APA/APA/AFP (Archivbild November 2024)/NICOLAS TUCAT

Borrell beklagt mangelnde Empathie der EU mit Palästina

11. Mai 2025 · Lesedauer 3 min

Der von US-Präsident Donald Trump ausgelöste Zoll- und Handelskrieg, der russische Angriff auf die Ukraine, Israels Militäroffensive in Gaza. Ist Europa für diese neue Welt vorbereitet? "Mit Sicherheit nicht", so der ehemalige EU-Außenbeauftragte Josep Borrell in einem Interview mit der spanischen Tageszeitung "La Vanguardia" (Sonntagsausgabe). Harsche Kritik übte der frühere Chefdiplomat der Europäischen Union an "Brüssels herzzerreißendem Mangel an Empathie mit Palästina".

"Wir Europäer neigen dazu zu glauben, dass wir der Mittelpunkt der Welt sind und die Geschichte schreiben. Aber das ist nicht mehr der Fall. Heute werde die Geschichte von Donald Trump, Xi Jinping und Wladimir Putin geschrieben", so Borrell mit Verweis auf die Präsidenten der USA, Chinas und Russlands.

Ein Grund für Europas mangelnden Einfluss sei der fehlende Wille, in internationalen Konflikten wie beispielsweise mit Blick auf die Militäroffensive Israels in Gaza vehement aufzutreten. "Was in Gaza geschieht, ist eine unbeschreibliche Tragödie und Europa hat sich in den Augen der übrigen Welt völlig diskreditiert. Weil wir gezeigt haben, dass uns das Leben der Palästinenser egal ist. Mit Ausnahme von Spanien, Irland und einigen anderen Ländern haben alle Länder (Premier Benjamin) Netanyahu gesagt, dass er zu viele Menschen tötet. Aber sie lassen ihn weitermachen, und zwar mit unseren Waffen", sagte Borrell, der aktuell das in Barcelona ansässige Forschungszentrum für internationale Angelegenheiten (CIDOB) leitet.

Israel habe natürlich das Recht, sich zu verteidigen. Aber es sei ein Recht innerhalb gewisser Grenzen. Und wenn diese Grenzen verletzt werden, liegen sie außerhalb des Geltungsbereichs des Völkerrechts und Europa tue nichts dagegen. "Der völlige Mangel an Empathie für das Leid des palästinensischen Volkes in Brüssel ist herzzerreißend", meint der ehemalige EU-Außenbeauftragte.

Natürlich habe die Europäische Union die Fähigkeiten und Kapazitäten, auf der politischen Weltbühne mitzuspielen. Doch um ein Global Player zu werden, müsse sich Europa eine gewisse Autonomie verschaffen - vor allem im Sicherheitsbereich. "Wir denken zwar noch immer im Sinne des Atlantischen Bündnisses, doch dieses gehört weitgehend der Vergangenheit an". Europa habe seine eigene Sicherheit seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs an die Vereinigten Staaten übertragen und das müsse sich ändern, so Borrell. Das habe bereits der ehemalige US-Präsident Barack Obama Europa versucht zu erklären. "Da er es aber höflich tat, ignorierten wir ihn. Trump sagt es nun auf seine sehr unhöfliche Art."

"Trump verachtet, genau wie Putin, die Schwachen"

"Trump verachtet, genau wie Putin, die Schwachen und glaubt, wer sich ihm nicht entgegenstellt, sei machtlos und verdiene seine Rücksichtnahme nicht." Wenn Europa also ernst genommen werden möchte, müsse es anfangen, endlich handlungsfähiger und vor allem handlungswilliger zu werden.

Doch scheint sich etwas zu tun, so Borrell. Das beste Beispiel dafür sei Deutschland. "Ein Land, das seit Jahren auf Budgetdisziplin sowie Schulden- und Defizitkontrolle besteht. Und plötzlich heben sie die Schuldenbremse auf und beginnen, ohne Begrenzung für Verteidigung und Infrastruktur auszugeben. Sie haben die Ohren des Wolfes gesehen. Oder des Bären ...", meint der ehemalige EU-Außenbeauftragte mit Blick auf Putins Russland.

Zusammenfassung
  • Der frühere EU-Außenbeauftragte Josep Borrell kritisiert in einem Interview mit 'La Vanguardia' den 'herzzerreißenden Mangel an Empathie' der EU gegenüber Palästina und wirft Brüssel vor, das Leid der Palästinenser in Gaza weitgehend zu ignorieren.
  • Er fordert mehr europäische Autonomie im Sicherheitsbereich und sieht erste Anzeichen eines Umdenkens, etwa an Deutschlands Aufhebung der Schuldenbremse zugunsten von Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben.