"Die Ampel steht": So sieht die neue Regierung Deutschlands aus

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SPD, Grüne und FDP haben sich auf ein Koalitionsabkommen und die Ressortaufteilung geeinigt. Die Sozialdemokraten stellen mit Olaf Scholz den Kanzler und sechs Ministerien, die Grüne erhalten fünf Ressorts, die FDP vier.

Die SPD stellt mit Olaf Scholz den Bundeskanzler, die Grünen stellen mit Robert Habeck den Vizekanzler. Habeck soll auch das "Superministerium" für Wirtschaft und Klimaschutz leiten. Annalena Baerbock soll Außenministerin werden. Christian Lindner wird Finanzminister.

Die SPD stellt insgesamt die Leitung folgender Ministerien: Innen und Heimat; Arbeit und Soziales; Verteidigung; Gesundheit; Bauen sowie Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Auch der Chef des Bundeskanzleramtes im Rang eines Bundesministers wird von der SPD gestellt. Dieses Amt dürfte an Wolfgang Schmidt gehen, bisher Staatssekretär im Finanzministerium und langjähriger Scholz-Vertrauter.

Die Grünen erhalten das Auswärtige Amt; Wirtschaft und Klimaschutz; Familie, Senioren, Frauen und Jugend; Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz sowie Ernährung und Landwirtschaft. Die FDP stellt die Ministerien Finanzen; Justiz; Verkehr und Digitales sowie Bildung und Forschung. 

Finanzminister wird demnach Christian Linder von der FDP. Er wird die Kabinettssitzung leiten und ist damit gewissermaßen Vize-Vize-Bundeskanzler.

Merkel-Ära endet nach 16 Jahren

Der Koalitionsvertrag muss bei SPD und FDP jeweils durch Parteitage und bei den Grünen in einer Mitgliederbefragung gebilligt werden. In der Woche nach Nikolo soll der bisherige Finanzminister Scholz im Bundestag zum Kanzler gewählt werden. Damit endet nach 16 Jahren die Ära von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die bei der Bundestagswahl am 26. September nicht wieder kandidiert hatte.

Inhaltliche Schwerpunkte

Wohl mit Rücksicht auf die Wahlversprechen der FDP wurde vereinbart, dass keine neuen Substanzsteuern eingeführt und Steuern wie die Einkommen-, Unternehmens- oder Mehrwertsteuer nicht erhöht würden. Im ersten Jahr einer Ampelkoalition soll der gesetzliche Mindestlohn auf zwölf Euro pro Stunde erhöht werden. Dies war ein zentrales Wahlversprechen der SPD. Das Wahlalter für Bundestags- und Europawahlen soll von 18 auf 16 Jahre gesenkt werden.

Zur Einhaltung der Klimaschutzziele wurde in dem Papier auch festgelegt, den Ausstieg aus der Kohleverstromung zu beschleunigen und möglichst auf 2030 vorzuziehen. Bisher ist der Kohleausstieg bis spätestens 2038 geplant. Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen, wie von den Grünen gefordert, soll nicht kommen. Zum Thema Migration wurde vereinbart, Asylverfahren, die Verfahren zur Familienzusammenführung und die Rückführungen zu beschleunigen. Es sollen legale Zugangswege nach Deutschland geschaffen werden.

Ingo Hasewend, Chef vom Dienst bei den "Salzburger Nachrichten", spricht mit PULS 24 Anchorwoman Bianca Ambros über die deutsche Ampel-Koalition.

Impfpflicht und Krisenstab

Scholz kündigte nach Abschluss der Verhandlungen mit Grünen und FDP eine "Koalition auf Augenhöhe" an. Ziel sei keine Politik "des kleinsten gemeinsamen Nenners", sondern gemeinsam "eine Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts", um "das Land besser zu machen". "Uns eint der Glaube an den Fortschritt", hob Scholz bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages für die geplante Ampel-Regierung weiter hervor. Angesichts immer stärker steigender Corona-Zahlen auch in Deutschland kündigte Scholz einen ständigen Corona-Krisenstab im Kanzleramt an. Er sprach sich zugleich für eine Impfpflicht in bestimmten Einrichtungen mit Risikogruppen aus. "Impfen ist der Ausweg aus dieser Pandemie." Der SPD-Politiker sagte weiter: "In Einrichtungen, in denen besonders vulnerable Gruppen betreut werden, sollten wir die Impfung verpflichtend machen. Eine Ausweitung dieser Regelung bleibt zu prüfen."

FDP-Chef Christian Lindner betonte, Deutschland werde "der Anwalt solider Finanzen" bleiben. Ziele der Ampel seien zudem, private Initiative, privates Know-how und privates Kapital zu entfesseln. Auch müsse der Staat digitalisiert, die Bildung verbessert, sozialer Aufstieg erleichtert werden und eine gesellschaftspolitische Liberalisierung gelingen. Lindner würdigte Scholz als "starke Führungspersönlichkeit".

