Christoph Wiederkehr, wie Sie ihn noch nicht kennen

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NEOS-Spitzenkandidat Christoph Wiederkehr fehlt die Bekanntheit seiner Parteichefin und Vorgängerin als Landeschef, Beate Meinl-Reisinger. Er versucht dafür mit Kompetenz und Seriosität zu punkten.

Ein linker Revoluzzer wird aus Christoph Wiederkehr sicher keiner mehr. Trotzdem positioniert er sich im Wahlkampf ideologisch überraschend: Der Spitzenkandidat der liberalen NEOS bietet sich der SPÖ als Koalitionspartner an und schloss eine Koalition mit der bürgerlichen ÖVP von Gernot Blümel aus. Das macht er nicht (nur) aus machtpolitischem Kalkül (die SPÖ dürfte allen Umfragen zufolge deutlich über 40 Prozent kommen), sondern wohl durchaus auch aus Überzeugung.

Christoph Wiederkehr wurde 1990 in Salzburg geboren, wo er seine Kindheit und Jugend verbrachte. Dort besuchte er auch das Erzbischöfliches Privatgymnasium Borromäum, die bis zum Herbst 2020 letzte reine Bubenschule in Österreich. Hier trat er auch zum ersten Mal bei einer Wahl an - nämlich als Schulsprecher, um zu verhindern, dass ein Schulfest abgesagt wird. Das schaffte er dann schlussendlich auch, wie er im Café PULS Interview erzählte und er erreichte die Einführung einer Schuljause.

Christoph Wiederkehr im Café PULS Talk

Das klingt nun nicht gerade wie ein spektakulärer Akt der Rebellion, aber spiegelt durchaus Wiederkehrs Selbstbild wieder: Er ist kein Revolutionär, der das System umwerfen will, sondern ein kritischer Geist, der Autorität kontrollieren und Konstruktives schaffen will.

Eine Einstellung die auch mit seiner Familiengeschichte zusammenhängt, wie er selbst erzählt. Sein Vater sei im kommunistischen Ungarn aufgewachsen und allein nach Österreich emigriert, so Wiederkehr. Daher kämen sein Gerechtigkeitssinn und die Meinung, "dass der Staat und die Mächtigen kontrolliert gehören". "Die Mächtigen" sind für ihn die Erzbischöfliche Schulleitung in Salzburg ebenso wie SPÖ in Wien, mit beiden wollte und will er aber konstruktiv zusammenarbeiten.

Vom Studium an den Verfassungsgerichtshof

Nach dem Gymnasium studierte Wiederkehr Rechts- und Politikwissenschaften in Wien. In Australien absolvierte er ein Auslandssemester und war von Oktober bis Dezember 2012 Praktikant an der Österreichischen Botschaft in Canberra. Nach Abschluss seines Studiums ist Wiederkehr seit 2013 Mitarbeiter am Verfassungsgerichtshof.

Bei den NEOS dockte er schon während des Studiums an. Von September 2013 bis Juni 2015 war er Vorsitzender des Studentenverbands der NEOS. Seit November 2015 ist er Vorsitzender der Jugendorganisation JUNOS. Im November 2015 wechselte er als einer von fünf NEOS-Abgeordneten in den Wiener Landtag, wo er seit dem 27. September 2018 als Nachfolger von Beate Meinl-Reisinger Klubvorsitzender ist. Im Dezember 2018 wurde er zum NEOS-Landessprecher gewählt und im Juli 2020 schließlich zum Spitzenkandidaten.

Mit Stimmen der Mitte zu Rot-Pink?

Bei seiner Wahl zum Spitzenkandidaten gab Wiederkehr auch die Parole aus, dass es keine Koalition mit der ÖVP geben werde. "Die Türkisen betreiben ein Geschäft mit der Angst, das ich aus Überzeugung ablehne. Blümel schert sich nicht um Wien, sondern missbraucht die Stadt als Wahlkampf-Bühne", sagte er damals.

Da steckt sicherlich auch Kalkül dahinter: Da die türkise ÖVP unter Blümel stetig nach rechts gerückt ist, wollen die NEOS liberale und bürgerliche Stimmen der Mitte abgreifen. Mit dem Wahlslogan "Kennt keiner, kann aber viel" werben die NEOS für Wiederkehr. Ob er damit überzeugen und die erste rot-pinke Koalition in Österreich schmieden kann, werden die Wähler entscheiden.

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  • NEOS-Spitzenkandidat Christoph Wiederkehr fehlt die Bekanntheit seiner Parteichefin und Vorgängerin als Landeschef, Beate Meinl-Reisinger. Er versucht dafür mit Kompetenz und Seriosität zu punkten.