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Chats von Hamas-Chef: "Kalte Missachtung von Menschenleben"

Jihia al-Sinwar, Chef der islamistischen Terrororganisation Hamas, soll in Chats geäußert haben, sich Vorteile durch tote Zivilisten im Gazastreifen zu erhoffen. Deshalb soll er einer Waffenruhe noch nicht zugestimmt haben.

Jihia al-Sinwar soll einer Waffenruhe mit Israel nicht zugestimmt haben, weil er sich von anhaltenden Kämpfen und steigenden Opferzahlen unter palästinensischen Zivilisten Vorteile verspricht. Das gehe aus Nachrichten hervor, die Al-Sinwar kürzlich an die an Verhandlungen einer Waffenruhe beteiligten Hamas-Vertreter geschickt habe, berichtete das "Wall Street Journal". 

"Kalte Missachtung von Menschenleben"

Die Zeitung hatte eigenen Angaben zufolge Zugang zu Dutzenden Nachrichten, von denen nicht klar wurde, ob es sich um Text-, Sprach- oder andere Arten von Nachrichten handelt. Demnach soll der Hamas-Chef darin "eine kalte Missachtung von Menschenleben an den Tag gelegt und deutlich gemacht, dass er glaubt, dass Israel durch den Krieg mehr zu verlieren hat als die Hamas". 

"Wir haben die Israelis genau da, wo wir sie haben wollen", soll er der Zeitung zufolge kürzlich in einer Nachricht geäußert haben.

Al-Sinwar sei nicht der erste Palästinenserführer, der Blutvergießen als Druckmittel gegen Israel einsetze. Aber das Ausmaß der Kollateralschäden in diesem Krieg - getötete Zivilisten und angerichtete Zerstörung - sei zwischen Israelis und Palästinensern beispiellos.

"Dinge gerieten außer Kontrolle"

Al-Sinwar habe die Terrorangriffe der Hamas vom 7. Oktober im israelischen Grenzgebiet, die den derzeitigen Gaza-Krieg auslösten, geplant. Ganz frühe Nachrichten an die Unterhändler einer Waffenruhe zeigten aber, dass er über die Brutalität der Hamas-Kämpfer und anderer Palästinenser überrascht gewesen sei und auch darüber, wie leicht sie Gräueltaten begangen hätten, so die Zeitung weiter.

"Dinge gerieten außer Kontrolle", habe er in einer der Nachrichten geschrieben und sich dabei auf die Banden bezogen, die zivile Frauen und Kinder als Geiseln nahmen. "Menschen wurden darin verwickelt, und das hätte nicht passieren dürfen."

Waffenruhe-Vorschlag: Hamas signalisierte Zustimmung

Trotz Israels heftiger Bemühungen, ihn zu töten, lebt Al-Sinwar an einem unbekannten Ort im Gazastreifen. Die Nachrichten zeigten auch, dass er bereit wäre, im Kampf zu sterben, schreibt die Zeitung weiter.

Verhandlungen stocken

Unterdessen gerieten die Verhandlungen um eine Waffenruhe am Mittwoch weiter ins Stocken. US-Außenminister Antony Blinken und die Hamas warfen sich am Mittwoch gegenseitig vor, falsche Angaben zu machen oder von bereits gemachten Zusagen wieder abzurücken. In Doha sagte Blinken, die palästinensische Gruppierung habe bereits erreichte Einigungen in Frage gestellt.

"Stattdessen wartete die Hamas fast zwei Wochen und schlug dann weitere Änderungen vor, von denen einige über die Positionen hinausgehen, die sie zuvor vertreten und akzeptiert hatte", sagte Blinken. Einige der Änderungen seien umsetzbar, einige nicht. Die Hamas widersprach umgehend. Man habe keine Nachbesserungen verlangt, sagte das führende Hamas-Mitglied Osama Hamdan im Fernsehsender Al-Arabi TV. Vielmehr sei Blinken bei der Suche nach einer Lösung "Teil des Problems und nicht der Lösung".

Der aktuell zur Diskussion stehende Fahrplan für ein Ende der Kämpfe sieht einen Waffenstillstand und eine schrittweise Freilassung israelischer Geiseln im Austausch gegen in Israel inhaftierte Palästinenser vor. Dies soll Voraussetzung für einen dauerhaften Waffenstillstand sein.

Nach US-Angaben hat Israel den Vorschlag akzeptiert. Öffentlich hat sich die Regierung in Jerusalem aber noch nicht dazu geäußert.

Video: Israels Armee befreit vier lebende Hamas-Geiseln

ribbon Zusammenfassung
  • Jihia al-Sinwar, Chef der islamistischen Terrororganisation Hamas, soll in Chats geäußert haben, sich Vorteile durch tote Zivilisten im Gazastreifen zu erhoffen.
  • Deshalb soll er einer Waffenruhe noch nicht zugestimmt haben.
  • Unterdessen gerieten die Verhandlungen um eine Waffenruhe am Mittwoch weiter ins Stocken. US-Außenminister Antony Blinken und die Hamas warfen sich am Mittwoch gegenseitig vor, falsche Angaben zu machen.