"1,5-Grad-Pfad"

Grünen-Co-Chef Robert Habeck äußerte sich zufrieden mit dem Koalitionsvertrag, insbesondere mit den Vereinbarungen zur Klimapolitik. "Wir sind auf einem 1,5-Grad-Pfad", sagt er. Die Ampel-Parteien wollten eine neue Geschichte schreiben, die "die Vereinbarkeit von Wohlstand und Klimaschutz" zeige. Statt immer neue Klimaschutzziele zu setzen, habe man sich entschieden, konkrete Maßnahmen zu vereinbaren. Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP ebnet nach Worten der Grünen-Ko-Vorsitzenden Annalena Baerbock den Weg Deutschlands in die Klimaneutralität. Die Ampel-Parteien wollten nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner suchen, sondern in den entscheidenden Bereichen einen Paradigmenwechsel einleiten, sagte Baerbock.

Christoph Zotter, Journalist bei "Die Presse", spricht  mit PULS 24 über die neue Regierung in Deutschland.

CDU kritisiert Pläne zur Zuwanderung

Die CSU hat den deutschen Ampel-Parteien ein konstruktives Miteinander etwa im Kampf gegen die Corona-Krise angeboten - aber auch eine kritische Oppositionspolitik angekündigt. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak bezeichnete den Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien als blass und unkonkret. Gerade bei der Finanzierung der Vorhaben gebe es "mehr Fragezeichen als Ausrufezeichen", bemängelte er am Mittwoch in Berlin. Kritik gab es auch an den Plänen zur Zuwanderung.

Deutliche Kritik übte Ziemiak vor allem am innenpolitischen Teil des Koalitionsvertrags. Dort werde der Eindruck erweckt, "als ob wir in einem autoritären Polizeistaat leben würden". Sorgen äußerte er zudem an den Plänen der Bündnispartner bei der Zuwanderung: Die vereinbarten Maßnahmen führten nicht zu weniger, sondern zu mehr illegaler Migration. Zudem würden in den Vereinbarungen von SPD, Grünen und FDP viele Chancen verpasst wie zum Beispiel die Einrichtung eines Digitalministeriums.

Kritisch äußerte sich auch der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus. "Wir erkennen nicht den Aufbruch", sagte Brinkhaus am Mittwoch in Berlin. Es gebe großzügige Versprechungen - etwa einen sozialpolitischen "Ausgaben-Wumms" - aber es fehle an der notwendigen Gegenfinanzierung: "Wir sehen nicht, wie das finanziell untermauert ist."

"Am Ende geht es jetzt um Deutschland"

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt warnte, von SPD, Grünen und FDP würden zahlreiche Schlupflöcher für die Aufnahme neuer Schulden geschaffen. Gleichzeitig warnte er vor den Ampel-Plänen bei der Zuwanderung: Nach seinen Worten drohen neue Anreize, die zu erheblich mehr Migration nach Deutschland führen werde.

Er wünsche der neuen Ampel-Regierung alles Gute bei der Arbeit und den anstehenden Aufgaben, sagte CSU-Generalsekretär Markus Blume am Mittwoch in München. "Denn am Ende geht es jetzt um Deutschland."

Wolfgang Ainetter, früherer Journalist und Kommunikationschef im Verkehrsministerium, spricht mit PULS 24 über die Ampel-Koalition in Deutschland.

"Wir brauchen gemeinsame Entscheidungen an vielen Stellen, wir brauchen Entschlossenheit - die darf in diesen Tagen nicht fehlen", forderte Blume. "Corona wartet nicht auf Regierungsbildungen." Es brauche nun entschlossenes, gemeinsames, konsequentes Handeln.

Die Union werde jedenfalls konstruktiv sein an den Stellen, wo man eine gemeinsam Verantwortung habe, und kritisch sein, wo man das Gefühl habe, dass Entscheidungen in die falsche Richtung gingen.

Konkret warf Blume SPD, Grünen und FDP falsche Schwerpunktsetzungen vor, etwa mit der Legalisierung von Cannabis. Und echte Konfliktlinien gebe es etwa im Bereich Innere Sicherheit. "Hier weht nach unserem Gefühl der Geist des Misstrauens gegenüber unseren Sicherheitskräften." Zudem kritisierte Blume, in der Migrationspolitik sollten offenkundig Grundkoordinaten verschoben werden - es drohe eine deutliche Ausweitung der Zuwanderung.

ribbon Zusammenfassung
  • SPD, Grüne und FDP haben sich auf ein Koalitionsabkommen und die Ressortaufteilung geeinigt.
  • Die SPD stellt mit Olaf Scholz den Bundeskanzler, die Grünen stellen mit Robert Habeck den Vizekanzler. 
  • Die SPD stellt die Leitung folgender Ministerien: Innen und Heimat; Arbeit und Soziales; Verteidigung; Gesundheit; Bauen sowie Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. 
  • Die Grünen erhalten das Auswärtige Amt; Wirtschaft und Klimaschutz; Familie, Senioren, Frauen und Jugend; Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz sowie Ernährung und Landwirtschaft.
  • Die FDP stellt die Ministerien Finanzen; Justiz; Verkehr und Digitales sowie Bildung und Forschung. 

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