Demonstration gegen Justizreform vor israelischem Parlament

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Rund 90.000 Israelis haben am Montag Medienberichten zufolge vor dem Parlament in Jerusalem gegen die geplante Justizreform protestiert. Die Demonstranten, die aus verschiedenen Landesteilen angereist waren, schwenkten israelische Flaggen und hielten Protestschilder in die Höhe. "Wir retten die Demokratie", stand auf einem davon. Landesweit kam es zu weiteren Protesten. Mitglieder zahlreicher Berufsgruppen nahmen am Montag an einem Streik teil.

Der Justizausschuss der Knesset billigte am Montag trotz des Widerstands einen Teil der umstrittenen Reform. Insgesamt sind für eine Gesetzesänderung noch drei Lesungen im Parlament notwendig. Bei der Debatte in dem Ausschuss kam es zu tumultartigen Szenen. Mitglieder der Opposition machten ihren Protest lautstark deutlich, sprangen über Tische und riefen immer wieder: "Schande, Schande, Schande!" Kurz darauf wurden sie von Ordnern aus dem Raum gezerrt. Eine Abgeordnete der Oppositionspartei Israel Beitenu brach angesichts der Lage in Tränen aus.

Der Tel Aviver Bürgermeister Ron Chuldai sorgte mit scharfen Äußerungen für Aufregung. "Diktaturen werden nur durch Blutvergießen wieder zu Demokratien", sagte er bei einem Protestmarsch. "Das ist die Geschichte der Welt. Länder haben sich mithilfe der Demokratie in Diktaturen verwandelt, und leider haben wir schreckliche Dinge gesehen, einschließlich derer, unter denen wir als Volk gelitten haben."

Seit Wochen demonstrieren Zehntausende von Israelis gegen das Vorhaben der Regierung von Benjamin Netanyahu, das Höchste Gericht gezielt zu schwächen. Ziel der Reform ist es, dem Parlament die Macht zu verleihen, mit einer einfachen Mehrheit Entscheidungen des Höchstgerichts aufzuheben. Politiker sollen außerdem bei der Ernennung von Richtern mehr Einfluss erhalten. Kritiker sehen dies als Gefahr für die demokratische Gewaltenteilung.

Weil eine schriftliche Verfassung in Israel fehlt, kommt dem Höchsten Gericht eine besondere Bedeutung bei der Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten zu. Die rechts-religiöse Regierung argumentiert jedoch, das Gericht übe derzeit zu viel politischen Einfluss aus.

Angesichts der extremen Spannungen zwischen beiden Lagern warnte Staatspräsident Yitzhak Herzog in einer Ansprache Sonntagabend vor einem verfassungsrechtlichen und sozialen Zusammenbruch Israels: "Wir sind nur noch wenige Momente von einem Zusammenstoß entfernt, vielleicht sogar einem gewalttätigen." Er rief zu einem Dialog beider Seiten und einem Kompromiss auf.

Bei einem israelischen Militäreinsatz in Nablus im Westjordanland wurde unterdessen am Montag ein 22-jähriger Palästinenser getötet. Nach Armeeangaben wurden bei der Razzia zwei mutmaßliche Attentäter gefasst. Sie werden verdächtigt, im Oktober einen israelischen Soldaten im Westjordanland erschossen zu haben.

Nach einem Raketenangriff aus dem Gazastreifen beschoss die israelische Luftwaffe in der Nacht auf Montag einen unterirdischen Komplex. Dieser habe Rohmaterialien für die Herstellung von Raketen der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas-Organisation beherbergt, teilte die Armee mit. In der Nacht außerdem seien vier weitere Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert worden.

Die Sicherheitslage in Israel und den Palästinensergebieten ist seit Wochen extrem angespannt. Neun Israelis und eine Ukrainerin sind seit Jahresbeginn bei palästinensischen Anschlägen getötet worden. Bei Razzien der israelischen Armee sowie ihren eigenen Anschlägen kamen allein in diesem Jahr 47 Palästinenser ums Leben.

Israels Sicherheitskabinett beschloss Sonntagabend, als Reaktion auf die Anschläge neun nicht genehmigte Siedlungsaußenposten im besetzten Westjordanland zu legalisieren. Ägypten und Jordanien verurteilten die Entscheidung. Israel hatte 1967 das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Insgesamt leben dort heute mehr als 600.000 israelische Siedler. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen unabhängigen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt.

Israel unterscheidet zwischen Siedlungen, die mit Genehmigung der Regierung entstanden, und "wilden Siedlungen", die per Gesetz rückwirkend legalisiert werden sollen. Aus internationaler Sicht sind dagegen alle Siedlungen illegal.

ribbon Zusammenfassung
  • Rund 90.000 Israelis haben am Montag Medienberichten zufolge vor dem Parlament in Jerusalem gegen die geplante Justizreform protestiert.
  • Insgesamt sind für eine Gesetzesänderung noch drei Lesungen im Parlament notwendig.
  • Bei einem israelischen Militäreinsatz in Nablus im Westjordanland wurde unterdessen am Montag ein 22-jähriger Palästinenser getötet.
  • Nach Armeeangaben wurden bei der Razzia zwei mutmaßliche Attentäter gefasst.