Australien will nach Anschlag Waffenrecht verschärfen
27 Verletzte werden noch in Krankenhäusern behandelt. Der Zustand von sechs von ihnen ist laut den Gesundheitsbehörden kritisch. Zahlreiche Menschen kamen am Bondi Beach zu einer Mahnwache zusammen, um der Anschlagsopfer zu gedenken.
Die Verantwortlichen bei Polizei und Staatsanwaltschaft seien aufgefordert worden, Optionen auszuarbeiten, sagte Albanese nach einer Dringlichkeitssitzung seines Kabinetts. Konkrete Reformen seien aber nicht beschlossen worden, berichteten örtliche Medien. Geprüft werden sollen demnach ein Verbot von Waffen, die mit 3D-Druckern hergestellt werden können, sowie eine Beschränkung der Anzahl an Schusswaffen, die ein Bürger besitzen darf. Außerdem sei mit den Regierungschefs der australischen Teilstaaten besprochen worden, den Import von Waffen einzuschränken und Waffenlizenzen nur an australische Staatsbürger zu vergeben.
"Die Lebensumstände von Menschen können sich ändern. Menschen können im Laufe der Zeit radikalisiert werden. Lizenzen sollten nicht auf Dauer erteilt werden", sagte Albanese.
Der Anschlag am Sonntag sorgte in Australien für Entsetzen: Es war der schlimmste Fall von Schusswaffengewalt in dem Land seit rund 30 Jahren. Dass Australien wie andere Länder dieses Jahr einen Staat Palästina formell anerkannt habe, habe mit dem Anschlag nichts zu tun, sagte Albanese mit Blick auf Vorwürfe aus Israel. Er sehe keinen Zusammenhang, ergänzte er in einem TV-Interview. Es solle im Land aber noch konsequenter gegen Antisemitismus vorgegangen werden.
Die Ermittler haben die beiden Angreifer als Vater und Sohn identifiziert. Der 50-jährige Vater war von Einsatzkräften am Tatort erschossen worden. Der 24-jährige Sohn wurde gefasst und liegt mit schweren Verletzungen im Krankenhaus.
Albanese bestätigte, dass der australische Inlandsgeheimdienst den Sohn vor sechs Jahren wegen Verbindungen zu einer in Sydney ansässigen Zelle der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) überprüft hatte. Örtliche Medienberichte, wonach in einem Auto der Angreifer auch zwei IS-Flaggen gefunden wurden, bestätigte die Polizei mit Verweis auf laufende Ermittlungen bisher nicht.
Der Vater sei 1998 mit einem Studentenvisum in Australien eingereist, meldeten örtliche Medien. Sein Sohn sei in Australien geboren. Ihrer Familie hätten sie erzählt, sie seien über das Wochenende auf einem Angelausflug.
Der Chef der Polizei von New South Wales, Mal Lanyon, erklärte, dass der Vater Mitglied in einem Jagdverein gewesen sei. Er habe über eine Waffenbesitzkarte verfügt, weswegen er Langwaffen besitzen durfte. Insgesamt habe er sechs Waffen legal besessen, hieß es.
Nach einem Amoklauf 1996 in der tasmanischen Stadt Port Arthur mit 35 Toten waren in Australien strenge Waffengesetze eingeführt worden. Es gab jedoch in letzter Zeit Medienberichten zufolge Sorge über eine steigende Zahl an Waffen im Land.
Genaues Motiv noch weitgehend unklar
Die Behörden gehen bei der Tat vom Sonntag von einem antisemitischen Terroranschlag aus. Die beiden Schützen hatten am ersten Tag des achttägigen jüdischen Lichterfestes Chanukka mit Langwaffen am beliebten Strand Bondi Beach das Feuer auf eine feiernde Menschenmenge eröffnet. Das genaue Motiv ist weiter unklar.
Unter den Toten sei auch der Holocaust-Überlebende Alex Kleytman, berichtete "The Australian". Seine Frau, nach Angaben der Zeitung ebenfalls eine Holocaust-Überlebende, sagte dem Blatt, sie seien beide am Bondi Beach gewesen, um das jüdische Lichterfest Chanukka zu feiern. Sie seien seinerzeit von der Ukraine nach Australien ausgewandert und seit fast 60 Jahren verheiratet gewesen. Zudem befinden sich unter den Todesopfern Berichten zufolge auch ein zehnjähriges Mädchen und zwei Rabbiner. Zahlreiche Menschen nahmen am Montag an einer Trauerzeremonie für die Opfer teil. Der Premierminister legte nahe dem Tatort Blumen nieder.
Hat Australien den Schutz jüdischen Lebens vernachlässigt?
