EU-Diplomat zur Impfstoffverteilung: "Am Ende konnte niemand mehr Kurz ertragen"

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Nach zähen Verhandlungen einigten sich die EU-Staaten am Donnerstag auf die Verteilung von 10 Millionen zusätzlichen Impfdosen. Österreichs Verhandlungstaktik scheint dabei wenig Anklang gefunden zu haben.

Am Donnerstag fanden die EU-Staaten eine Lösung im Streit um die Verteilung von 10 Millionen vorgezogenen Impfdosen von Biontech/Pfizer. 24 der 27 EU-Staaten beteiligten sich an einem Solidaritätsausgleich. Rund 2,85 Millionen Impfdosen werden an fünf von der Pandemie am stärksten betroffenen Länder - Bulgarien, Kroatien, Estland, Lettland und die Slowakei - zugeführt.

Vor allem bestätigte die Einigung die bestehende Verteilung nach dem Bevölkerungsschlüssel. Eben diesen hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vor drei Wochen kritisiert bzw. eine zusätzliche solidarische Zuteilung für Länder, die beim Impfen hinterherhinken, gefordert. Nun soll Österreich unter jenen Ländern gewesen sein, die sich gegen einen von der portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft vorlegten Plan für eine solidarischere Impfstoffverteilung, ausgesprochen haben. Der Plan hätte vorgesehen, dass auch Österreich zugunsten der am stärksten von der Pandemie betroffen Länder auf Impfstoff verzichten hätte müssen.

Kurz pochte auf bisherigen Verteilungsschlüssel

Das berichtet "Politico" am Freitag und gab einen Einblick in die Verhandlungen der letzten Tage. Die Allianz aus Slowenien, Tschechien und Österreich versuchte demnach bis zuletzt die Entscheidung der anderen Staaten zu stoppen, den Umverteilungsvorschlag fortzusetzen, bis Anwälte klarstellten, dass die EU-Länder über die ihnen zugeteilten Impfstoffe frei verfügen könnten.

Daraufhin soll sich Kurz von dem portugiesischen Plan abgewandt haben und auf das Festhalten an dem bisherigen Verteilungsschlüssel gepocht haben. Denn so konnte er 198.815 zusätzliche Impfdosen für Österreich sichern, während die Tschechische Republik vollkommen leer ausging. Laut dem portugiesischen Plan hätte das Land rund 140.000 Impfdosen erhalten.

In einer Regierungserklärung am Donnerstag wurde von einem "soliden Ergebnis" gesprochen und auf die Bedeutung Österreichs bei der Problemerkennung aufmerksam gemacht. Dass Österreich sich gegen den Solidaritätsmechanismus ausgesprochen hat und der Allianzpartner Tschechien deshalb keine zusätzlichen Impfdosen erhalten wird wurde hingegen nicht erwähnt. 

 

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Kurz' Einfluss "schwer beschädigt"

Gegenüber "Politico" äußerten mehrere Brüsseler Diplomaten ihren Unmut gegenüber der Verhandlungstaktik des österreichischen Kanzlers. Ein hochrangiger Diplomat sagte, Kurzs Einfluss und Glaubwürdigkeit seien durch sein Verhalten in den letzten Wochen "schwer beschädigt" worden. Ein zweiter Diplomat sagte, Kurz sei jetzt für die meisten Mitgliedsländer "persona non grata".

Ein weiterer Diplomat wurde besonders deutlich: "Am Ende konnte niemand mehr Kurz nehmen - seine Art, Dinge zu tun." Seine "Solidarität à la carte" sei für viele Diplomaten "unerträglich".

Babis: Wunsch Kurz zu bestrafen, habe sich durchgesetzt 

Der tschechische Regierungschef Andrej Babis kritisierte am Freitag die Beschlüsse der EU in Sachen der Verteilung. Er verstehe nicht, wie der portugiesische EU-Vorsitz einen "Kompromiss" ankündigen könne, wenn damit Tschechien, Österreich und Slowenien nicht einverstanden seien, sagte Babis gegenüber der Nachrichtenagentur "CTK".

"Solidarität gibt es nur in Presseaussendungen. Hinter verschlossenen Türen gibt es keine Solidarität", meinte Babis. Bei den Verhandlungen habe sich der Wunsch durchgesetzt, den österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) dafür zu bestrafen, dass er gegen die unausgewogene Verteilung von Impfstoffen innerhalb der EU protestiert habe. Die portugiesische Lösung sei unter starkem Druck großer Staaten und unter Verletzung aller Verfahrensregeln entstanden, so Babis.

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  • Nach zähen Verhandlungen einigten sich die EU-Staaten am Donnerstag auf die Verteilung von 10 Millionen zusätzlichen Impfdosen. Österreichs Verhandlungstaktik scheint dabei wenig Anklang gefunden zu haben.

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