Familiennachzug AsylAPA/AFP

Begutachtungsfrist endete

"Kapitale Rechenfehler": Kritik an Familiennachzug-Stopp

13. Juni 2025 · Lesedauer 4 min

Diese Woche endete die Begutachtungsfrist für die Notverordnung zum Stopp des Familiennachzugs. Die Regierung beruft sich dabei auf eine EU-rechtliche Notfallsklausel. Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Begründung der Regierung scharf: Sie strotze vor Rechenfehlern und "untauglichen Parametern".

Ende April beschloss der Nationalrat den Stopp des Familiennachzugs für Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte. Dabei bezog man sich auf die "Notfallsklausel" der Europäischen Union. 

Mit Ende dieser Woche endete die Begutachtungsfrist für jene Notverordnung. Sämtliche NGOs stellten dem Gesetz jetzt ein "vernichtendes Zeugnis" aus.

"Wenig überraschend scheitert die Regierung an einer stringenten Erklärung, warum sich Österreich in einem Ausnahmezustand befindet, der die Anwendung von Notstandsmaßnahmen rechtfertigt", so Lukas Gahleitner-Gertz, Sprecher und Jurist der asylkoordination österreich.

Überraschend sei aber das "Ausmaß an kapitalen Rechenfehlern, untauglichen Parametern und irreführend unvollständigen Darstellungen, die die Regierung in Vorlage bringt."

Falsche Einwohnerzahl

Gleich zu Beginn etwa gebe es einen Fehler. So heiße es in der Begründung der Regierung etwa, dass die Bevölkerungszahl in Österreich 2015 bei 7,5 Millionen Einwohner:innen gelegen sei. 

Das sei falsch, so die Stellungnahme der NGOs. Die Bevölkerungszahl habe "zum Jahresbeginn 2015 8,6 Mio. und zum Jahresende 2015 8,7 Mio. Einwohner:innen" betragen.

Verrechnung "um 170 Prozent"

Rechenfehler gebe es zudem bei der "Berechnung des Potentials zu erwartender Familienzusammenführungen". Dieses sei "schlicht falsch", so die Stellungnahme der NGOs.

Die Regierung spreche in ihre Begründung einer Notlage davon, dass es 4.400 bereits abgelehnte Einreiseanträge gebe, die noch bekämpft werden könnten. Dazu kämen 2.500 anhängige Einreiseanträge, die noch nicht entschieden seien, sowie 1.900 positive Asylentscheidungen in den vergangenen drei Monaten. 

Jene drei Zahlen würden addiert und mit dem Faktor drei multipliziert. Denn, so die Bundesregierung, pro Fall könnten drei Familienangehörige nach Österreich nachgeholt werden. Sie gehe daher von 26.400 Personen aus, die über den Familiennachzug geholt werden könnten.

Der Faktor drei ist auch nicht das Problem der NGOs. Denn pro asylberechtigter Person würden durchschnittlich tatsächlich drei Familienangehörige nachgeholt. Allerdings betreffe das nur jene Asylberechtigte, die überhaupt anspruchsberechtigte Angehörige hätten - und das seien bei weitem nicht alle.

Laut Rechtsberatungsorganisationen könne man jedoch bei "höchstens bei 1.000 der 1.900 Asylzuerkennungen der letzten 3 Monaten mit Einreiseanträgen rechnen". Man müsse also in diesem Bereich mit maximal 3.000 Familienangehörigen rechnen. 

Bei den anderen beiden Zahlen dürfe nicht mit drei multipliziert werden, heißt es weiter. Sie würden die individuellen nachzuholenden Familienmitglieder bereits betreffen.

Der Maximalwert sei also nicht 26.400, sondern 9.900. Die Bundesregierung "liegt damit um über 170 (!) Prozent daneben", so das vernichtende Urteil.

Lösungsvorschläge fehlen

Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas Österreich, vermisst vor allem auch Lösungsvorschläge: "Statt die Rechte von Geflüchteten zu beschneiden und an den Fundamenten unseres Rechtsstaates zu rütteln, sollten jenen Personen, die in Österreich Schutz gefunden haben, mehr und bessere Integrationsangebote zugänglich gemacht werden."

Der Erlass der Notverordnung sei grundlegend zu überdenken, appelliert auch Maria Katharina Moser, Direktorin der Diakonie Österreich. Überforderungssituationen in manchen Schulen seien unbestritten, aber das sei eine bildungspolitische Frage und durch die Bildungspolitik zu lösen. 

"Klare Verletzung der Menschenrechte"

Shoura Zehetner-Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International, hält fest: "Die geplante Aussetzung des Familiennachzugs kann mit der vorgelegten mangelhaften Begründung nicht gerechtfertigt werden. Wenn die Regierung dennoch daran festhält, wäre das eine klare Verletzung der Menschenrechte, die sich Österreich zuschulden kommen lässt.

Die vorgelegte Begründung überzeuge nicht, so auch Erich Fenninger, Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe Österreich.

"Die Regierung darf nur in Ausnahmefällen und bei Vorliegen von echten Notlagen von der Einhaltung des geltenden Rechts abweichen. Die aktuelle Situation rechtfertigt keinesfalls, dass Kindern und Familien ein sicheres Aufwachsen verwehrt wird."

Video: Pause bei Familiennachzug

Zusammenfassung
  • Diese Woche endete die Begutachtungsfrist für die Notverordnung zum Stopp des Familiennachzugs.
  • Die Regierung beruft sich dabei auf eine EU-rechtliche Notfallsklausel.
  • Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Begründung der Regierung scharf: Sie strotze vor Rechenfehlern und "untauglichen Parametern".