"Wir haben einen klaren Mangel an Führungsstärke beim Schutz jüdischer Australier gesehen", kritisierte Oppositionsführerin Sussan Ley von den Liberalen. Sie sagte weiter: "Wir haben eine Regierung, die Antisemitismus als ein Problem betrachtet, das gemanagt werden muss, und nicht als ein Übel, das ausgerottet werden muss".
Labor-Premierminister Albanese wiederum sagte: "In unserem Land ist kein Platz für diesen Hass, diese Gewalt und diesen Terrorismus". Ein Angriff auf jüdische Australier sei "ein Angriff auf alle Australier". Er rief seine Landsleute auf, als Zeichen der Solidarität mit der jüdischen Gemeinde zu Hause eine Kerze zu entzünden. "Wir sind stärker als die Feiglinge, die dies getan haben", sagte er.
Schwere Vorwürfe gegen Regierung Albanese
Auch die jüdische Organisation Australian Jewish Association erhob auf X schwere Vorwürfe: "Wie oft haben wir die Regierung gewarnt? Kein einziges Mal hatten wir das Gefühl, dass sie zugehört hat." Im Verlauf des Gaza-Kriegs geriet Israel international immer stärker in die Kritik. Parallel ist weltweit eine Welle von Antisemitismus zu beobachten, bei der Hass gegen Juden teils in Angriffe auf Menschen oder jüdische Einrichtungen wie Synagogen gipfelt.
In Australien hatte es im Dezember 2024 einen Brandanschlag auf eine Synagoge in Melbourne gegeben. Das Gotteshaus ging in Flammen auf. Albanese sprach von einer antisemitisch motivierten Schandtat, die Menschenleben in Gefahr gebracht habe. Die Behörden machten den Iran verantwortlich und wiesen den iranischen Botschafter aus. Trotzdem warfen israelische Politiker der Regierung Albanese vor, gegenüber Antisemitismus zu nachsichtig zu sein und nicht genug für den Schutz der lokalen jüdischen Gemeinde zu tun, die etwa 120.000 Menschen umfasst.
Österreicherin schildert Moment der Panik und Verwirrung
Zeugin des Anschlags wurde auch die Österreicherin Lorena Andessner. Sie war gerade mit einer Freundin auf der Strandpromenade unterwegs. Dem "Mittagsjournal" des ORF-Radios Ö1 schilderte sie ihre Erlebnisse: "Wir haben - wie wir jetzt wissen - plötzlich Schüsse gehört." Zunächst sei aber niemand von Schüssen ausgegangen, weil es sich um eine ansonsten sichere Gegend handle und Australien generell als sicher gelte. Dann habe sie aber zu ihrer Freundin gesagt: "'Ich glaube da schießt jemand', weil es hat einfach nicht aufgehört. In dem Moment sind uns schon Leute entgegengelaufen. Da hat bei uns der Überlebensmodus gekickt."
Hunderte liefen am Sonntag rund um den Bondi Beach um ihr Leben. Andessner und ihre Begleiterin fanden schließlich Unterschlupf in einem Burger-Lokal. Für drei Stunden saß sie mit anderen Schutzsuchenden dort fest. Während mangels gesicherter Informationen Gerüchte kursierten über die Geschehnisse, die sich dann später als falsch herausstellten, versuchten viele, Angehörige erreichen. Dass man in dem Versteck nichts mitgekriegt habe, "hat alles noch viel schlimmer gemacht", so die Österreicherin, die schon zum dritten Mal die Gegend besucht. "Sicher haben wir uns erst gewusst", als ein Sicherheitsbeamter des Gebäudekomplexes gekommen sei und mit der Polizei sprach,
Zusammenfassung
- Nach dem Anschlag mit 15 Toten und 27 Verletzten auf ein jüdisches Fest in Sydney will Australiens Regierung die Waffengesetze weiter verschärfen.
- Premierminister Albanese kündigte an, unter anderem ein Verbot von 3D-gedruckten Waffen, eine Begrenzung der Waffenanzahl pro Person sowie Importbeschränkungen und strengere Vergabe von Waffenlizenzen zu prüfen.
- Die Täter wurden als Vater (50, erschossen) und Sohn (24, schwer verletzt) identifiziert; der Vater war Mitglied eines Jagdvereins und besaß sechs legale Langwaffen.
- Unter den Todesopfern sind auch ein Holocaust-Überlebender, ein zehnjähriges Mädchen und zwei Rabbiner; zahlreiche Menschen gedachten der Opfer bei einer Mahnwache am Bondi Beach.
- Der Anschlag löste eine Debatte über den Schutz jüdischen Lebens und den Umgang mit Antisemitismus in Australien aus, begleitet von scharfer Kritik der Opposition und jüdischer Organisationen an der Regierung.
