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Britische Tories stürzen wegen Johnsons "Partygate" ab

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Belastet von schlechten Umfragen und einem verheerenden Medienecho kämpft der britische Premierminister Boris Johnson in der "Partygate"-Affäre um sein Amt. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov im Auftrag der Zeitung "Times" (Donnerstag) zufolge wuchs der Vorsprung der oppositionellen Labour-Partei vor Johnsons Konservativen auf zehn Prozentpunkte - die größte Differenz seit Dezember 2013. Vier Tory-Abgeordnete forderten bereits den Rücktritt Johnsons.

Der Premier war unterdessen bemüht, die penible Einhaltung von Corona-Vorschriften zu demonstrieren. So sagte er am Donnerstag eine Reise nach Nordengland ab, weil "ein Familienmitglied positiv auf das Coronavirus getestet wurde", teilte Downing Street mit. Dabei müssen sich vollständig geimpfte Personen in England nach Kontakt zu Infizierten nicht mehr isolieren. Es wird lediglich empfohlen, "engen Kontakt mit Personen außerhalb des Haushalts einzuschränken".

Unter den Abgeordneten, die sich gegen den Premier stellen, ist mit Douglas Ross auch der Chef der schottischen Konservativen. Johnson hatte sich am Mittwoch im Unterhaus für eine Gartenparty in der Downing Street während des ersten Corona-Lockdowns im Mai 2020 entschuldigt. Er habe angenommen, es handle sich um ein Arbeitstreffen. Dies sei rückblickend falsch gewesen. Johnsons Büroleiter hatte per E-Mail etwa 100 Mitarbeiter zu der Zusammenkunft eingeladen und betont: "Bringt Euren eigenen Alkohol mit." Die Opposition fordert Johnsons Rücktritt. Die Zeitung "Daily Mirror" nannte den Premier auf ihrer Titelseite am Donnerstag "eine Schande".

Wie die "Times" berichtete, zeigte sich Johnson im Gespräch mit Parteikollegen trotzig. Er habe persönlich nichts falsch gemacht, soll er bei einem Treffen gesagt haben. Mit seiner Entschuldigung habe sich Johnson Zeit gekauft, kommentierte das Blatt. Dennoch sei der parteiinterne Widerstand groß. "Es ist vorbei. Es ist nicht zu verteidigen und es ist erstaunlich, wie wenig Unterstützung er innerhalb der Fraktion hat", zitierte die Zeitung ein Kabinettsmitglied.

Tatsächlich hatte sich bei der Debatte am Mittwoch kein Abgeordneter demonstrativ hinter Johnson gestellt, während die Opposition geschlossen und mehrfach seinen Rücktritt forderte. Zudem blieb der als möglicher Nachfolger gehandelte Finanzminister Rishi Sunak der Fragestunde fern.

Johnson hat einen Rücktritt nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Er bat darum, das Ergebnis einer laufenden internen Ermittlung abzuwarten, die sich mit mehreren mutmaßlichen Lockdown-Partys in der Downing Street beschäftigt. Viele haben nun den Eindruck, Johnsons Entschuldigung komme nicht von Herzen. "Er entschuldigt sich dafür, dass er erwischt wurde", ätzte die Labour-Politikerin Lisa Nandy.

Neben Sunak wird auch Außenministerin Liz Truss als mögliche Nachfolgerin Johnsons genannt. Beide meldeten sich erst am späten Mittwochabend zu Wort. Truss versicherte dabei Johnson ihre 100-prozentige Unterstützung. Sunak, dem ein schwieriges Verhältnis zu Johnson nachgesagt wird, äußerte sich deutlich zurückhaltender.

Damit das Parlament über Johnsons Zukunft abstimmen kann, müssen 15 Prozent der 360 konservativen Abgeordneten dem Premier ihr Misstrauen aussprechen. Davon ist Johnson aber offiziell noch weit entfernt. Für den Premier spreche zudem, dass die unterschiedlichen Tory-Flügel nicht an einem Strang ziehen, kommentierte die BBC. Neuen Fragen der Medien musste sich Johnson am Donnerstag nicht stellen. Weil ein Familienmitglied positiv auf Corona getestet wurde, sagte der Premier einen geplanten Besuch in einem Impfzentrum ab.

ribbon Zusammenfassung
  • Belastet von schlechten Umfragen und einem verheerenden Medienecho kämpft der britische Premierminister Boris Johnson in der "Partygate"-Affäre um sein Amt.
  • Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov im Auftrag der Zeitung "Times" zufolge wuchs der Vorsprung der oppositionellen Labour-Partei vor Johnsons Konservativen auf zehn Prozentpunkte - die größte Differenz seit Dezember 2013.
  • Die Opposition fordert Johnsons Rücktritt.

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