SDS die Kooperation mit der korruptionsbelasteten ÖVP einstellen wolle, sagte Logar, dass "alle Parteien im Rahmen der Europäischen Volkspartei zusammenarbeiten". Zu einem Kommentar über die österreichische Innenpolitik sehe er sich aber nicht berufen. Allgemein sei für die Europäische Volkspartei (EVP) nach den jüngsten politischen Rückschlägen die Zeit gekommen für einen "inneren Nachdenkprozess, wie man sich wirksam daran machen kann, das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler zurückzugewinnen", so Logar. Dass Österreich derzeit der nördlichste EU-Staat mit einem EVP-Regierungschef sei, "zeigt, dass es ziemlich viel Spielraum für eine Verbesserung der Lage gibt". Bezüglich der slowenischen Parlamentswahl im kommenden Jahr zeigte sich Logar zuversichtlich, dass die SDS wieder als Nummer eins ins Ziel gehen wird. Auf eine entsprechende Frage bestätigte er auch, dass die SDS mit ihrem langjährigen Chef und Premier in die Wahl ziehen wird.

(Das Gespräch führte Stefan Vospernik/APA)

ribbon Zusammenfassung
  • Der slowenische EU-Ratsvorsitz sieht eine "Annäherung" im jahrelangen Streit um die künftige EU-Asyl- und Migrationspolitik.
  • So könnten sich die EU-Staaten noch heuer auf die gemeinsame Fingerabdruckdatei Eurodac einigen, sagte Außenminister Anže Logar im APA-Interview.
  • "Man muss aber sagen, dass sich die Ansichten annähern."
  • Die Treffen der Außenminister dienten aber auch einer "aufrichtigen" Aussprache "über Fragen, die uns teilen".