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Drohnenangriff auf Charkiw: Zwei Tote und über 50 Verletzte

10. Juni 2025 · Lesedauer 5 min

Erneut hat es bei russischen Luftangriffen auf die Ukraine in der Nacht auf Mittwoch Tote und Dutzende Verletzte gegeben. In der ostukrainischen Stadt Charkiw wurden nach Angaben der regionalen Behörden bei einem heftigen Drohnenangriff mindestens drei Menschen getötet. Mehr als 60 Menschen seien verletzt worden, darunter 9 Kinder, schrieb Regionalgouverneur Oleh Synjehubow auf Telegram. Die Attacke folgt auf eine Reihe massiver Luftangriffe der vergangenen Tage.

Vor diesem Hintergrund treibt die EU neue Sanktionen gegen Russlands Ölsektor voran. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert die westlichen Industrieländer dabei auf, ihre Preisobergrenze für russisches Öl zu halbieren. Die Öl-Preisobergrenze soll Russlands Einnahmen aus Ölexporten begrenzen, ohne die weltweite Energieversorgung zu gefährden. Westliche Staaten dürfen russisches Öl nur kaufen, wenn der Preis diese Obergrenze nicht überschreitet.

Russische Truppen haben nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau den Westen der ukrainischen Region Donezk erreicht. Dort stießen Infanterieeinheiten weiter vor und setzten gemeinsam mit einer Panzerdivision ihre Offensive gegen die angrenzende Region Dnipropetrowsk fort, teilte das Ministerium weiter mit. Der Kreml hatte erklärt, in Dnipropetrowsk eine Pufferzone einrichten zu wollen. Die Region gehört nicht zu den fünf ukrainischen Gebieten, die Moskau völkerrechtswidrig als eigenes Territorium beansprucht: Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson sowie die Halbinsel Krim.

Erst in der Nacht auf Montag hatte Russland die benachbarte Ukraine mit dem seit Kriegsbeginn zahlenmäßig größten Drohnenangriff überzogen. Vor wenigen Tagen war auch der bisher heftigste Angriff auf Charkiw mit mehreren Toten und zahlreichen Verletzten gemeldet worden.

Bürgermeister Ihor Terechow berichtete von getroffenen Wohnhäusern, Spielplätzen und Geschäften sowie einem größeren Brand. Die intensiven Angriffe mit 17 Drohnen lösten Brände in einem fünfstöckigen Wohnhaus aus. Der Nachrichtenagentur RBK-Ukraine zufolge wurden auch Gebäude von Unternehmen beschädigt.

Ein Reuters-Reporter beobachtete, wie Rettungskräfte Menschen aus beschädigten Gebäuden halfen und Verletzte versorgten, während Feuerwehrleute in der Dunkelheit gegen die Brände kämpften. Neun der Verletzten wurden ins Krankenhaus eingeliefert, darunter ein zweijähriges Mädchen und ein 15 Jahre alter Bub, erklärte Oleh Sinehubov, der Gouverneur der Region Charkiw.

"Wir halten durch. Wir helfen einander. Und wir werden definitiv überleben", sagte Terechow. "Charkiw ist Ukraine. Und es kann nicht gebrochen werden." Der Angriff war Teil einer größeren nächtlichen Offensive. Das ukrainische Militär meldete, Russland habe 85 Drohnen gestartet, von denen 40 abgeschossen worden seien. "Die Hauptziele des Luftangriffs sind die Regionen Charkiw, Donezk und Odessa", teilte das Militär auf Telegram mit.

Ihrerseits griff die Ukraine das russische Hinterland mit Drohnen an. Ein Ziel war dabei nach Medienberichten eine Sprengstofffabrik in der Stadt Kotowsk im Gebiet Tambow.

EU stellt neue Sanktionen vor - Selenskyj fordert mehr

Die Preisobergrenze für russisches Öl liegt derzeit bei 60 Dollar pro Barrel. Selenskyj will diese halbieren. "Jeder unserer Partner weiß, welcher Preisdeckel nötig ist - 30 Dollar (pro Barrel), nicht mehr", sagte er in seiner abendlichen Videobotschaft. Selenskyj bezog sich auf den Vorschlag der EU-Kommission, die Preisobergrenze auf 45 Dollar zu senken.

Die Halbierung würde nach Ansicht Selenskyjs Russland tatsächlich unter Druck setzen, Frieden zu suchen. Andere Motive verstehe Moskau nicht. Er sei im Bilde darüber, dass der Westen derzeit über einen Preiskompromiss verhandle. "Schluss mit den Kompromissen gegenüber Russland", jeder dieser Kompromisse verzögere den Frieden, sagte Selenskyj.

