Der "typisch österreichische" Weg durch die Pandemie

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Unzählige Maßnahmen, föderale Flickenteppiche und nicht nachvollziehbare Entscheidungen. Die Politik war in der Corona-Pandemie extrem gefordert, und hat sich dabei oft auch nicht "sehr graziös" angestellt, findet Moritz Moser, Chefredakteur der "Neuen Vorarlberger Tageszeitung". Für Public-Health-Experten Armin Fidler waren manche Entscheidungen gar "völlig überzogen".

Zum Ausbruch der Pandemie hatte die Regierung auch wegen eines veralteten Gesetzes Schwierigkeiten, in den Alltag der Menschen einzugreifen. Das Epidemiegesetz war aus den 50er Jahren und geht laut Moser im Kern sogar ins Jahr 1913 zurück.

Der Neue-Chefredakteur hat Verständnis für das anfängliche Chaos in der Gesetzgebung: "Es war sehr viel Durcheinander. In der Anfangszeit war das natürlich auch erklärbar - man wusste nicht genau, wie man reagieren soll. Natürlich musste man auch schnell reagieren. Da können Fehler passieren, auch in der Legistik, das ist ganz klar."

Diese anfänglichen Kinderkrankheiten seien jedoch nicht ausreichend behoben worden. Der Verfassungsgerichtshof (VfGh) kippte mehrere Verordnungen der Regierung, teilweise mit eklatanten Fehlern. Das waren "aufgelegte Elfmeter, die man sich hätte sparen können", so Moser.

"Die Tiroler Behörden haben gelogen"

Doch auch in der Kommunikation gab es Probleme. Fehler wurden so gut wie nie eingestanden. Zu Beginn der Pandemie ließ man chinesische Flugzeuge weiter einreisen, weil man sich nicht mit Peking anlegen wollte. Und Neuinfektionen betreffend verdrehte man die Tatsachen, wie Moser sagte: "Das ist typisch österreichisch abgelaufen". Die "Tiroler Behörden haben gelogen", ergänzte er. 

Eine politische Aufarbeitung sei dringend notwendig. Der Journalist ist sich jedoch nicht sicher, mit wem sich Nehammer jetzt genau versöhnen möchte, wie es der Kanzler angekündigt hatte: "Ich glaube nicht, dass der Bundeskanzler hier eine Kommission besetzen wird mit irgendwelchen Schwurblern". 

Fidler: "Das war völlig überzogen"

Public-Health-Experte Armin Fidler stellte fest, dass der Beginn der Pandemie für alle schwierig war - daher müsse man auch Verständnis für Entscheidungen haben, die im Nachhinein unverständlich wirken. Fidler meinte: "Zur Zeit des ersten Lockdowns hatten wir überhaupt keine Instrumente in unserem Toolkit" - keine Tests, Impfungen oder Therapieformen. Daher sei das nachvollziehbar gewesen. 

Heftige Kritik übt Fidler hingegen an den Grenzschließungen. Vor allem im Westen Österreichs habe das für massive Probleme gesorgt: "Das war völlig überzogen, das war unnotwendig, das hat großen ökonomischen und sozialen Schaden zugefügt und war epidemiologisch gesehen ein völliger Unsinn". 

"Das wäre für mich ein besserer Weg gewesen" 

Bei der Corona-Impfung hätte Fidler gerne eine andere Regelung gesehen. Statt der krachend gescheiterten Impfpflicht hätte er sich für eine "selektive Impfpflicht" eingesetzt, etwa für Mitarbeiter im Gesundheits- und Pflegebereich sowie in der Bildung. Gerade im Gesundheitsbereich sei es nichts Neues, dass man von den Mitarbeitern bestimmte Impfungen verlange. 

"Die Impfung hat immer noch ihren Stellenwert", ist sich Fidler sicher. Und auch nach dem Maskenpflicht-Ende in Wien hofft er darauf, dass die Maske noch in unserem Alltag erhalten bleibt - jedoch nicht mit Zwang. Zu Masken brauche es einen anderen "Zugang". "Wir sollten uns da ein bisschen was von asiatischen Gesellschaften abpausen", so Fidler. Nämlich, dass man Masken freiwillig trägt - auch "aus Höflichkeit dem anderen gegenüber". 

Virologen rechnen mit Maßnahmen ab

Einige Corona-Maßnahmen waren "nicht notwendig", andere politisches Kalkül, sagen Spitzen-Virologen auch bei "Pro und Contra". Käme nun die nächste Pandemie, stünden wir nicht besser da, befürchtet Hendrik Streeck vom deutschen Corona-Expertenrat. Diese Meinung vertritt Armin Fidler jedoch nicht: "Die Wissenschaft ist ja fortgeschritten. Es ist ja nicht so, dass wir den gleichen Wissensstand haben wie zu Beginn der Pandemie."

ribbon Zusammenfassung
  • Unzählige Maßnahmen, föderale Flickenteppiche und nicht nachvollziehbare Entscheidungen. Die Politik war in der Corona-Pandemie extrem gefordert.
  • Dabei hat sie sich oft auch nicht "sehr graziös" angestellt, findet Moritz Moser, Chefredakteur der "Neuen Vorarlberger Tageszeitung".
  • Für Public-Health-Experten Armin Fidler waren manche Entscheidungen gar "völlig überzogen".

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