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EU-Kommission wirft Lukaschenko Täuschung von Migranten vor

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In dem Konflikt zwischen Polen und Belarus hat die EU-Kommission dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko die Täuschung von Migranten vorgeworfen.

Sowohl die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson als auch Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sehen in dem Konflikt zuletzt eine leichte Entspannung, wenngleich es am Sonntag erneut Versuche von Migranten gab, die Grenze zu überwinden. Polen zeigte sich indes bereit, für die Rückführung der Migranten aufzukommen.

Lukaschenko trage "hochgradige Verantwortung"

"In der Krise hat Lukaschenko sich wie ein Reiseveranstalter ohne Lizenz benommen, der teure Reisepakete in die EU verkaufte, die dann aber bei der Ankunft in sich zusammenfielen", sagte die EU-Innenkommissarin Johansson der "Welt am Sonntag". Familien und Kinder seien "in eine Tragödie gelockt" worden.

Lukaschenko und seine Regierung tragen laut Johansson eine "hochgradige Verantwortung für die produzierte Krise". Die Lage vor Ort habe sich zuletzt entspannt, weil die EU und ihre Partner kooperiert hätten. "Die Fähigkeit der EU zusammenzuarbeiten, über Ministerien und Dienste, aber auch über Länder und Regionen hinweg, hat dazu geführt, dass keine Menschen mehr am Minsker Flughafen ankommen", sagte Johansson.

Vergangene Woche eskalierte die Situation im Grenzgebiet zeitweilig.

Dies sei ein weiterer Beweis dafür, "dass die Europäisierung der Migrationspolitik der einzige zukunftsweisende Weg ist". Wenn die EU in der Migrationspolitik zusammenarbeite, könne sie nicht nur Krisen überwinden, sondern auch Pläne machen, um diese frühzeitig zu verhindern.

"Hybrider Krieg gegen die EU"

Auch Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) ortete in der Migrationskrise eine leichte Entspannung. Die EU halte zusammen und es gebe erste Signale, dass auch andere Staaten die EU unterstützen wollten, sagte Edtstadler am Sonntag in der ORF-"Pressestunde". So fliege die Türkei keine Flüchtlinge mehr nach Minsk und der Iran nehme welche zurück. Es seien auch bereits Menschen in Bussen aus der Gegend zurücktransportiert worden, so Edststadler.

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki bezeichnete den Konflikt mit Belarus am Sonntag als den "größten Versuch" zur Destabilisierung Europas seit dem Kalten Krieg. Lukaschenko habe "einen hybriden Krieg gegen die EU begonnen", schrieb Morawiecki bei Twitter.

Unter einem "hybriden" Angriff wird unter anderem ein Angriff mit Verschleierungstaktik verstanden - die Angreifer agieren anonym oder bestreiten ihre Verantwortung. Die EU wirft Lukaschenko vor, gezielt tausende Migranten aus dem Nahen Osten an die Grenzen zu Polen, Litauen und Lettland zu schleusen, um Vergeltung für bisherige Sanktionen zu üben. Die Menschen aus dem Irak, aus Syrien und Afghanistan sind über Touristenvisa in Belarus eingereist. Minsk weist die Vorwürfe zurück.

Die polnische Regierung zeigte sich zudem bereit, für die Rückführung der Migranten aufzukommen. "Wir sind jeden Moment in der Lage, die Rückkehr der Migranten in ihrer Herkunftsländern zu finanzieren, wir haben auch eine Menge diplomatischer Aktivitäten im Irak und in anderen Ländern des Nahen Ostens entwickelt", sagte Morawiecki am Sonntag nach einem Treffen mit Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas.

Migranten versuchen nach Polen zu gelangen

Nach Angaben von Morawiecki erwäge Polen weitere Grenzübergänge zu Belarus zu schließen, um damit den ökonomischen Druck auf Lukaschenko zu erhöhen. Polen hatte bereits vor zwei Wochen den Grenzübergang Kuznica geschlossen. "Wir gehen davon aus, dass der Druck auf die Grenze anhält, weil Lukaschenko sein Ziel nicht erreicht hat", sagte Kallas. Die litauische Ministerpräsidentin Ingrida Simonyte sagte nach der Begegnung mit Morawiecki, Polen trage die größte Belastung einer hybriden Attacke an der Ostgrenze der EU. Morawiecki beriet am Sonntag mit seinen Amtskollegen aus Estland, Lettland und Litauen - von denen zwei ebenfalls eine gemeinsame Grenze mit Belarus haben.

Trotz der Anzeichen für eine leichte Entspannung der Lage meldeten Polens Grenzschützer am Sonntag erneut Versuche von Migranten, die Grenze zu überwinden, unter anderem von einer "sehr aggressiven Gruppe von etwa 100" Menschen. Sicherheitskräfte hätten diese aber verhindert", twitterte der polnische Grenzschutz. Es habe am Samstag 208 Versuche gegeben, von Belarus nach Polen zu gelangen, das seien einige mehr gewesen als am Freitag, aber deutlich weniger als am Mittwoch der vergangenen Woche mit rund 500 Versuchen. Da Polen keine Journalisten in das Gebiet lässt, lassen sich die Angaben nicht überprüfen.

Die Außenpolitik-Sprecherin der Grünen Ewa Ernst-Dziedzic spricht im Interview mit PULS 24 über die Migrationskrise in Belarus.

Am Sonntag besuchten zudem Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Unterkunft. Videos zeigten, wie die Mitarbeiter von Migranten umringt wurden. Bisher ist ein Fall einer Corona-Erkrankung offiziell bestätigt worden. Es gibt aber vermehrte Sorge um den Gesundheitszustand von etwa 2.000 Flüchtlingen, die Belarus in einer Logistikhalle untergebracht hat. Die Situation an der Grenze könne als schwierig bezeichnet werden, sagte WHO-Experte Gerald Rockenschaub, wie die belarussische Staatsagentur Belta meldete.

Die russische Staatsagentur Ria Nowosti zitierte bei dem Treffen Behördenvertreter, wonach bereits 100 Migranten in Krankenhäuser in der Stadt Grodno gebracht worden seien. Darunter seien Menschen mit einer Lungenentzündung oder wegen Diabetes, Unterkühlung und Erkältung. Nun liefen Gespräche, wie die WHO helfen könne, sagte der steirische Chirurg Rockenschaub. Er verwies auf Medikamente, medizinisches Material oder Infrastruktur. Migranten hätten über ihren Gesundheitszustand geklagt, einige hätten chronische Krankheiten. "Zu allererst brauchen die Menschen eine Perspektive für die Zukunft", sagte er laut Belta.

ribbon Zusammenfassung
  • In dem Konflikt zwischen Polen und Belarus hat die EU-Kommission dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko die Täuschung von Migranten vorgeworfen.
  • Sowohl die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson als auch Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sehen in dem Konflikt zuletzt eine leichte Entspannung, wenngleich es am Sonntag erneut Versuche von Migranten gab, die Grenze zu überwinden.