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EU-Kommission verklagt Polen wegen Justizreformen vor EuGH

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Im Streit über die polnischen Justizreformen verhärten sich die Fronten zwischen der nationalkonservativen Regierung in Warschau und der EU-Kommission. Die Brüsseler Behörde sieht die Unabhängigkeit polnischer Richter in Gefahr und verklagt das Land deshalb vor dem Europäischen Gerichtshof, wie EU-Justizkommissar Didier Reynders am Mittwoch mitteilte.

Um keine Zeit zu verlieren, rief die Kommission die höchsten EU-Richter dazu auf, vor einem endgültigen Urteil bereits vorläufige Maßnahmen zu verhängen.

Aus Sicht der EU-Kommission gibt es zwei Knackpunkte: Zum einen untergrabe das Gesetz zur Disziplinierung von Richtern die Unabhängigkeit polnischer Richter und stimme nicht mit dem Vorrang von EU-Recht überein. Zum anderen dürfe die Disziplinarkammer des obersten polnischen Gerichtshofs nicht weiter tätig sein, da sie möglicherweise nicht unabhängig sei.

"Ich bin zutiefst besorgt über die fortgesetzten Maßnahmen, die die Unabhängigkeit der Justiz in Polen untergraben", sagte Kommissionsvizepräsidentin Vera Jourova am Mittwoch. Der Druck auf polnische Richter nehme immer weiter zu und ihre Unabhängigkeit werde zunehmend ausgehöhlt.

SPÖ und Grüne begrüßten den Schritt. "Polnische Gerichte sind auch europäische Gerichte - wir müssen jede Möglichkeit nützen, ihre Unabhängigkeit vor den Angriffen der rechtsautoritären PIS-Regierung zu schützen", kommentierte die SPÖ-EU-Abgeordnete Bettina Vollath am Mittwoch in einer Aussendung. "Ich hoffe, das ist heute der Startschuss eines konsequenteren Vorgehens gegen die systematischen Rechtsstaatsverstöße in Polen. Dazu ist die EU-Kommission als Hüterin der Verträge verpflichtet."

Monika Vana, Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im Europaparlament, begrüßte das Vorgehen der Kommission mit den Worten: "Es war längst überfällig, dass die EU-Kommission auf die politische Vereinnahmung der polnischen Justiz reagiert. Es ist Zeit, dass die EU-Kommission alle zur Verfügung stehenden Rechtsmittel nutzt, um die Rechtsstaatlichkeit innerhalb der Europäischen Union verteidigen."

Das Gesetz zur Disziplinierung von Richtern ist seit Mitte Februar 2020 in Kraft. Es sieht vor, dass Richter mit Geldstrafen, Herabstufung oder Entlassung rechnen müssen, wenn sie die Entscheidungskompetenz oder Legalität eines anderen Richters, einer Kammer oder eines Gerichts infrage stellen. Auch dürfen sie sich nicht politisch betätigen. Jourova hatte bereits davor gewarnt, dass das Gesetz "unter anderem zur politischen Kontrolle des Inhalts von Gerichtsentscheidungen verwendet werden" könnte.

Außerdem geht es um die 2018 gegründete Disziplinarkammer, ein Schlüsselelement der polnischen Reformen. Der EuGH hatte bereits im April 2020 auf Antrag der EU-Kommission entschieden, dass die Kammer ihre Arbeit zunächst aussetzen muss. Allein die Gefahr, dass eine möglicherweise nicht ausreichend unabhängige Kammer Disziplinarverfahren gegen Richter prüfe, könne die Unabhängigkeit der betroffenen Richter beeinträchtigen. Die EU-Kommission kritisiert jedoch, dass die Kammer weiter Entscheidungen treffe, die sich direkt auf die Berufsausübung von Richtern auswirken - etwa auf ihre Immunität.

Der EuGH soll nun unter anderem vorläufig entscheiden, dass derlei Befugnisse der Disziplinarkammer ausgesetzt werden. Auch soll die Wirkung bereits getroffener Entscheidungen mit Blick auf die Immunität aufgehoben werden.

ribbon Zusammenfassung
  • Im Streit über die polnischen Justizreformen verhärten sich die Fronten zwischen der nationalkonservativen Regierung in Warschau und der EU-Kommission.
  • Die Brüsseler Behörde sieht die Unabhängigkeit polnischer Richter in Gefahr und verklagt das Land deshalb vor dem Europäischen Gerichtshof, wie EU-Justizkommissar Didier Reynders am Mittwoch mitteilte.
  • Das Gesetz zur Disziplinierung von Richtern ist seit Mitte Februar 2020 in Kraft.

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