Die EU-Kommission hatte zuvor neue Sanktionen gegen Russland vorgeschlagen, die den Energie- und Bankensektor der Atommacht treffen sollen. Allerdings müssen die Mitgliedsländer den Maßnahmen noch zustimmen. Die Regierung der Slowakei hat schon Widerstand gegen das 18. Sanktionspaket angekündigt. Bratislava stört sich am geplanten Aus für den Import von Gas, Öl und Kernbrennstoffen.

G7-Treffen gilt als richtungsweisend

"Die Ölpreisobergrenze ist eine Maßnahme der G7-Koalition, daher werden wir Ende dieser Woche oder Anfang nächster Woche beim G7-Gipfel in Kanada darüber beraten, wie wir gemeinsam vorgehen wollen", sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Das Gipfeltreffen der sieben westlichen Industrienationen (G7) findet am 15. bis 17. Juni in Kanada statt. Mitglieder der "Gruppe der Sieben" sind Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA. Auch US-Präsident Donald Trump wird erwartet.

Trump gegenüber Russland abwartend

Trump selbst hat bisher neue Sanktionen gegen Russland vermieden und stattdessen den Druck auf die angegriffene Ukraine erhöht. Damit soll seinen Worten nach eine Beendigung des Kriegs erreicht werden. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Joe Biden sieht sich Trump nicht als Unterstützer der Ukraine, sondern als Vermittler.

Im US-Senat wird allerdings derzeit ein neues Sanktionspaket gegen Russland vorbereitet. Und auch Trump hatte sich unzufrieden mit den heftigen russischen Angriffen gegen ukrainische Städte gezeigt.

Angriffswucht der Russen zuletzt stetig gestiegen

So hatte Russland erst in der Nacht zum Montag die benachbarte Ukraine mit dem seit Kriegsbeginn zahlenmäßig größten Drohnenangriff überzogen. Zum Einsatz gekommen seien 479 Kampfdrohnen des Typs Shahed und deren Attrappen, 4 Hyperschallraketen des Typs Kinschal, 14 verschiedene Marschflugkörper und 2 Luft-Boden-Raketen des Typs Ch-31, wie die ukrainische Luftwaffe mitteilte. Unabhängig lassen sich die Angaben nicht überprüfen. Es hatte mehrere Verletzte gegeben.

Auch davor gab es mehrere Nächte mit einer Rekordzahl an Drohnen. Nach Darstellung Selenskyjs sind die Attacken mit immer höheren Drohnenzahlen keine Reaktion auf den ukrainischen Coup gegen die strategische Bomberflotte Russlands zu Monatsbeginn. Russland setze seit Monaten immer mehr Waffen bei den Angriffen ein, betonte Selenskyj. Der Trend sei stetig und zeuge davon, dass Russland nicht an Frieden interessiert sei.

Moskau meldet Abschuss mehrerer Drohnen

In der zentralrussischen Region Woronesch fing die Luftabwehr unterdessen mindestens fünf ukrainische Drohnen ab, wie die Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf den hiesigen Gouverneur Alexander Gussew schrieb. Es habe keine Verletzten oder Schäden gegeben. Der Luftverkehrsbehörde zufolge wurde der Flugverkehr an den Flughäfen in an zwei Flughäfen in Kaluga und Saratow vorübergehend eingeschränkt, so Tass.

Zusammenfassung
  • Bei einem russischen Drohnenangriff auf Charkiw wurden mindestens drei Menschen getötet und über 60 verletzt, darunter neun Kinder.
  • In der Nacht wurden 17 Drohnen auf die Stadt abgefeuert, insgesamt meldete das ukrainische Militär 85 gestartete russische Drohnen, von denen 40 abgeschossen wurden.
  • Die EU-Kommission schlägt neue Sanktionen gegen Russland vor und plant, die Ölpreisobergrenze von derzeit 60 Dollar pro Barrel auf 45 Dollar zu senken, während Präsident Selenskyj eine Halbierung auf 30 Dollar fordert.
  • Russische Truppen meldeten Geländegewinne im Westen der Region Donezk und setzen ihre Offensive Richtung Dnipropetrowsk fort.
  • Auch die Ukraine griff mit Drohnen russisches Hinterland an, darunter eine Sprengstofffabrik in Kotowsk, während die russische Luftabwehr mindestens fünf ukrainische Drohnen über Woronesch abschoss.